Energy Sharing – Mögliche Rückwirkungen auf das Energiesystem
Energy Sharing bezeichnet die koordinierte Nutzung und Erzeugung von Strom, unabhängig von etablierten Marktrollen, einschließlich der Einbeziehung einer oder mehrerer Spannungsebenen des öffentlichen Netzes. Durch Energy Sharing können intrinsisch mehrere positive Rückwirkungen kombiniert werden [1]. Unter anderem kann es eine stärkere Teilhabe von Privatpersonen an der Energiewende ermöglichen und hierdurch die Akzeptanz für erneuerbare Energien sowie Privatinvestitionen steigern. Zudem wird erwartet, dass Energy Sharing auf lokaler Ebene Anreize für einen netzdienlichen Einsatz flexibler Verbrauchseinrichtung schaffen wird.[2]
Im November 2024 wurde ein Gesetzentwurf zur Änderung des Energiewirtschafts-Gesetzes (EnWG) vorgeschlagen, durch welchen Energy Sharing unter Nutzung des öffentlichen Netzes möglich gemacht werden soll. Hieraus ergeben sich verschiedene Fragestellungen zur Umsetzung, Preisgestaltung sowie zu möglichen Systemrückwirkungen. In dieser Beitragsreihe geben wir einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen und erläutern mögliche Ausgestaltungsformen, sowie die Implikationen für das Energiesystem.
Inhalte der Beitragsreihe:
- Mögliche Rückwirkungen von Energy Sharing auf das Energiesystem
- Regulatorische Entwicklungen und Perspektiven für vielfältige Geschäftsmodelle in Deutschland
- Lokale dynamische Tarife
Die FfE hat im Auftrag der Elektrizitätswerke Schönau die Studie „Flexibilisierung des Stromsystems“ [3] veröffentlicht, welche einen Überblick über die möglichen Ziele und Umsetzungsformen von Energy Sharing liefert. Zudem wird der Zusammenhang zwischen der Umsetzungsform und den zu erwartenden Systemrückwirkungen von Energy Sharing analysiert. Dieser Beitrag liefert eine Zusammenfassung der Kernergebnisse der Studie.
Ziele von Energy Sharing
Mit der Umsetzung von Energy Sharing können unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Diese können in drei Kategorien zusammengefasst werden [1, 2, 3].
- Erhöhte Teilhabe von Privatpersonen an der Energiewende
Durch Energy Sharing können Privatpersonen (sowie kleine, mittlere Unternehmen und Kommunen) aktiv an der Energiewende beteiligt werden. Prosumer können ihren Strom direkt an andere Privatpersonen ihrer Wahl verkaufen. Auch vulnerable Gruppen können sich somit als Verbraucher an der Energiewende beteiligen und zum Beispiel von günstigerem Strom profitieren.
- Erhöhte Akzeptanz und Zubausteigerung
Die erhöhte Teilhabe an der Energiewende soll zu einer erhöhten Akzeptanz für die Energiewende führen: Wenn der Bau eines Windrads in einer Gemeinde für die Bewohner tatsächlich zu einer Reduktion der Stromkosten oder einer erhöhten Preissicherheit führt, ist zu erwarten, dass dies die Akzeptanz für das Windrad deutlich steigern wird. Außerdem kann Energy Sharing private Investitionen anreizen:
- Prosumer bekommen einen Anreiz, überdimensionierte Anlagen zu bauen, wenn sie ihren Stromüberschuss lokal und attraktiv vermarkten können.
- Wird der gemeinschaftliche Eigenverbrauch erlaubt (also der direkte Verbrauch des Stroms einer gemeinschaftlich betriebenen Anlage durch die Mitglieder der Gemeinschaft), so wird die Investition in Anlagen im Rahmen von Gemeinschaften oder Genossenschaften attraktiver.
- Insbesondere können so auch vulnerable Verbraucher, die zum Beispiel in Mehrfamilienhäusern wohnen, oder finanziell nicht in der Lage sind, eine eigene PV-Anlage anzuschaffen, geringe Summen in die Energiewende investieren und davon profitieren.
- Reduktion des Netzausbaus
Die Reduktion des Netzausbaus wird als eine positive Rückwirkung von Energy Sharing erwartet. Durch das lokale Teilen von Strom sollen Anreize für einen Verbrauch des Stroms zu Zeiten hoher lokaler Erzeugung gesetzt werden, wodurch die Netzauslastung reduziert werden soll. Außerdem sollen die Anreize für Investitionen in die Energiewende durch Energy Sharing ebenfalls in der Nähe der Verbraucher stattfinden, was ebenfalls den Bedarf für Netzausbau reduzieren sollen.
Neben diesen intrinsischen Netzrückwirkungen von Energy Sharing ist auch zu erwarten, dass Energy Sharing Investitionen in flexible Anlagen sowie ihre Bündelung und ihren Einsatz für Netz- oder Systemdienstleistungen anreizen und beschleunigen kann.
Einfluss der Umsetzung auf die Rückwirkungen von Energy Sharing
Energy Sharing umfasst aktuell zahlreiche, teils sehr unterschiedliche Konzepte. Die wichtigsten Merkmale und Parameter, die bei der Umsetzung von Energy Sharing betrachtet werden müssen, sowie deren Einfluss auf die Rückwirkungen von Energy Sharing, werden in Abbildung 1 zusammengefasst.

Fazit und Ausblick
Die positiven Effekte von Energy Sharing auf die Teilhabe an der Energiewende und der daraus folgenden Zubausteigerung konnten in Ländern, in denen Energy Sharing bereits umgesetzt wurde, zum Teil schon nachgewiesen werden [4, 5]. Um die Ziele zu erreichen, ist ausschlaggebend, dass Energy Sharing für Privatpersonen wirtschaftlich sein muss, da sonst nicht mit einer breiten Umsetzung von Energy Sharing zu rechnen ist. Aus politischer Sicht müssen die Kosten und Nutzen, die mit der Umsetzung von Energy Sharing verbunden sind, mit denen anderer Mechanismen mit denselben Zielen verglichen werden.
Die Netzdienlichkeit von Energy Sharing hängt dagegen stark von der Umsetzung ab. Aktuell sind noch keine empirischen Nachweise der Netzdienlichkeit von Energy Sharing verfügbar, was wahrscheinlich auf die gewählten Umsetzungen in den betroffenen Ländern zurückzuführen ist [3, 4, 5]. Ergebnisse aus Simulationen deuten darauf hin, dass Energy Sharing bei der richtigen Umsetzung einen wichtigen netzdienlichen Beitrag leisten kann. Auch hier muss perspektivisch eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden, welche Energy Sharing mit alternativen netzdienlichen Mechanismen vergleicht.
Zusammengefasst zeigt diese Studie vor allem, dass eine klare Definition der Ziele, die mit Energy Sharing verfolgt werden sollen, ein notwendiger Schritt ist, da nicht alle Umsetzungen von Energy Sharing gleichermaßen auf alle Ziele einzahlen.
Die FfE plant weiterhin aktiv an der Entwicklung von Energy Sharing Konzepten beteiligt zu sein und deren Kosten und Nutzen wissenschaftlich zu bewerten. Dabei soll stets der Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die öffentliche Debatte und in die Industrie im Fokus stehen.
Literatur:
[1] Wiesenthal, J., Aretz, A., Ouanes, N., & Petrick, K. (2022, Mai). Energy Sharing: Eine Potenzialanalyse. Gemeinschaftlich Strom im Verteilnetz erzeugen und nutzen: Eine Studie zum Umsetzungsvorschlag im Rahmen von Artikel 22 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Publikationen/2022/Energy_Sharing_Eine_Potenzialanalyse_1.pdf
[2] Ritter, D., Bauknecht, D., Fietze, D., Klug, K., & Kahles, M. (2023). Energy Sharing: Bestandsaufnahme und Struktu-rierung der deutschen Debatte unter Berücksichtigung des EU-Rechts. Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energy-sharing
[3] FfE (2024): Flexibilisierung des Stromsystems: Beitrag von Energy Sharing für Netz-, System- und Marktdienlichkeit. Studie im Auftrag der: Elektrizitätswerke Schönau
[4] Urbansky, J., & Schürmann, L. (2024). Untersuchung der Verteilnetzbelastung bei Proaktivem Energy-Sharing nach Österreichischem Vorbild. Fraunhofer UMSICHT. https://www.tugraz.at/fileadmin/user_upload/tugrazExternal/f560810f-089d-42d8-ae6d-8e82a8454ca9/files/lf/Session_C3/333_LF_Urbansky.pdf
[5] Pressmair, G., Mayr, M., & Benke, G. (2024). Welchen Beitrag liefern Energiegemeinschaften zur Energiewende? Eine Kritische Diskussion. e7 energy innovation & engineering https://www.researchgate.net/publication/378299470_Welchen_Beitrag_liefern_Energiegemeinschaften_zur_Energiewende_Eine_Kritische_Diskussion