03.02.2022

Beitragsreihe FREM: Freiflächen- und Dachflächen-Photovoltaik-Zubaumodelle

Die Entwicklung des Photovoltaik-Bestands in Deutschland nimmt nach Jahren mit schwankenden Zubauzahlen wieder stärker an Fahrt auf. Dachflächen- (Dach-PVA) und Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FF-PVA) bilden eine wesentliche Säule zum Erreichen der Klimaziele, die je nach Betrachtungshorizont (Klimaneutralität 2050 in Europa bzw. 2045 in Deutschland) immer näher rücken. Die Netzbetreiber sehen sich bereits heute mit zunehmenden Anfragen zu FF-PVA immer größerer Leistungsklassen konfrontiert. Aber auch für den Bereich der Dach-PVA ist in den kommenden Jahren ein Boom zu erwarten, da einige Bundesländer bereits Solardach-Pflichten für gewerbliche und private Neubauten vorschreiben und auch im Vorfeld der ersten Umweltminister:innenkonferenz des Jahres 2022 durch den vorsitzenden Minister aus Niedersachsen auf eine Solarpflicht auf allen Neubauten gedrängt wird. Welche Standorte sich beispielsweise für FF-PVA eignen oder wie sich der PV-Dachflächen-Zubau szenarienbasiert entwickeln könnte, bilden wir in unseren Analysen europaweit mit unseren PV-Zubaumodellen ab, die in diesem Artikel näher beschrieben werden.

Übersicht über die Themen der Beitragsreihe FREM
  1. Aufbau einer energiewirtschaftlichen Geo-Datenbank
  2. Regionalisierungen für den Netzentwicklungsplan
  3. Das Windszenario-Tool WiSTl
  4. Freiflächen- und Dachflächen-Photovoltaik Zubaumodelle
  5. Wetterdaten
  6. Open Data

Freiflächen-Photovoltaik-Zubau

Das szenarienbasierte FF-PVA Zubaumodell wurde im Rahmen von Potenzialanalysen für Netzbetreiber aus Schleswig-Holstein, Sachsen und Bayern entwickelt und verfeinert. Die Netzbetreiber stehen vor der Herausforderung, sich auf die in Zahl und Leistungsumfang zunehmenden Anfragen neuer Freiflächen-Anlagen einzustellen und ihre Netzplanung entsprechend auszulegen. Insbesondere förderfreie Großanlagen ab 20 MW werden immer mehr zur Regel – diese erfordern nicht nur potenziell umfassendere Anschlussmaßnahmen, sondern sind auch nicht an die EEG-Flächenkulisse gebunden.

Um die Zubau-Wahrscheinlichkeiten verschiedener Regionen szenarienbasiert entwickeln zu können, hat die FfE ein mehrstufiges Modell entwickelt, das wie folgt aufgebaut ist:

  1. Identifikation von Potenzialflächen durch Geo-Verschneidung
  2. Berechnung eines flächendeckenden Bewertungsrasters
  3. Kombination von Potenzialflächen und Bewertungsraster
  4. Verteilung des Leistungs-Zubaus über die Flächen mit den höchsten Wahrscheinlichkeiten

Identifikation von Potenzialflächen durch Geo-Verschneidung

Zu Beginn jeder FF-PVA Analyse steht die Suche nach potenziell in Frage kommenden Flächen. Betrachtet werden sowohl die Flächen, die nach EEG genehmigt sind (200 m-Randstreifen um Autobahnen und Schienen sowie benachteiligte landwirtschaftliche Flächen, falls das jeweilige Bundesland von der Länderöffnungsklausel Gebrauch gemacht hat) als auch alle landwirtschaftlichen Flächen für große, förderfreie Anlagen. In beiden Fällen werden die Potenzialflächen über ein Ausschlussverfahren identifiziert, indem von der EEG-Flächenkulisse bzw. der Grundfläche des zu untersuchenden Gebiets alle Flächen abgezogen werden, die nicht für Freiflächen-Photovoltaik in Frage kommen (siehe Tabelle 1).

Ausschlussflächen
Autobahnen Nationalparks
Biosphärenreservate (I+II) Naturschutzgebiete
Biosphärenreservate (III) OSM Landnutzungsklassen
Bundesstraßen OSM Wege und Wasserwege
FFH-Gebiete Schienen
Flugverkehr Siedlungen innerorts
Gewässer Siedlungsfreiflächen
GHD und Industrieflächen SPA-Gebiete
Halden Wälder
Landschaftsschutzgebiete Wasserschutzgebiete (I+II)
Moore

Nach dieser Verschneidung liegt ein vollständiger Potenzialflächen-Datensatz vor (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Erstellung der PVA-Potenzialflächen.

Berechnung eines flächendeckenden Bewertungsrasters

Um die im vorherigen Schritt identifizierten Potenzialflächen bewerten zu können, werden in Rücksprache mit den Netzbetreibern sowie Interviews mit Projektierern relevante Bewertungskriterien festgelegt. Diese Kriterien können beispielsweise die räumliche Nähe zu vorhandenen Umspannwerken oder Freileitungen, Bodenwerte als mögliche Konkurrenz durch Landwirtschaft, Oberflächenmodelle zur Abbildung der Topografie oder die Nähe zu Bestandsanlagen zur Abbildung von Synergie-Effekten sein. Der offene Aufbau des Modells erlaubt nach Bedarf austauschbare Bewertungskriterien und gewährleistet somit einen flexiblen Modell-Aufbau.

Die gewählten Bewertungskriterien werden anschließend normiert und gemittelt, um ein flächendeckendes Raster zu erhalten, das für jeden Pixel einen Wert zwischen 0 und 100 enthält, der die Eignung für Freiflächen-Photovoltaik an dieser Stelle wiedergibt (siehe Abbildung 2):

Abbildung 2: PV-Potenzial auf Freiflächen nach Eignung in Schleswig-Holstein. Die höchste Eignung erscheint mit 39 % niedrig - dies ist jedoch auf die Abwertung einzelner Faktoren nach einer zuvor durchgeführten Sensitivitätsanalyse zurückzuführen, die das geometrische Mittel reduziert.

Kombination von Potenzialflächen und Bewertungsraster

Das flächendeckende Bewertungsraster wird im nächsten Schritt über die Potenzialflächen gelegt. Nun kann für jede Fläche die mittlere Eignung in Abhängigkeit von der Leistungsklasse (= Größe der Fläche) angegeben werden.

Verteilung des Leistungs-Zubaus über die Flächen mit den höchsten Wahrscheinlichkeiten

Nun liegt ein Datensatz vor, der für jede potenzielle Fläche im Untersuchungsgebiet die Eignung für FF-PVA angibt. Da die verfügbaren Flächen jedoch weit über einen realistischen Leistungszubau hinausgehen, werden die Flächen absteigend nach ihrer Eignung, beginnend mit der besten Fläche, sortiert. Das jeweilige Szenario, das gemeinsam mit den Netzbetreibern entwickelt wird, bestimmt die absolute Höhe des Zubaus nach Jahr und Region (in der Regel je Bundesland). Diese Leistungszahlen werden nun über die sortierten Flächen verteilt, bis so viele Flächen zugebaut sind, wie die Mantelzahl des Zubaus vorgibt.

Diese Regionalisierung erlaubt folglich Aussagen über mögliche Ausbaupfade in einem Bundesland in Abhängigkeit von verschiedenen Flächenkulissen und Szenarien.

Dachflächen-Photovoltaik

Dezentrale Stromerzeugung durch PV-Dachanlagen kann einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der Stromkapazität leisten. Die Kategorie umfasst ein breites Spektrum von unterschiedlichen Dächern: von Hausdächern mit Anlagen von wenigen kW bis hin zu großflächigen gewerblichen Dächern. Die Eigentümer sind „Prosumer“ und umfassen Bürger, die als Privatpersonen oder in Energiegemeinschaften bzw. Genossenschaften handeln, aber auch Unternehmen. Für eine vorausschauende Netzplanung durch die Netzbetreiber ist die räumliche Verteilung der Anlagen entscheidend.

Die hier vorgestellte Potenzialanalyse liefert ein europaweites, räumliches Dachflächenpotenzial mit einer räumlichen Auflösung von 250 x 250 Metern (in Deutschland auch 100 x 100 Meter). Das zugrundeliegende Modell basiert auf einem Open Data Ansatz, benötigte keine zusätzlichen Überfliegungen und umfasst folgende Schritte:

  1. Aufbereitung eines Bevölkerungs- und Bebauungsrasters
  2. Analyse eines hochaufgelösten Solardachkatasters
  3. Überführung der Gebäudepolygone in ein Rastermodell
  4. Zusammenführung von Regressionsparametern und Rastergebäudemodell

Abbildung 3 zeigt den Ablauf des Modells schematisch.

Abbildung 3: Sequenzielle Berechnungsmethodik.

Aufbereitung des Bevölkerungs- und Bebauungsrasters

Die Ausgangsbasis für die Berechnungen ist ein Bevölkerungsraster (Global Human Settlement Layer Population) mit einer Auflösung von 250 x 250 Metern sowie ein Bebauungsraster (Global Human Settlement Layer: Built-Up) mit einer Auflösung von 38 x 38 Metern. Im ersten Schritt wird das Bevölkerungsraster normiert, um die Bevölkerungsdichte zu erhalten. Das Gitter des Rasters dient außerdem als Zielraster für das Ergebnis. Im nächsten Schritt wird die Bebauungsdichte durch eine Nachbarschaftsanalyse je Pixel durchgeführt. Dafür wird die Summe der bebauten Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche innerhalb eines definierten Radius um einen Pixel berechnet. Die so gewonnene Bebauungsdichte ergänzt das Raster in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Vergleich zwischen OSM-Gebäudepolygonen (links) und Bebauungsraster (rechts).

Analyse Solardachkataster

Für die Gewinnung von Regressionsparametern wird ein hochaufgelöstes Solardachkataster (SDK) ausgewertet. Das SDK unterscheidet unterschiedliche Haustypen, Dachtypen und deren Ausrichtung. Mithilfe von Geooperationen werden die Gebäudepolygone sowie spezifische Informationen wie Grundfläche, Eignungsfläche und Anteil der Eignungsfläche in das zuvor generierte Zielraster überführt. Mit dem dadurch entstandenen Datensatz werden Regressionsparameter in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte, der Bebauungsdichte, sowie der anteiligen Eignungsfläche kalkuliert. Eine weitere Auswertung des SDK generiert einen Abschlagsfaktor für nicht geeignete Gebäude. Darunter fallen unter anderem Gebäude mit Denkmalschutz, aber auch sonstige Gebäude, die von einer Eignung ausgeschlossen werden.

Überführung der Gebäudepolygone in das Rastermodell

Im weiteren Verlauf werden die Flächen der OpenStreetMap-Gebäudepolygone des jeweiligen Betrachtungsgebietes in das Raster überführt. Dadurch entsteht ein Rasterdatensatz, der die Gebäudegrundflächen in Abhängigkeit von der Bevölkerungs- und Bebauungsdichte aufzeigt (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Umwandlung von Vektor zu Rasterformat.

Mit Hilfe der zuvor berechneten Regressionsparameter sowie dem Abschlagsfaktor lässt sich das regionalisierte PV-Potenzial ermitteln. Abbildung 6 zeigt das PV-Dachflächen-Potenzial in Berlin.

Abbildung 6: Ausschnitt Potenzialraster (kW/Pixel bei einer Modul-Leistungsdichte von 0,15 kWp/m²).

Zubau der Potenziale und Ausblick

Die ermittelten Potenziale für Freiflächen- und Dachflächen-Photovoltaik fließen anschließend zusammen mit den optimal konfigurierten Wind-Onshore-Flächen in die Energiesystem-Analysen der FfE ein. In den deutschland- oder europaweiten Energieystemstudien baut das lineare Optimierungsmodell ISAaR die Rest-Potenziale (Potenzial minus Bestand) unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien kostenoptimal zu.

Weitere Informationen: