08.02.2022

Beitragsreihe FREM: Wetterdaten

Wetterdaten spielen eine zentrale Rolle in der Energiesystemanalyse, um die wetter- und jahreszeitenabhängige Erzeugungsleistung der volatilen erneuerbaren Energien berechnen zu können. Photovoltaik-Anlagen produzieren nur bei ausreichender Sonneneinstrahlung Strom, während Windkraftanlagen nur zwischen bestimmten Windgeschwindigkeiten betrieben werden können. Was trivial klingt, ist in der tatsächlichen Berechnung äußerst komplex: die auf die Solarmodule auftreffende Sonnenenergie ist unter anderem abhängig von Bewölkung, Albedo, atmosphärischer Reflexion sowie dem Einfallswinkel, welcher wiederum abhängig vom Sonnenverlauf ist. Um die Stromerzeugung aus Windkraft berechnen zu können, müssen dagegen die verschiedenen Windgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der (Naben-) Höhe ermittelt und die Luftdichte berücksichtigt werden. Die Anbieter von Wetterdaten liefern dabei in der Regel nur einzelne Parameter, aus denen diese Werte im Vorfeld berechnet werden müssen. Über die an der FfE eingesetzten Wetterdaten geben wir hier einen Überblick.

Vergleich der Wettermodelle

MERRA-2

Die „Modern-Era Retrospective analysis for Research and Applications, Version 2 (MERRA-2)“ des Global Modeling and Assimilation Office der NASA stellt den ersten, globalen Wetterdatensatz dar, der an der FfE implementiert wurde. Das MERRA-2-Projekt begann 1970 und sammelt seither kontinuierlich umfassende Daten zu verschiedenen Parametern der Atmosphäre, den Ozeanen, Landmassen und Aerosolen der Erde. An der FfE liegen die Daten ab 1980 vor. MERRA-2 liefert Parameter als Mittelwerte über 1, 3, 6 oder 24 Stunden. An der FfE werden die stündlichen Mittelwerte der Parameter für Jahre von 1980 bis heute herangezogen.

Die MERRA-2 Datensets werden auf einem Gitter von 0,625° geographischer Länge und 0,5° geographischer Breite des Koordinatenreferenzsystems WGS84 dargestellt, das in FREM als Vektorgeometrie mit dem EPSG-Code 4326 vorliegt. Da die Erde mathematisch durch einen Rotationsellipsoiden beschrieben wird, variiert die metrische Gittergröße der Gitterzellen in Abhängigkeit von der Breite. So entspricht das Gitter bei einer Breite von 10° N einer Größe von ca. 74 km Breite und 51 km Länge.

Abbildung1: Ausschnitt des MERRA-2 Gitters über Dänemark in flächentreuer EPSG:3035 Projektion. Quelle: eigene Darstellung.

Modellierung der Windgeschwindigkeiten

Aus den Windvektoren U10M, V10M bzw. U50M, V50M für West- und Südwinde in 10 und 50 m Höhe werden zunächst die resultierenden Windgeschwindigkeiten in 10 und 50 m Höhe für jede Gitterzelle berechnet:

Windgeschwindigkeiten in anderen Höhen werden unter Berücksichtigung des atmosphärischen Stabilitätsfaktors über das logarithmische Windprofil berechnet. Um die Datenmenge gering zu halten, werden nur die Geschwindigkeiten in 60, 80, 100, 120 und 140 m Höhe berechnet. Damit können Erzeugungsgänge für die gängigsten Nabenhöhen ermittelt werden.

Modellierung der Solarstrahlung

Um PV-Erzeugungsgänge modellieren zu können, werden die direkten und diffusen Anteile der gesamten Solarstrahlung benötigt. Der MERRA-2-Datensatz liefert jedoch nur die gesamte Solarstrahlung auf horizontaler Fläche am Boden, die extraterrestrische Solarstrahlung sowie die Albedo. Die Strahlungsanteile werden daher nach dem Erbs-Modell berechnet. Beispielhaft sind die Anteile direkter und diffuser Strahlung über den Verlauf eines Tages für den Standort Starnberg in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Direkte und diffuse Strahlungsanteile, Standort Starnberg.

Berechnung der Sonnenposition

Um die einfallende Solarstrahlung auf ein PV-Modul zu berechnen, wird zuerst die genaue Sonnenposition benötigt. Diese wird für alle Stunden des Jahres und alle Zentroiden der MERRA-2 Zellen berechnet und ist in Abbildung 3 exemplarisch für den Standort Greenwich, UK, für alle Tage des Jahres 2012 um jeweils 12 Uhr mittags dargestellt.

Abbildung 3: Azimuth und Sonnenstand über das Jahr für den Standort Greenwich, UK.

Anschließend müssen ebenfalls die Einfallswinkel der Solarstrahlung auf der geneigten Fläche (den PV-Modulen) ermittelt sowie die einfallende reflektierte Strahlung addiert werden, um die gesamte eingetragene Strahlung zu erhalten.

In einem letzten Schritt werden das Schwachlichtverhalten der Module sowie der Einfluss der Temperatur auf deren Leistung berücksichtigt, welche als Abschlagsfaktoren in Abhängigkeit von Strahlung bzw. Temperatur auf die gesamte Strahlung angewendet werden.

ICON-EU

Das ICON-EU-Modell vom Deutschen Wetterdienst (DWD) ist das am längsten an der FfE eingesetzte Wettermodell und hat den Vorgänger COSMO-EU abgelöst, nachdem dieses vom DWD nicht länger fortgeführt wurde. Während das COSMO-Modell noch mit einer horizontalen Auflösung von ca. 7 km bis in 24 km Höhe Europa abdeckte, verfügt das ICON-EU über eine horizontale Maschenweite von ca. 6,5 km und erstreckt sich bis in 75 km Höhe. Die Modellvariablen, die die FfE aus dem Modell bezieht, sind die Luftdichte, Albedo, Temperatur und Windgeschwindigkeiten. Die für die Berechnung der Erzeugungsgänge relevanten Parameter werden analog zur Berechnung der MERRA-2-Parameter ermittelt.

Das ICON-EU-Modell wird vorrangig für europäische Betrachtungen herangezogen, da es hier eine deutlich bessere Auflösung bietet als MERRA-2.

CAMS

Der Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS) ist einer von sechs Diensten, die Copernicus, das Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union, bilden. Copernicus bietet Informationsdienste auf der Grundlage von satellitengestützter Erdbeobachtung, In-situ-Daten (ohne Satelliten) und Modellierung.

Der CAMS-Strahlungsdienst liefert Zeitreihen der globalen, direkten und diffusen Strahlung auf der horizontalen Oberfläche und der direkten Strahlung auf der normalen Ebene für die aktuellen Wetterbedingungen sowie für Bedingungen mit klarem Himmel 1 .

Für die Berechnung der Photovoltaik-Erzeugungsprofile für Europa werden je nach Anwendungsfall sowohl 1-minütige als auch 15-minütige Strahlungszeiten verwendet. Die von CAMS bereitgestellten Strahlungszeitreihen decken mit Ausnahme von Schweden und Norwegen das Gebiet von Europa räumlich ab und haben einen Messpunktabstand von 0,2°.

Abbildung 4: CAMS, Globalstrahlung – 12. Mai 2017.

ERA-5

Den neuesten Zuwachs im FfE-Wetterdatenportfolio bilden die beiden Datensätze ERA-5 und ERA-5-land des ECMWF (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts). ERA-5 liefert globale stündliche atmosphärische sowie land- und ozeanbezogene Wetterparameter mit einer Auflösung von 30 x 30 km, während ERA-5-land einen davon abgeleiteten Datensatz bildet und die europäische Landmasse mit einer Auflösung von 9 x 9 km abdeckt. Die ERA-Daten reichen aktuell bis 1979, perspektivisch sogar bis 1949 zurück und helfen der FfE unter anderem bei der Bildung langjähriger Mittel.

Erzeugungsgänge

Anhand der zuvor berechneten Wetter-Parameter werden Zeitreihen der Erzeugung für Photovoltaik und für verschiedene Windkraftanlagen mit räumlicher Auflösung in Abhängigkeit von dem genutzten Wettermodell generiert.

Anhand von berechnetem Rotorwirkungsgrad, Rotorfläche, Luftdichte und Windgeschwindigkeit werden die stündlichen Erzeugungsgänge für Windkraft berechnet. Der Quotient zwischen der Leistung P und der Nennleistung der Windkraftanlagen ergibt die erreichten Volllaststunden. Abbildung 5 zeigt eine Weltkarte mit Volllaststunden einer exemplarischen Siemens-Windenergieanlage, basierend auf MERRA-2-Daten.

Abbildung 5: Volllaststunden weltweit für die Siemens SWT-3.6-107 Windenergieanlage.

Im Fall der Photovoltaik werden die Erzeugungsgänge aus den zuvor ermittelten Parametern abgeleitet. Abbildung 6 zeigt eine Weltkarte mit den Volllaststunden für PV bei optimaler Neigung und Orientierung der Anlage pro Zelle. Ebenfalls sind am linken Rand jeweils die optimalen Ausrichtungsparameter für den entsprechenden Breitenkreis abgebildet. Grundlage ist hier ebenfalls MERRA-2.

Abbildung 6: Weltweite Volllaststunden für Photovoltaik bei optimaler Ausrichtung.

Anwendungsbeispiele

Die ermittelten Erzeugungsgänge stellen für die weitere Energiesystemanalyse an der FfE eine zentrale Grundlage dar. So werden diese beispielsweise für die regionale Ermittlung von Potenzialen erneuerbarer Energien genutzt, wie Abbildung 7 zeigt. Daneben dienen Wetterdaten auch für die Witterungsbereinigung von Verbrauchsdaten oder zur Ermittlung von Heiz- und Kühlgradtagen.

Abbildung 7: Potenziale erneuerbarer Energien in Europa auf NUTS-3-Ebene.

Weitere Informationen: