02.10.2024

Beitragsreihe: Der Weg zum klimaneutralen Schwerlastverkehr – Schnellladeinfrastruktur in Deutschland

Um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen, müssen die Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2045 auf Nettonull reduziert werden. Mit immer leistungsfähigeren Batterien, einer wachsenden Ladeinfrastruktur und zunehmenden Skaleneffekten sind die Voraussetzungen günstig die Transformation hin zu klimaneutralen Antrieben in Sektor schwerer Nutzfahrzeuge anzustoßen. Die Transformation ist dabei längst kein Nischenthema mehr. Die Logistik-Branche beschäftigt sich intensiv mit dem Wechsel und wartet auf den Eintritt klimaneutraler Fahrzeuge in den Massenmarkt.

Dieser Übergang steht dabei sowohl vor technischen, infrastrukturellen Problemen also auch vor energie- und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen. Auf technischer und infrastruktureller Seite sind vorrangig der Mangel an Ladeinfrastruktur und die hintergründig damit verbundene Geschwindigkeit beim energieinfrastrukturellen Ausbau zu benennen. Energie- und betriebswirtschaftlich sind die hohen Anfangsinvestitionen für Infrastruktur und Fahrzeuge die größten Hemmnisse. Doch es gibt auch Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu adressieren. So kann das optimierte, bidirektionale Laden im Depot dazu beitragen, die Kosten zu vermindern. Zudem stellt die Symbiose aus PV-Anlagen und dem öffentlichen Laden während der Mittagszeit einen vielversprechenden Lösungsansatz zur Deckung des Ladebedarfs dar.

In dieser fünfteiligen Beitragsreihe werden wir uns eingehend mit verschiedenen Aspekten der Transformation zum klimaneutralen Nutzfahrzeugsektor beschäftigen. Im Fokus stehen hierbei vorrangig batterieelektrische Nutzfahrzeuge.

Beiträge:

  1. Hochlaufpfade zum klimaneutralen Schwerlastverkehr
  2. Schnellladeinfrastruktur in Deutschland – Bedarf und Potenziale
  3. Die Symbiose aus MCS-Laden und der Photovoltaik – Was ist möglich?
  4. Elektrifizierung im Depot – Bidirektionales Laden von Nutzfahrzeugen als Enabler?
  5. Die Zukunft klimaneutraler Nutzfahrzeuge

Im zweiten Beitrag der Reihe zum klimaneutralen Schwerlastverkehr wird ausgehend auf den im ersten Beitrag beschriebenen, potenziellen Hochlaufpfaden des Schwerlastverkehrs der Frage nachgegangen, welche Folgen eine weitreichende Elektrifizierung der gesamtdeutschen Nutzfahrzeugflotte hätte. Um alle Nutzfahrzeuge flächendeckend elektrifiziert betreiben zu können, muss die dafür notwendige Ladeinfrastruktur bereitstehen. Hierfür stehen drei verschiedene Möglichkeiten zum Ausbau der Ladeinfrastruktur zur Verfügung, die sich möglichst sinnvoll und volkswirtschaftlich effizient ergänzen sollten.

Äquivalent zum Pkw-Segment wird antizipiert, dass die „Early-Adopter“ batterieelektrischer Nutzfahrzeuge ihre eigenen Ladepunkte im heimischen Depot zur Verfügung haben werden. Konträr zu privat genutzten Pkw, welche statistisch den größten Teil ihres Lebens stehend verbringen, steht bei gewerblich genutzten (Nutz-)Fahrzeugen die Wirtschaftsleistung und damit die Bewegung des Fahrzeugs im Vordergrund. Die Gewährleistung einer Lademöglichkeit ist somit unabdingbar und führt im frühen Stadium des Hochlaufs elektrischer Nutzfahrzeuge voraussichtlich zur primären Deckung des Ladebedarfs am heimischen Depot. Hierbei ergeben sich je nach Typ und Größe des Depots verschiedene Anforderungen an die Ladeinfrastruktur. Die unterschiedlichen Standzeiten, Nutzungsverhalten und Dimensionen dieser Depots sowie die daraus folgenden Ansprüche an die Ladeinfrastruktur sind ein Forschungsschwerpunkt der FfE im Projekt SPIRIT-E , in dem das bidirektionale Laden und die Möglichkeit der Ladeinfrastrukturreservierung für Fremdfahrzeuge im Depot untersucht werden.

Im Kontext der Elektrifizierung des Fernverkehrs (Fahrzeuge mit über 400 km täglicher Fahrleistung) ist bei Elektrifizierung das Laden an öffentlicher Infrastruktur notwendig. Hier spielt das öffentliche Overnight Charging, also das Laden über Nacht an öffentlichen Rast- und Parkplätzen, eine wichtige Rolle. Besonders Parkplätze an autobahnnahen Raststätten sind schon heute über Nacht zu einem großen Teil komplett ausgelastet. Bereits der erwartete Fahrzeughochlauf (siehe Beitrag 1) allein und die damit verbundene Notwendigkeit der Erschließung neuer Raststätten und Parkplätze stellt infrastrukturell eine große Herausforderung dar. Unter der Prämisse der Nutzfahrzeugelektrifizierung ergibt sich zudem die Notwendigkeit, einen Großteil dieser Parkplätze mit Ladeinfrastruktur auszustatten. Abbildung 1 illustriert die in Deutschland erfassten öffentlichen Parkplätze, an welchen perspektivisch Ladeinfrastruktur zur Deckung des Energiebedarfs der Fahrzeuge umgesetzt werden kann. Trotz der Herausforderungen bzgl. der Infrastrukturentwicklung bietet das Overnight Charging ein großes Potenzial auf dem Weg hin zum klimaneutralen Schwerlastverkehr. So werden die ohnehin stattfindenden Fahrtpausen über Nacht dazu genutzt, die Fahrzeuge mit „geringer“ Leistung komplett aufzuladen. Dies hat zur Folge, dass der kostenintensive Ausbau von Schnellladeinfrastruktur dadurch teilweise abgemildert werden kann.

Abbildung 1: Ausgewiesene und potenzielle Standorte für öffentliche Schnellladeinfrastruktur

Dieser Ausbau von Schnellladeinfrastruktur stellt das dritte zentrale Standbein auf dem Weg zur erfolgreichen Nutzfahrzeugelektrifizierung dar. Hierzu soll Schnellladetechnologie dafür sorgen, die vorgeschriebenen Lenkzeitpausen dazu zu nutzen, die batterieelektrischen Fahrzeuge auch im Fernverkehr ohne Einschränkung einsetzen zu können.

Nach Verordnung (EG) Nr. 561/2006 muss demnach nach spätestens 4,5 Stunden Lenkzeit eine Pause von mindestens 45 Minuten eingelegt werden. Diese 45 Minuten sind der zentrale Parameter an denen ein Schellladesystem bemessen wird, wodurch Ladesysteme im Bereich der Megawatt notwendig werden. Eines dieser sogenannten Megawatt-Charging-Systeme (MCS) wurde zuletzt erstmalig erfolgreich im Forschungsprojekt NEFTON erprobt und öffentlich demonstriert.

Die Relevanz und Potenziale dieser Technologie spielen bereits heute in den politischen Zukunftsplanungen eine zentrale Rolle. So hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) unlängst den „Startschuss für das LKW-Schnellladenetz“ erteilt. Insgesamt sollen nach aktuellem Plan 350 Standorte mit circa 1.800 MCS und 2.400 CCS Ladepunkten ausgestattet werden (vgl. geplante Standorte Lkw-Schnellladenetz in Abbildung 1). Hierbei werden signifikante Infrastruktur- bzw. besonders Netzausbaukosten entstehen.

Abbildung 2 verdeutlicht dies anhand einer im Projekt NEFTON modellierten Nachbildung einer realen Raststätte mit 42 Stellplätzen für Nutzfahrzeuge, welche für den prognostizierten Hochlauf elektrischer Pkw und Lkw bis ins Jahr 2030 bedarfsgerecht mit Ladeinfrastruktur ausgestattet sein muss, welche eine installierte Leistung von ca. 18 MW erbringen kann.

Die Modellierung verdeutlicht, dass der wesentliche Anteil der resultierenden Last dabei auf den elektrifizierten Nutzfahrzeugverkehr zurückzuführen ist. Die resultierende Spitzenlast von ca. 13 MW am exemplarisch dargestellten Werktag ist auf Ladevorgänge mit priorisiert hoher Leistung in den Lenkzeitpausen in der Mittagszeit zurückzuführen. Auch wird deutlich, dass die modellierten Fahrzeuge bei der Belegung der Ladepunkte am Abend bedarfsgerecht priorisiert die kostengünstigeren Ladepunkte mit „niedrigerer“ Leistung wählen, um während der nächtlichen Standzeiten ihr Fahrzeug nachzuladen.

Abbildung 2: Exemplarischer Steckbrief einer modellierten Raststätte in 2030

Das Beispiel verdeutlicht die erheblichen Herausforderungen, die der Hochlauf der Nutzfahrzeugelektrifizierung mit sich bringen wird, wenn der Großteil der in Abbildung 1 dargestellten Raststätten mit Ladeinfrastruktur ausgestattet wird. Bei deutschlandweiter Hochrechnung lässt sich auf Basis der Modellierung eine erste Einschätzung zur aggregierten mittäglichen Lastspitze treffen.

Referenzierend auf die in Beitrag 1 modellierten Hochlaufpfade der Nutzfahrzeugelektrifizierung wird in 2045 ein Jahresenergiebedarf schwerer Nutzfahrzeuge von 69 TWh prognostiziert (Szenarien AE35 & AE40). Der Anteil des Energiebedarfs der Nutzfahrzeuge, die täglich über 400 km Strecke zurücklegen, beträgt je nach Szenario zwischen 70 – 80 Prozent (ca. 48 bis 55 TWh). Diese Fahrzeuge müssen, zur Deckung ihrer täglichen Fahrleistung, im Laufe des Tages Zwischenladen. Unter der Annahme, dass die Hälfte dieses Energiebedarfs (ca. 24 bis 28 TWh) innerhalb eines vierstündigen Zeitfensters zur Mittagszeit stattfindet, resultieren in diesen Stunden in Deutschland, nur durch das Zwischenladen elektrischer Nutzfahrzeuge, Spitzenlasten von ungefähr 19 bis 22 GW, was ca. einem Viertel der heutigen gesamten Spitzenlast in Deutschland entspricht.

Allerdings entstehen gleichzeitig auch neue Synergien, die es zu erforschen gilt. In diesem Kontext wird sich der kommende Beitrag mit dem Potenzial auseinandersetzen, das durch die Symbiose von Photovoltaikanlagen in unmittelbarer Nähe zu Schnellladeinfrastruktur entstehen kann.