06.11.2024

Beitragsreihe Dynamisches Induktives Laden im Verkehr: Welche Aspekte beeinflussen die Technologieakzeptanz?

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Forschungsprojekte zur praktischen Umsetzung des dynamisch induktiven Ladens (Dynamic Wireless Power Transfer – DWPT)  von Elektrofahrzeugen durchgeführt. Diese innovative Technologie ermöglicht eine drahtlose Energieübertragung, bei der Elektrofahrzeuge während der Fahrt aufgeladen werden können. Doch wie genau funktioniert diese Technologie und wo findet sich Induktion und induktives Laden bereits in unserem Alltag wieder? Welches Potenzial birgt das dynamische induktive Laden im öffentlichen Nahverkehr und welche Auswirkungen hat es auf Umwelt, Mensch und Energiesystem? Diesen und weiteren Fragestellungen widmet sich diese Beitragsreihe und beleuchtet das dynamische induktive Laden aus verschiedenen Perspektiven.

Der dritte Beitrag dieser Reihe beschäftigt sich mit der öffentlichen Akzeptanz der DWPT Technologie. Zur Untersuchung dieser Thematik wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „ELINA“ eine Fahrgastbefragung zur Technologieakzeptanz von DWPT durchgeführt. Diese Befragung fand während der Gartenschau in Balingen statt, bei welcher erstmalig in Deutschland ein dynamisch induktiv geladener Bus auf öffentlichen Straßen zum Einsatz kam. Während der Befragung wurde der Bus als Shuttle für die Gartenschaugäste genutzt. Der Bus wurde auf einer 400m langen Strecke in der Innenstadt dynamisch induktiv, sowie an zwei Haltestellen statisch induktiv geladen. Die Fahrgäste konnten den Ladeprozess über eine Anzeige im Bus mitverfolgen und so erste Eindrücke über die Ladetechnik vor Ort, sowie deren Funktionsweise sammeln.

  1. Wie funktioniert die Technologie und wo kann sie eingesetzt werden?
  2. Was sind die Rahmenbedingungen der Technologie?
  3. Welche Aspekte beeinflussen die Technologieakzeptanz?
  4. Was ist das nationale Technologiepotenzial im ÖPNV?
  5. Wie ist die Technologie ökologisch zu bewerten?
  6. Welche Handlungsoptionen ergeben sich aus den Erkenntnissen?

Hintergrund und Ziele der Befragung

Während des gesamten Zeitraumes der Gartenschau wurden die Fahrgäste des Shuttlebusses über Aushänge im Bus (s. Abbildung 1), wie auch durch Mitarbeiter vor Ort dazu eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen. Ziel der Befragung war es, einen ersten Eindruck über die Ausprägung der Akzeptanz gegenüber dieser innovativen Ladetechnologie zu erhalten. Aus der Studie lassen sich relevante Einflussfaktoren auf die Akzeptanz identifizieren, um die aus gesellschaftlicher Perspektive relevanten Rahmenbedingungen für eine Marktdiffusion abzuleiten. Da in Balingen die deutschlandweit erste Pilotstrecke dieser Art gebaut wurde, gibt es bisher kaum Personen mit persönlichen Berührungspunkten mit der DWPT-Technologie im Verkehr. Der Vorteil der Fahrgastbefragung des Shuttles in Balingen liegt darin, dass die Fahrgäste bereits erste Erfahrungen und Eindrücke sammeln konnten, bevor sie an der Umfrage teilnahmen. Dies erlaubt eine andere Güte der Antworten. Mit einer Dauer von ca. acht Minuten war die Umfrage so konzipiert, um eine Durchführbarkeit innerhalb der Fahrzeit mit dem Shuttle zu ermöglichen.

Im Projekt ELINA wird diese Fahrgastbefragung als erster Anhaltspunkt genutzt, um darauf aufbauend eine deutschlandweite repräsentative Umfrage zur Akzeptanz der DWPT-Technologie von Elektrofahrzeugen durchzuführen.

Abbildung 1: Hinweis zur Umfrage des Forschungsprojektes ELINA im Shuttlebus des Feldversuchs in Balingen

Methodik: Online-Umfrage unter den Fahrgästen

Zur Erhebung der Ausprägung der Technologieakzeptanz sowie relevanter Einflussfaktoren wurde eine quantitative Querschnittsstudie mittels einer Online-Umfrage durchgeführt. Es wurden darin fünf demographische und 13 inhaltliche Fragen gestellt. Durch die Befragung der Fahrgäste im induktiv geladenen Shuttlebus sind die Zielgruppe der Befragung Personen mit ersten Erfahrungen der dynamisch induktiven Ladetechnologie. Die Umfrage fand im Zeitraum vom 07.06. – 25.09.2023 statt.

Ergebnisse

Stichprobe: Insgesamt konnte eine valide Stichprobe von 158 Antwortsätzen erreicht werden. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit betrug ca. 6,5 Minuten und lag damit im Rahmen der vorgegebenen acht Minuten Fahrzeit.

Demografie: Der überwiegende Anteil der Teilnehmer:innen war über 40 Jahre alt. Mit einem Anteil von 56% lag der Anteil der Männer leicht über dem der Frauen. Knapp 60 % der Befragten gingen einer Berufstätigkeit nach, fast 30% waren bereits in Rente.

Erkenntnisse:

  • Mehr als zwei Drittel der Befragten wünschen sich einen batterieelektrischen Antrieb bei Stadtbussen
  • Das dynamisch induktive Laden von Stadtbussen bewerten 95% der Befragten positiv
  • Die Installation von dynamisch induktiven Ladespulen ist für über die Hälfte der Befragten völlig in Ordnung, für rund ein weiteres Drittel ist es eher in Ordnung.

Mit einem Anteil von 95% zeigt sich unter den Befragten insgesamt eine sehr positive Bewertung des dynamisch induktiven Ladens von Stadtbussen. Weiterhin äußern 85% ihre Zustimmung zum Einbau von dynamisch induktiven Ladespulen in öffentliche Straßen. Ein Sicherheitsrisiko der kontaktlosen Energieübertragung über ein elektromagnetisches Feld sehen nur 13 % der Befragten. Bedenken hinsichtlich der optischen Störung durch Schaltschränke auf den Gehsteigen sowie einer Lärmbelästigung sind im vernachlässigbaren Bereich (<6%).

Abbildung 2: Auszug der Antworten aus der Fahrgastbefragung in Balingen

Abbildung 2 gibt weitere Einblicke in die Antworten der Befragten. Die subjektive Bewertung des allgemeinen Kenntnisstands zur dynamisch induktiven Ladetechnologie fällt mit 50 % höher aus, als innerhalb des Projektes erwartet. Die starke Befürwortung dieser Ladetechnologie lässt sich auch aus der hohen Zustimmung (86 %) der Befragten ableiten, nach Möglichkeit gerne im Alltag mit dynamisch induktiv geladenen Elektrobussen zu fahren. Rund ein Drittel wünscht sich eine Information darüber, wenn das Verkehrsmittel dynamisch induktiv geladen wird. Die Hälfte der Befragten hingegen hält diese Information für nicht relevant. Ein höherer Anteil der Befragten (44 %) zeigt Interesse an einer gut sichtbaren Kennzeichnung von Bereichen zum dynamisch induktiven Laden. Hieraus lassen sich bereits Handlungsempfehlungen für die Integration der Ladetechnologie in den öffentlichen Raum ableiten.

Von weiterem Interesse war die Identifikation von Einflussfaktoren auf die Technologieakzeptanz. Da der Umfragerahmen sehr begrenz war, wurden die Teilnehmer:innen der Umfrage hierfür nach den potenziell gesehenen Vor- und Nachteilen von dynamisch induktiv geladenen Bussen gefragt. Die Teilnehmer:innen konnten diese über einen Freitext eingeben, diese Möglichkeit nutzen 40 Teilnehmer:innen zur Angabe von Vorteilen und 19 Teilnehmer:innen zur Angabe von Bedenken. Die Antworten wurden anschließend thematisch geclustert und nach auftretender prozentualer Antworthäufigkeit sortiert.

Als potenzielle Vorteile wurden folgende Punkte genannt:

  • Förderung eines umweltfreundlichen Antriebs (35%)
  • Keine langen Ladepausen (20%)
  • Innovative Technologie (18%)
  • Erhöhung der Reichweite (15%)
  • Reduktionspotenzial der Batteriekapazität (10%)
  • Komfortabler als kabelgebundenes Laden (10%)

Potenzielle Bedenken wurden bezüglich der folgenden Aspekte geäußert:

  • Entsorgung der Batterie (21%)
  • Hohe Investitionskosten (21%)
  • Umfeldbeeinträchtigung durch das Magnetfeld (21%)
  • Systemeffizienz (16%)
  • Umweltbelastung durch Produktion (11%)
  • Ausfallsicherheit (11%)

Fazit und Ausblick

Die Umfrageergebnisse weisen eine positive Grundeinstellung gegenüber dem dynamisch induktiven Laden von Stadtbussen unter den Studienteilnehmer:innen auf. Zudem wurde der Wunsch nach Hinweisen über einen entsprechenden Einsatz der DWPT-Technologie erfasst. Dieser bezieht sich besonders auf eine gut sichtbare Kennzeichnung von Bereichen zum dynamisch induktiven Laden. Es wurden darüber hinaus deutlich mehr potenzielle Vorteile als Bedenken geäußert, welches die positive Bewertung der Technologie unterstreicht. Besonders die geäußerten Bedenken können Anhaltspunkte für einen weiteren Informationsbedarf, wie auch für Akzeptanzkriterien für die Implementierung der Technologie liefern.

Diese Umfrage dient dem Projekt ELINA als Basis für eine geplante repräsentative deutschlandweite Umfrage zur Technologieakzeptanz von dynamisch induktiv geladenen Elektrofahrzeugen. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Fahrgastbefragung helfen bisherige Erkenntnisse aus der Literatur einzuordnen und geben den Rahmen für die weitere Befragung vor.