Beitragsreihe: GridSim – das Energiesystemmodell
Das Verteilnetz- und Energiesystem-Modell GridSim ist ein umfassendes und vielschichtiges Modell der FfE. Dieses vorwiegend in MATLAB implementierte Simulationsmodell wird seit dem Jahr 2012 in diversen Projekten weiterentwickelt, um kontinuierlich den technologischen Fortschritt abzubilden und um dadurch einen Beitrag zur Beantwortung der aktuellsten, energiewirtschaftlichen Forschungsfragen im Kontext der Verteilnetze zu leisten. In der folgenden Beitragsreihe bieten wir einen vertiefenden Einblick in den Werkzeugkasten der FfE, von den Grundsätzen über die darin modellierten Komponenten und Möglichkeiten der Regelung bis hin zur automatisierten Auswertung und Veranschaulichung der Simulationsergebnisse.
Dieser Beitrag ist der erste von fünf Beiträgen, die nun sukzessive auf unserer Website erscheinen und in dieser Tabelle verlinkt werden.
Übersicht über die Themen der Beitragsreihe GridSim
Im Kontext des Jahrhundertprojekts „Energiewende“ nehmen die Netze der Mittel- und Niederspannung (MS und NS) eine zentrale Rolle ein. Neben der geplanten Integration einer großen Anzahl an PV-Anlagen in diese Spannungsebenen (PV-Potenzial auf Dachflächen in Deutschland nach [1] – 193 GW bzw. 183 TWh/a), werden darin im Zuge der Sektorkopplung mittelfristig zahlreiche, neuartige Verbraucher, wie z. B. Elektrofahrzeuge und Power-to-Heat-Systeme, in den Stromsektor integriert. Diese Komponenten werden dabei verschieden flexibel in den Netzbetrieb eingegliedert und sorgen für zusätzliche Belastung im Verteilnetz. Intelligent gesteuert können diese Komponenten in einem sich kontinuierlich entwickelnden Energiesystem jedoch auch einen Beitrag zur Gewährleistung der Netzstabilität leisten. [2]
Im Stromnetz- und Energiesystem-Modell für Verteilnetze „GridSim“ werden die in dieser Spannungsebene integrierten Komponenten bottom-up im Verteilnetz modelliert und unter verschiedenen Restriktionen und Prämissen individuelle Lastgänge erzeugt. Im Gegensatz zur makroökonomischen Modellierung nach Top-down-Ansätzen, weisen Bottom-up-Modellierungsansätze einen hohen technologischen Detailgrad auf, welcher es den Modellen ermöglicht, sehr detaillierte Bilder von Energienachfrage- und Energieversorgungstechnologien sowie möglichen Technologie-Zukünften darzustellen. [3] Diese Art der Modellierung ermöglicht es somit, das dynamische Verhalten und das daraus resultierende Zusammenspiel verschiedener Komponenten als Teilnehmer des untersuchten Energiesystems abzubilden (vgl. schematisch Abbildung 1).
Grundsätzlich folgt eine Simulation in GridSim dabei dem folgenden Ablauf:
- Szenario Definition – Es werden Verteilnetztopologien, zugehörige Verteilungen von Komponenten, Rahmenparameter (z. B. zeitliche und regionale Auflösung), Eingangsdatenquellen, Regelungsstrategien und Auswertungsgrößen über eine Benutzeroberfläche selektiert und in einem Parameterset verknüpft.
- Initialisierung – Aus importierten Eingangsdaten werden entsprechend der Benutzereingaben die Netztopologien mit den Komponenten verknüpft. Es folgt die Dimensionierung der Komponenten und die anschließende Synthese statischer Lastgänge (z. B. Haushalte).
- Lastflussrechnung & Dynamische Lastgangmodellierung – Im Rahmen der Netzsimulation werden für jeden Zeitschritt die Residuallast und daraus resultierende Netzkenngrößen (Spannungen, Ströme, Betriebsmittelauslastungen) an den Netzknoten berechnet, welche wiederum als mögliche Führungsgrößen für Ladesteuerungen an das umfassende Framework zurückgegeben und verschiedene Lastgänge dynamisch nachjustiert werden.
- Auswertung – Nach der Lastflussrechnung für den Simulationszeitraum werden die Ergebnisse je Zeitschritt und Objekt gesichert und in verschiedenen Auswertungen analysiert und aufbereitet.
In den Projekten der FfE, in welchen das Simulationsmodell zum Einsatz kommt, werden individuelle Verteilnetze und Netzbelastungssituationen analysiert. Dabei werden verschiedene Arten der Netz-Initialisierung angewandt und Eingangsdaten aus verschiedenen Quellen importiert. Es ist von hoher Relevanz, dass die Qualität dieser verwendeten Eingangsdaten den modellbedingten Anforderungen, wie z. B. einer hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung, entspricht. Durch Schnittstellen mit weiteren Werkzeugen der FfE, wie z. B. dem regionalisierten Energiesystemmodell FREM können diese Anforderungen erfüllt und ein hoher Grad an Flexibilität bei der Erzeugung verschiedener Szenarien gewährleistet werden.
Insbesondere bei der Modellierung der Komponenten sowie zugehöriger Lastgänge und bei der Verteilung dieser im Verteilnetz bietet das Modell einen hohen Grad an Flexibilität. Wie einzelne Komponenten einschließlich ihrer Lastgänge modelliert und wie im Modell reale und synthetische Netze zur Bewertung von Netzbelastungen verteilt werden, wird im nächsten Beitrag dieser Reihe erörtert.
Weitere Informationen:
Literaturverzeichnis:
[1] Fattler, Steffen et al.: Dynamis Hauptbericht – Dynamische und intersektorale Maßnahmenbewertung zur kosteneffizienten Dekarbonisierung des Energiesystems. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2019.
[2] Bogensperger, Alexander; Lienert, Christoph; Zeiselmair, Andreas; Köppl, Simon; Estermann, Thomas: Flexibilitätsintegration als wichtiger Baustein eines effizienten Energiesystems – Eine FfE-Kurzstudie im Rahmen der Projekte MONA 2030 und C/sells. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2017
[3] Herbst, Andrea et al.: Introduction to Energy Systems Modelling. In: Swiss Journal of Economics and Statistics 148. Karlsruhe: Fraunhofer ISI, 2012.