Beitragsreihe Dynamisches Induktives Laden im Verkehr: Wie funktioniert die Technologie und wo kann sie eingesetzt werden?
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Forschungsprojekte zur praktischen Umsetzung des dynamischen induktiven (Dynamic Wireless Power Transfer – DWPT) Ladens von Elektrofahrzeugen durchgeführt. Diese innovative Technologie ermöglicht eine drahtlose Energieübertragung, bei der Elektrofahrzeuge während der Fahrt aufgeladen werden können. Doch wie genau funktioniert diese Technologie und wo findet sich Induktion und induktives Laden bereits in unserem Alltag wieder? Welches Potenzial birgt das dynamische induktive Laden im öffentlichen Nahverkehr und welche Auswirkungen hat es auf Umwelt, Mensch und Energiesystem? Diesen und weiteren Fragestellungen widmet sich diese Beitragsreihe und beleuchtet das dynamische induktive Laden aus verschiedenen Perspektiven.
Der erste Artikel beschäftigt sich mit der Funktionsweise und den Anwendungsbereichen des dynamischen induktiven Ladens.
- Wie funktioniert die Technologie und wo kann sie eingesetzt werden?
- Was sind die Rahmenbedingungen der Technologie?
- Welche Aspekte beeinflussen die Technologieakzeptanz?
- Was ist das nationale Technologiepotenzial im ÖPNV?
- Wie ist die Technologie ökologisch zu bewerten?
- Welche Handlungsoptionen ergeben sich aus den Erkenntnissen?
Im Zuge des stetigen Wachstums der Elektromobilität gibt es diverse Herausforderungen, die auch Bezug zu energiewirtschaftlichen Themen haben. Neben Fragen rund um die Netzbelastung und die Integration von erneuerbaren Energien sind für einen zügigen Ausbau der Elektromobilität auch die Batteriekapazität, die Steigerung der Reichweite, ein effizienter Ressourceneinsatz und eine flächendeckende Ladeinfrastruktur von entscheidender Bedeutung. Bisher dominiert als Ladetechnologie die konduktive Energieübertragung, bei der das Elektrofahrzeug über eine Steckverbindung mit einer Ladestation verbunden und über ein Kabel aufgeladen wird [1].
Neben dem etablierten konduktiven Laden gibt es jedoch noch weitere alternative Ladetechnologien in der Elektromobilität. Dazu zählen das induktive (kabellose) Laden, der Batteriewechsel und Oberleitungssysteme, welche je nach Anwendungsfall eigene Herausforderungen und Chancen mit sich bringen [1].
Diese Beitragsreihe fokussiert sich auf das dynamische induktive Laden als Lösung für die Energieversorgung von Elektrofahrzeugen im Verkehrssektor. Dabei soll die Technologie unter den Gesichtspunkten von Technologie, Wirtschaftlichkeit, Regularien, CO2-Fußabdruck und Technologieakzeptanz betrachtet werden (vgl. Abbildung 1).
Funktionsweise induktive Energieübertragung
Die induktive Energieübertragung basiert grundlegend auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion und erfordert zwei Spulen. Der zeitlich veränderliche Stromfluss in der Primärspule, der sich sowohl in Stärke als auch in Richtung ändert, erzeugt ein magnetisches Wechselfeld. Dieses Wechselfeld wiederum induziert eine Spannung in der Sekundärspule, was schließlich zu einem Stromfluss führt [1, 2]. Das Magnetfeld ermöglicht die Energieübertragung ohne physische Verbindung zwischen den Komponenten. Hierbei ist jedoch wichtig sicherzustellen, dass die elektromagnetischen Felder bestimmte Referenzwerte nicht überschreiten. Die Auswirkungen von und festgelegte Referenzwerte für elektromagnetische Felder werden im nächsten Artikel der Beitragsreihe ausführlich behandelt.
Die induktive Energieübertragung findet bereits in verschiedenen Bereichen Anwendung. In der Medizintechnik ermöglicht die Technologie beispielsweise die drahtlose Energieversorgung von Implantaten wie Herzschrittmachern. Bekannte Beispiele aus dem Alltag sind der Induktionsherd oder das kabellose Laden von elektrischen Zahnbürsten, Smartphones oder Smartwatches [1, 3], wobei die Energieübertragung nach dem gleichen Prinzip funktioniert.
Einsatz von induktiver Energieübertragung in der Elektromobilität
Ein weiterer Anwendungsbereich der induktiven Energieübertragung liegt in der Elektromobilität, insbesondere beim kabellosen Laden von Elektrofahrzeugen. Hierfür werden mehrere Primärspulen, auch als Sendespulen bezeichnet, unter der Fahrbahnoberfläche platziert, während eine oder mehrere Sekundärspulen am Unterboden des Elektrofahrzeugs installiert sind [1].
Der Receiver im Fahrzeug verfügt über eine Antenne, die ein Radiofrequenz (RF)-Signal mit einer Frequenz von etwa 13 MHz sendet. Sobald sich das Fahrzeug über einer Antenne im Boden befindet, wird dieses Signal empfangen. Dadurch wird die kontaktlose Leistungsübertragung über die Spulen in einer Managementeinheit aktiviert. Dies ermöglicht das Laden der Fahrzeugbatterie. Im Gegensatz dazu bleiben bei konventionellen Fahrzeugen die Spulen inaktiv, da keine Signale von der Fahrzeugseite ausgesendet werden. Der Ladevorgang kann sowohl im Stand (stationär) als auch während der Fahrt (dynamisch) erfolgen. Beim stationären Laden parkt das Fahrzeug über den Primärspulen, beim dynamischen Laden erfolgt die Energieübertragung während der Fahrt [1].
Die Effizienz der Energieübertragung hängt dabei von diversen Faktoren ab. Einer dieser Faktoren ist der Luftspalt zwischen dem Fahrzeugboden und den Spulen in der Straße [3]. Je geringer der Abstand, desto effizienter kann die Energieübertragung erfolgen. Ähnlich verhält es sich mit der Ausrichtung des Fahrzeugs: Die Energieübertragung kann nur optimal erfolgen, wenn die Empfängerspulen möglichst exakt über den Senderspulen platziert werden. Im Straßenverkehr kann es aber aufgrund verschiedener Einflussfaktoren, wie parkenden Autos, Überholmanövern oder Baustellen, zu Abweichungen und damit zu Einbußen in der Effizienz kommen [2].
Anwendungsfälle (Use Cases) für DWPT im Verkehrssektor
Aufgrund des großflächigen Ausbaus der Elektromobilität stellt DWPT im Verkehrssektor eine interessante Ladelösung dar, da sie Elektrofahrzeugen während der Fahrt mit Energie versorgt. Nach aktuellem Stand der Forschung sind verschiedene Anwendungsfälle der Technologie denkbar (vgl. Abbildung 4).
Die Anwendungsfälle von DWPT im Verkehrssektor umfassen den Personen- und Güterverkehr. Im Personenverkehr bestehen Möglichkeiten für den Einsatz von DWPT-Technologie im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), insbesondere im Linienbusverkehr, bei Elektrotaxis und Straßenbahnen [1, 4]. Durch das wiederholte Befahren gleicher Routen, die möglicherweise auch von anderen Fahrzeugen genutzt werden, könnte DWPT zum Laden im ÖPNV genutzt werden. Straßenbahnen könnten zum Beispiel auf eigens dafür ausgestatteten Strecken laden und somit konventionelle Oberleitungen überflüssig machen [1].
Die Ausstattung von ÖPNV-Routen mit Spulen, um DWPT zu ermöglichen, erfordert eine sorgfältige Planung, um geeignete Standorte zu identifizieren. Bei der Routenplanung sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen: Eine hohe Auslastung ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit. Insbesondere bei der Planung von Busverkehrsstrecken muss sichergestellt werden, dass an den vorgesehenen Stellen während der Fahrt ausreichend Energie übertragen wird, um ungeplante Ladestopps zu vermeiden und den reibungslosen Ablauf nicht zu beeinträchtigen. Zudem beeinflussen externe Faktoren wie Straßenbedingungen und die Übertragungsfähigkeit während der Fahrt die Möglichkeit einer kontinuierlichen Ladung. Gemäß der Studie von Schraven et al. hat die dynamische drahtlose Energieübertragung das Potenzial, die Verfügbarkeit des ÖPNVs für Passagiere zu erhöhen, da die Fahrzeuge mehr Zeit auf der Straße verbringen können, anstatt an Ladestationen zu warten [1]. Zudem zeigt die Studie, dass auch im Güterverkehr auf Werksgeländen und im Frachttransport an Flughäfen, Häfen und Umladebahnhöfen das dynamische induktive Laden Anwendung finden kann [1].
Eine Schnittstelle zwischen Personen- und Güterverkehr bildet der Anwendungsfall Autobahn. In diesem Szenario könnten sowohl PKWs, Überlandbusse als auch Langstrecken-LKWs während der Fahrt mithilfe von DWPT aufgeladen werden. Die drahtlose Energieübertragung ermöglicht längere Betriebszeiten und weniger Ladepausen für die Fahrzeuge.
Auch die Kombination von DWPT und autonomem Fahren kann in Zukunft potenzielle Anwendungen in der Logistik und im ÖPNV bieten. Intelligente E-Fahrzeuge können ohne Fremdeinwirkung Laden, indem sie entsprechende Strecken, die mit der induktiven Ladetechnologie ausgestattet sind, befahren. Dies wird in Deutschland bereits in Bezug auf statisches induktives Laden erforscht: Das Projekt Advantage, gefördert vom BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), untersucht das völlig automatische Laden von Elektrofahrzeugen und die Interoperabilität mit induktiven Ladesystemen. Die Integration von autonomen Fahrzeugen in das Verkehrssystem und in die induktive Ladeinfrastruktur soll mit Blick auf Personaleinsatz, Energiemanagement und Netzintegration geprüft werden [6, 7]. Im Folgenden wird ein Überblick über Forschungsprojekte im Kontext von DWPT gegeben.
Überblick ausgewählter Forschungsprojekte zu dynamischem induktivem Laden
Im Rahmen des Projekts ELINA wird der Einsatz der DWPT-Technologie für Elektrofahrzeuge im öffentlichen Raum getestet. Unter der Leitung von EnBW sind neben der FfE e. V. auch die Stadtwerke Balingen, das Institut für Fahrzeugsystemtechnik des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Electreon Germany GmbH am Projekt beteiligt. Neben ELINA gibt es weitere Projekte in Deutschland und international, welche sich der Erprobung der Technologie widmen (vgl. Tabelle 1).
Smart Road Gotland | OLEV | LaneCharge | PRIMOVE | E|MPOWER | |
Ort | Schweden | Südkorea | Deutschland (Hannover) | Deutschland (Mannheim) | Deutschland |
Laufzeit | 2019 – 2023 | 2010 – 2019 | 2019 – 2023 | 2012 – 2016 | 2023 – 2026 |
Inhalt & Ziele | Forschung zu großflächiger Implementierung induktiver Elektrostraßen als Alternative zum Einsatz fossiler Brennstoffe im Schwerverkehr | Erprobung mehrerer induktiv ladender Shuttle-Buslinien | Entwicklung und Erprobung eines induktiven Ladesystems für Elektrofahrzeuge am Anwendungs-beispiel eines Taxistands | Einführung von elektrischen Bussen, Demonstration der Eignung des Ladens während Fahrgastwechsel an Haltestellen für täglichen Einsatz | Testtrecke für DWPT auf Autobahn, Entwicklung eines Standards für die Herstellung der Spulen sowie deren Verbau |
Tabelle 1: Überblick ausgewählter DWPT-Forschungsprojekte [8, 9, 10, 11, 12]
In den folgenden Beiträgen dieser Beitragsreihe werden die Rahmenbedingungen für die Technologie DWPT, deren Potenziale für den ÖPNV in Deutschland sowie die Aspekte der Technologieakzeptanz vorgestellt. Neben einer ökologischen Bewertung der Auswirkungen werden außerdem Handlungsoptionen aufgezeigt.
Weitere Informationen
- ELINA – Einsatz dynamischer induktiver Ladeinfrastruktur im ÖPNV
- Normenlandschaft für die Elektromobilität
Literatur
[1] Schraven, S., Kley, F., Wietschel, M. (2016). Induktives Laden von Elektromobilen – Eine techno-ökonomische Bewertung. In: von Weizsäcker, C., Lindenberger, D., Höffler, F. (eds) Interdisziplinäre Aspekte der Energiewirtschaft. Energie in Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12726-8_16 (abgerufen am 06.07.2023)
[2] Hisung, M. (2022). Grundlagen und Stand der Technik. In: Detektion von magnetischen Störungen der elektrischen Fahrzeugkomponenten auf Basis einer Mustererkennung am Beispiel eines automatisierten Fahrzeugpositionierungssystems. Wissenschaftliche Reihe Fahrzeugtechnik Universität Stuttgart. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39947-4_2 (abgerufen am 06.07.2023)
[3] VDE ETG (2013): Laden ohne Kabel – Die kontaktlos-induktive Energieübertragung in der Elektromobilität; https://www.vde.com/de/etg/arbeitsgebiete/informationen/ladenohnekabel (abgerufen am 22.05.2023)
[4] Viehmann, A., Koschke, B., Rohm, J. et al. Senkung der Infrastrukturkosten für induktives Laden durch fahrzeugseitige Regelung. ATZ Extra 27 (Suppl 3), 22–27 (2022). https://doi.org/10.1007/s35778-022-0534-3 (abgerufen am 06.07.2023)
[5] Electreon (2023): The infrastructure to support mass EV adoption; https://electreon.com/media-kit (abgerufen am 12.07.2023)
[6] ifak (2023): Automatische induktive Ladung von autonomen Elektrofahrzeugen in Logistik und Verkehr – Advantage; https://www.ifak.eu/de/projekte/advantage (abgerufen am 12.07.2023)
[7] Reiner Lemoine Institut (2023): Autonomes Fahren und Laden im ÖPNV; https://reiner-lemoine-institut.de/autonomes-laden/ (abgerufen am 12.07.2023)
[8] Smart Road Gotland – Powered by Electreon: The World’s First Wireless Electric Road Charging an E-Bus and an E-Truck; https://www.smartroadgotland.com/ (abgerufen am 06.07.2023)
[9] EDAG Group (2023): LaneCharge: Semidynamisches Induktives Ladesystem; https://www.edag.com/de/lanecharge-semidynamisches-induktives-ladesystem (abgerufen am 06.07.2023)
[10] Hochschule Hannover (2019): LaneCharge: Das induktive Laden von Elektrofahrzeugen wird zukünftig an der Hochschule Hannover weiterentwickelt; https://www.hs-hannover.de/ueber-uns/organisation/kom/aktuelles/lanecharge-das-induktive-laden-von-elektrofahrzeugen-wird-zukuenftig-an-der-hochschule-hannover-weiterentwickelt/ (abgerufen am 06.07.2023)
[11] MILAS Ladesystem (2022): Modulare intelligente induktive Ladesysteme für autonome Shuttles; https://www.milas-ladesystem.de/projekt-idee-vorstellung.html (abgerufen am 22.05.2023)
[12] Randeloff, M. (2011): KAIST OLEV: Die Straße als Range Extender; https://www.zukunft-mobilitaet.net/7424/zukunft-des-automobils/elektromobilitaet/kaist-olev-induktion-elektroauto-ladestrom/ (abgerufen am 06.07.2023)