Auf welche Weise können Ladekosten reduziert werden? – Systematische Einordnung von Use Cases
Derzeit beschäftigen sich mehrere Forschungsprojekte mit dem flexiblen Laden von Elektrofahrzeugen, so wie auch das größte laufende Elektromobilitätsprojekt der FfE, „unIT-e²“. Übergeordnetes Ziel ist das Vermeiden von Netzengpässen sowie eine verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien, indem Anreize zur Lastverschiebung von Ladevorgängen gesetzt werden. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten und Optimierungsziele. Die FfE hat sich der Fragestellung gewidmet, wie die Vielzahl an Anwendungsfällen („Use Cases“) reduziert werden kann, um sie im weiteren Projektverlauf rechtlich analysieren zu können.
Im Forschungsprojekt „unIT-e² – Reallabor für verNETZte E-Mobilität“ haben Projektpartner aus vier Clustern insgesamt 25 Business-Use-Cases erarbeitet. Betrachtet man diese vor dem Hintergrund einer optionalen Monetarisierung der Flexibilität, lassen sich neun „Model-Use-Cases“ ableiten. Die Reduktion auf die gemeinsamen Prinzipien vereinfacht die Analyse und praktische Umsetzung der Use Cases.
Wie wurden die Use Cases zum Laden von Elektrofahrzeugen entwickelt?
Zur Entwicklung der Use Cases im Großprojekt unIT-e² wurde die sogenannte Use-Case-Methodik verwendet. Sie dient insbesondere im Falle der Zusammenarbeit von mehreren, unterschiedlichen Akuteren dazu, eine gemeinsame Sprache zu finden und das Vorhaben zu konkretisieren.
Jedes der vier unIT-e² Cluster setzt sich aus einem Automobil-, Ladeinfrastruktur-, Energiemanagementsystem- (EMS) und Smart-Meter-Gateway-Hersteller, einem Verteilernetzbetreiber sowie einem Stromlieferanten zusammen. Innerhalb der Cluster werden die Use Cases konzeptionell, si-mulativ, im Labor, Pilot- oder im Realbetrieb durch die Praxispartner umgesetzt bzw. durch verschiedene Forschungsinstitute untersucht.
Die von den Projektpartnern entwickelten Use Cases unterscheiden sich hinsichtlich ihres Optimierungsziels sowie in der technischen und betriebswirtschaftlichen Ausgestaltung. Auch Use Cases mit demselben Optimierungsziel variieren in ihrer konkreten Umsetzung, z.B. können Rollen von mehreren am Use Case beteiligten Akteuren übernommen oder Tarife unterschiedlich ausgestaltet werden.
Wie lassen sich die Use Cases zusammenfassen?
Die in unIT-e² erarbeiteten Business-Use-Cases wurden mit den Erkenntnissen eines zuvor erarbeiteten Grundlagenpapiers zu Stromlieferverträgen mit nicht-statischen Tarifen zusammengeführt. Es wurde angenommen, dass die zugrunde gelegte Flexibilitätsbereitstellung zur Verschiebung von Ladevorgängen durch die Elektrofahrzeugnutzer:innen freiwillig erfolgt, angereizt durch die Möglichkeit zur Reduktion der Ladekosten.
Basierend auf dieser Annahme wurden die Use Cases vor dem Hintergrund der Monetarisierung der Flexibilität systematisch eingeordnet. Die Systematisierung, dargestellt in Abbildung 1, unterscheidet auf oberster Ebene zwischen einer Monetarisierung der Flexibilität und sonstigen Optimierungszielen, welche nicht auf einem finanziellen Anreiz basieren. Auf zweiter Ebene wird in eine Aufteilung in die Reduktion der Bezugskosten und eine zusätzliche Erlösgenerierung unterschieden. Eine Reduktion der Bezugskosten kann durch eine Verbrauchsreduktion, also eine Verringerung der Ladeenergie, oder durch eine Preissenkung erfolgen. Im Falle einer Preisreduktion unterscheidet die Systematisierung entsprechend der drei Strompreisbestandteile: dem Energiepreis, den Netzentgelten und den sonstigen staatlich induzierten Preisbestandteilen (Abgaben, Umlagen und Steuern).
Die Vielzahl der entwickelten Use Cases konnte durch die Einordnung in die Systematik auf die wesentlichen Grundsätze ihres jeweiligen Optimierungsziels heruntergebrochen werden. Zur Reduktion der Anzahl an Use Cases wurden für vergleichbare Optimierungsziele exemplarisch generische Typen von Use Cases abgeleitet, sogenannte „Model-Use-Cases“ (MUC).
Die hier betrachteten MUC fokussieren sich auf das Laden im Eigenheim, wodurch es sich bei den Elektrofahrzeugnutzer:innen um private Letztverbraucher handelt, welche zugleich Anschlussnehmer und -nutzer sind. Tabelle 1 enthält eine Kurzbeschreibung der generischen MUC.
Bezeichnung | Kurzbeschreibung |
MUC 1: Eigenverbrauchsoptimierung | Reduktion des netzseitigen Bezugs mittels eigenerzeugten Photovoltaik-Stroms durch optimierte Lade- und Entladestrategie. |
MUC 2: Reduktion des Energiepreises | Reduktion des Energiepreises durch zeitliche Verlagerung des netzseitigen Bezugs. |
MUC 3: Reduktion des Netzleistungspreises | Reduktion des Netzleistungspreises durch Beschränkung der jährlichen Spitzenlast. |
MUC 4: Reduktion des Netzarbeitspreises (Interne Steuerung) | Reduktion des Netzarbeitspreises durch eine zeitliche Verlagerung des netzseitigen Bezugs, wobei keine externe Steuerung durch den Verteilernetzbetreiber erfolgt. |
MUC 5: Reduktion des Netzarbeitspreises (Externe Steuerung) | Reduktion des Netzarbeitspreises mittels Gewährung externer Steuerungsmöglichkeiten durch den Verteilernetzbetreiber. |
MUC 6: Reduktion der SIP | Reduktion der SIP durch eine zeitliche Verlagerung des netzseitigen Bezugs bei Vorliegen zeitvariabler SIP. |
MUC 7: Systemdienstleistungen für das Gesamtnetz | Erlösgenerierung durch die Bereitstellung dezentraler Flexibilitäten für das Gesamtnetz (Regelreserve, Redispatch). |
MUC 8: Systemdienstleistungen für das Verteilernetz | Erlösgenerierung durch die Bereitstellung dezentraler Flexibilitäten für das Verteilernetz (z. B. Flexibilitätsmärkte). |
MUC 9: Notstromversorgung | Bereitstellung einer Notstromversorgung durch ein Elektrofahrzeug. |
Tabelle 1: Kurzbeschreibung der Mode-Use-Cases (MUC)
Was passiert mit den MUC im weiteren Projektverlauf?
Übergeordnetes Ziel der FfE ist eine Einordnung und Bewertung der im Projekt entwickelten Use Cases hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzbarkeit. Dazu erfolgt in Zusammenarbeit mit der Anwaltskanzlei Schweizer Legal eine juristische Analyse, welche die praktische Ausgestaltung der MUC innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens untersucht und ggfs. auf einen mangelnden rechtlich-regulatorischen Rahmen hinweist.
Die vorgestellten Arbeiten sind im Rahmen des Projekts „unIT-e² – Reallabor für verNETZte E-Mobilität“ (Förderkennzeichen: 01MV21UN11), gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), entstanden. Das Paper wurde im Rahmen des ETG-Kongress 2023 verfasst und ist in kompletter Version im entsprechenden Tagungsband des VDE-Verlags veröffentlicht (ISBN 978-3-8007-6108-1).