27.01.2022

Beitragsreihe FREM: Regionalisierungen für den Netzentwicklungsplan

Eine der grundlegenden Aufgaben des FREM ist es, unterschiedliche Eingangsdaten zu regionalisieren – also räumlich zu verteilen. Dafür können verschiedene Verteil-Schlüssel oder Methodiken zum Einsatz kommen: von der einfachen Verteilung eines nationalen Wertes über die Einwohner je Region bis zu komplexen, hoch aufgelösten Rastern, die solch einen Schlüssel auf Basis mehrerer Eingangsgrößen generieren. Die FfE steuert durch Regionalisierungs-Arbeiten immer wieder Teile für den Netzentwicklungsplan Strom (NEP) bei, den die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) regelmäßig erstellen und der Bundesnetzagentur vorlegen müssen. Dieser bildet die Basis für Entscheidungen zum Netzausbau in Deutschland. Ausgewählte Regionalisierungen, die die FfE für den NEP durchgeführt hat, werden in diesem Beitragsteil vorgestellt.

Übersicht über die Themen der Beitragsreihe FREM
  1. Aufbau einer energiewirtschaftlichen Geo-Datenbank
  2. Regionalisierungen für den Netzentwicklungsplan
  3. Das Windszenario-Tool WiSTl
  4. Freiflächen- und Dachflächen-Photovoltaik Zubaumodelle
  5. Wetterdaten
  6. Open Data

Regionalisierung Erneuerbarer Energien

Seit 2014 erarbeitet die FfE zusammen mit den ÜNB Prognosen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Bundesnetzagentur genehmigt zunächst Mantelzahlen für die Entwicklung der Erneuerbaren für verschiedene Szenarien (Szenario A – C), die anschließend über die Regionalisierungs-Logiken der FfE auf Gemeinde- bzw. PLZ-Ebene verteilt werden. Dabei werden Windenergieanlagen und Freiflächen- sowie Dachflächen-Photovoltaikanlagen getrennt betrachtet.

Beispielhaft soll in diesem Abschnitt die Regionalisierung des Ausbaus von Windenergieanlagen (WEA) für den Netzentwicklungsplan Strom 2030, Version 2019 1 dargestellt werden.

Flächenanalyse

Aufbauend auf einem aus verschiedenen Quellen fusionierten und aufbereiteten Bestandsdatensatz an WEA werden zunächst alle aktuellen Anlagen in Deutschland verortet. Für die Modellierung des Wind-Zubaus muss weiterhin die mögliche Flächenkulisse bestimmt werden. Dazu werden verschiedene Flächenkategorien für WEA definiert, die sich aus einer Kombination der von den Raumplanungsbehörden ausgeschriebenen Windeignungs- und Windvorranggebieten sowie eigens erhobenen Weißflächen ergeben. Letztere sind das Ergebnis einer deutschlandweiten Flächenanalyse, die alle Ausschlussflächen wie Schutzgebiete, Siedlungen etc. entfernt und die verbleibenden Flächen nach Nutzbarkeit (z. B. Wald = härtere Restriktion) unterteilt.

Darüber hinaus werden zusätzliche Abstandsflächen zu Siedlungen betrachtet, um aktuelle politische Diskussionen mit in die Betrachtung einbeziehen zu können. Abbildung 1 zeigt alle identifizierten und klassifizierten Potenzialflächen für WEA in Deutschland.

Abbildung 1: Klassifikation der potenziellen Standorte.

Zur Modellierung des anlagenscharfen Ausbaus wird im nächsten Schritt das FfE Windszenario-Tool (WiSTl) herangezogen. Durch WiSTl kann die optimale Konfiguration für Windparks in ausgewiesenen Flächen bestimmt werden. Das Tool berücksichtigt dabei den am besten geeigneten Anlagentyp je Fläche und baut die Windparks nach der typisch ellipsoiden Form und nach der Hauptwindrichtung ausgerichteten Richtung auf. Das WiSTl ist im Fokus des nächsten Beitrags der Reihe und wird dort genauer beleuchtet.  Nachdem nun für alle Potenzialflächen die optimale Anlagenkonfiguration ermittelt ist, beginnt im nächsten Schritt die eigentliche Regionalisierung – die Verteilung der Mantelzahlen in die Fläche.

Regionalisierung

Um die vorliegenden Mantelzahlen der installierten Leistung je Szenario in die Fläche zu bringen, muss zunächst der jährliche Anlagenbestand abgezogen werden. Dieser Anlagenbestand ist wiederum abhängig von der technischen Lebensdauer der Anlagen. Unter Berücksichtigung der bestehenden Anlagen in den Windeignungsflächen wird die verbleibende Fläche je Gebiet bestimmt und durch das WiSTl in ein elektrisches, nach Windgeschwindigkeiten und Windhäufigkeiten bewertetes Potenzial, überführt. Aus diesem Potenzial werden mehrere Standortklassen abgeleitet. Der restliche zu verteilende Zubau wird anschließend über die Standortklassen, sortiert von gut nach schlecht, regionalisiert.

Abbildung 2: Installierte WEA-Leistung im Szenario „B“ 2035 des NEP Strom 2030.

Regionalisierung Elektromobilität

Für den Szenario-Rahmen des Netzentwicklungsplans Strom 2035, Version 2021 1 durfte die FfE auch ihre Expertise im Bereich der Elektromobilität einbringen. Konkret sollte abgeschätzt werden, wie hoch die regional zusätzlich anfallende Stromlast durch die zu erwartende rasche Zunahme an Elektroautos (battery-electric vehicles, BEV) für verschiedene Szenarien ausfallen wird. Zur Beantwortung dieser Frage wurde zunächst eine Methodik entwickelt, um den zu erwartenden jährlichen BEV-Zuwachs bis 2050 zu regionalisieren. Hierfür wurden die drei Hochlauf-Phasen Pioniere, Mainstream und Standard definiert. Die Pionier-Phase beschreibt die early-adopter: technologie-affine, tendenziell jüngere und wohlhabendere Menschen, die sich vermutlich zuerst BEVs anschaffen. Die Mainstream-Phase schließt dagegen mehr Menschen aus weniger wohlhabenden Regionen mit ein und bei der Standard-Phase kann davon ausgegangen werden, dass ein Großteil des Fahrzeug-Bestands elektrifiziert ist. Um diese qualitativen Annahmen quantifizieren zu können, werden verschiedene Zensus-Parameter wie durchschnittliches Einkommen und Wohnfläche, Gebäude- oder Altersstruktur, Park- und Lademöglichkeiten aus OpenStreetMap und weitere Daten in einem flächendeckenden Raster zusammengeführt. Durch die Kombination der Parameter kann für jeden Pixel mit 100 m Kantenlänge in Deutschland ein Indikator gebildet werden, der die Wahrscheinlichkeit für den Erwerb eines Elektrofahrzeugs angibt. Die Dichte an BEV pro Quadratkilometer und Landkreis je Hochlauf-Phase kann Abbildung 3 entnommen werden.

Abbildung 3: „Battery-electric-vehicles“ (BEV) pro km² je Landkreis für die drei Hochlauf-Phasen Pioniere, Mainstream und Standard.

Mittels der Anzahl an BEV pro Region, Fahrprofilen aus dem „Mobilität in Deutschland 2017“-Datensatz sowie synthetischen Ladeprofilen kann schließlich die regional anfallende Last durch Laden von Elektrofahrzeugen ermittelt werden.

Regionalisierung des Nah- und Fernwärmebedarfs in Deutschland

Der Gebäudesektor nimmt eine zentrale Rolle in der Erreichung der nationalen Klimaziele ein. Um die Sektorziele der Bundesregierung für das Jahr 2030 zu erreichen, muss der Sektor weitere 50 Millionen Tonnen Emissionen pro Jahr einsparen.

Für die kommende Version des Netzentwicklungsplans Strom steuert die FfE daher räumlich aufgelöste Zeitreihen des Nah- und Fernwärmebedarfs bis 2050 bei. Dabei baut sie auf den Ergebnissen der AGORA-Energiewende-Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ („KNDE2045“) 1 auf. Diese Studie beschreibt sektorale Transformationspfade für ein klimaneutrales deutsches Energiesystem bis 2045. Im Gebäudesektor bedeutet dies z.B. eine Sanierungsrate von 1,6% pro Jahr sowie ein starker Ausbau der Wärmenetze. Die Ergebnisse werden jedoch nicht regional ausdifferenziert – die FfE setzt dies mit Hilfe des FREM nachträglich für den NEP um.

Status-quo

Zunächst wird durch die Auswertung der AGFW-Hauptberichte sowie der Regionalstatistik die aktuelle regionale Einspeisung in Wärmenetze, getrennt nach öffentlicher Versorgung (hier zusätzlich differenziert nach Energieträgern und Technologie, Heißwasser- und Dampfnetz, KWK und Heizwerke) und Industrie, ermittelt. Dadurch kann der Großteil der deutschen Wärmenetze abgebildet werden – eine vollständige Abdeckung wird dagegen nicht erreicht.

Zur regionalen Verortung der Einspeisemengen wird auf das Fernwärmepotenzial-Raster, das im Rahmen der Studien 2 und 3 entstanden ist, zurückgegriffen. Für die Ausweisung dieses Potenzials wird zunächst der statistisch je Gemeinde ermittelte Wärmebedarf der Sektoren private Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Industrie basierend auf Zensus-Daten (Wohnfläche privater Haushalte), Daten zum Gebäudebestand sowie der versiegelten Fläche kleinräumig regionalisiert. Um das Potenzial für Fernwärme ausweisen zu können, müssen geeignete Gebiete einen Mindestabsatz an Fernwärme erfüllen können, um einen wirtschaftlichen Betrieb des Wärmenetzes gewährleisten zu können. Dieser Mindestabsatz wird nach 4 mit 400 MWh/a*ha beziffert.

Das Fernwärmepotenzial wird für diese Untersuchung auf Gemeindeebene aggregiert (siehe Abbildung 4) und mit den regionalen Einspeisemengen nach AGFW (als Säulen) übereinandergelegt und verglichen. Dabei zeigen beide Datensätze eine gute Korrelation. Wo dagegen Fernwärmepotenzial vorliegt, jedoch keine Einspeisemengen aus den AGFW-Hauptberichten zu finden sind, werden folglich die Wärmenetze verortet, die zur Gesamtheit der aus den Hauptberichten ermittelten Einspeisemengen noch fehlen.

Abbildung 4: Fernwärmepotenzial und nach AGFW bereits erfasste Wärmenetze.

Entwicklung des Wärmebedarfs

Für die Entwicklung des regionalen Wärmebedarfs werden drei Szenarien gebildet, die unterschiedliche Ambitionsniveaus und Wärmenetz-Situationen beschreiben und sich an der „KNDE2045“ orientieren. Diese erreicht Klimaneutralität im Jahr 2045 in der öffentlichen Versorgung durch eine jährliche Gebäude-Sanierungsrate von 1,6%, 6 Millionen eingebauter Wärmepumpen sowie starkem Ausbau der Wärmenetze. Diese Rahmenparameter entsprechen dem mittleren FfE-Szenario, das eine „zentrale Wärmeversorgung“ abbildet. Entsprechend wird ein weiteres Szenario mit geringerem („Trend“) sowie eines mit höherem Ambitionsniveau („dezentral“) gebildet. Letzteres sieht beispielsweise eine Sanierungsrate von bis zu 2% vor. Die Regionalisierung dieser nationalen Szenarien geschieht unter Berücksichtigung des regionalen Fernwärmepotenzials. Auf die industriellen Szenarien wird aus Platzgründen an dieser Stelle nicht näher eingegangen.

Regionalisierung

Für die Regionalisierung des fortgeschriebenen Wärmeabsatzes der öffentlichen Versorgung wird zunächst für jedes Stützjahr die Differenz zwischen Wärmebedarf und Mantelzahl des Szenarios berechnet. Diese Differenz ergibt den notwendigen nationalen Wärmenetzausbau. Die Regionalisierung des Ausbaus erfolgt anschließend über oben beschriebenes Fernwärmepotenzial-Raster. Darüber kann schließlich die resultierende regionale Wärmenetzeinspeisung je Energieträger berechnet werden (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Wärmebereitstellung je Energieträger und Szenario für die Stützjahre bis 2050.

Die räumliche Auflösung von Status-quo und Entwicklung der lokalen Wärmebereitstellung lässt folglich detaillierte Aussagen darüber zu, wie die Sektorziele nicht nur national, sondern konkret vor Ort erreicht werden können. So zeigt die Analyse unter anderem, dass ein Ausbau des Wärmenetzes in Flensburg nicht möglich ist, da das Fernwärmepotenzial hier bereits erschlossen ist. Dagegen wird in Hamburg das Wärmenetz stark transformiert. Die rückläufige Einspeisung aus Steinkohle wird zunächst durch Erdgas und langfristig durch Großwärmepumpen, Geothermie und Wasserstoff ersetzt. Ein weiterer Vorteil der hohen geographischen Auflösung ist die Integration besonderer Gegebenheiten wie die lokale Eignung für Geothermie.