01.02.2021

Anwendungsbasierte Energie- und Emissionsbilanzen für Europa

Beitrag in der et - Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Ausgabe 12/2020

Differenzierte energiestatistische Daten als Grundbaustein zur Energiesystemanalyse

Eine verlässliche, differenzierte Datenlage ist eine der Grundvoraussetzungen zur zielgerichteten Formulierung effektiver politischer Ziele und Handlungsempfehlungen. In Bezug auf Energie- und Klimaschutzthemen kann nur durch die adäquate quantitative Erfassung und Analyse des aktuellen Energiesystems und der historischen Entwicklung auf zukünftige Herausforderungen geschlossen werden. Nationale Energieverbräuche und CO2-Emissionen stellen in diesem Zusammenhang wichtige energiestatistische Daten zur Beschreibung des Status Quo dar, wobei auch die Verbräuche und Emissionen anderer, vergleichbarer Nationen aus staatlicher Sicht von Interesse sind, um transnationale Gemeinsamkeiten oder Unterschiede analysieren zu können. Für den Fachbereich der Energiesystem-Modellierung stellen diese energiestatistischen Daten ebenfalls einen essenziellen Input dar. Auch hier ist die Validität und Differenzierbarkeit der Daten von übergeordneter Bedeutung, um Modellergebnisse vergleichen zu können.

Um energiestatistische Daten korrekt und detailliert nutzten zu können, werden die meist von nationalen Statistikämtern erhobenen Daten in sogenannten Energiebilanzen in unterschiedlichen Kategorien und Dimensionen ausgewiesen. Dabei wird die jährlich erfasste Energiemenge einer Volkswirtschaft häufig Kategorien wie Primärenergieverbrauch, Umwandlungseinsatz und -ausstoß oder auch Endenergieverbrauch zuordnet. Je präziser und differenzierter die ausgewiesenen Daten sind, desto aussagekräftiger sind die Rückschlüsse, die auf ihrer Basis gezogen werden können.

Um nationale Energie- und Emissionsdaten für verschiedenste Einsatzbereiche nutzbar und über Landesgrenzen hinweg vergleichbar zu machen, wurden im Rahmen des Projekts eXtremOS an der FfE anwendungsbasierte Energie- und Emissionsbilanzen für 30 europäische Länder für die Jahre 2014-2017 erstellt. Die Bilanzen weisen ein auf europäischer Ebene beispielloses Detaillevel auf, da sowohl in Bezug auf den Endenergieverbrauch als auch bezüglich der Emissionen (energiebezogene CO2-Emissionen) nach Sektoren, Branchen, Energieträgern und Jahren unterschieden werden kann. Im Bereich der CO2-Emissionen ist eine zusätzliche Unterscheidung nach Emissionen des Endenergieverbrauchs und Emissionen der Aufbereitung möglich.

Methodik, Darstellungsbeispiel und Verfügbarkeit der Daten

Die methodische Erstellung der anwendungsorientierten Bilanzen und die verwendeten Datenquellen werden im Artikel detailliert beschrieben. Dadurch, dass je Sektor ein individuelles methodisches Vorgehen gewählt wurde, kann eine sektorspezifische, differenzierte Unterscheidung nach Anwendungen erfolgen. Die Validierung der erzeugten Bilanzen wird durch Summenbildung der Absolutwerte und den Abgleich mit nationalen Energiedaten auf unterschiedlichen Detailebenen sichergestellt. Wie in der Veröffentlichung „Energiebilanzen – Über die Vergleichbarkeit statistischer Daten und Ursachen für Unterschiede“ beschrieben wird, sind vor allem beim Vergleich von nationalen und internationalen Bilanzen teils signifikante Abweichungen in den Daten zu beobachten. Aus diesem Grund wurden immer, wenn Abweichungen zwischen europäischen und nationalen Daten im Zuge der Validierung festgestellt wurden, die Bilanzdaten an nationale energiestatistische Daten angepasst.

Die finalen Energie- und Emissionsbilanzen ermöglichen somit eine differenzierte Analyse nationaler und transnationaler Charakteristika. Als Beispiel sind die energiebedingten CO2-Emissionen Deutschlands für das Jahr 2017 in der untenstehenden Abbildung dargestellt, wobei nach Sektoren und Anwendungen unterschieden wird. Mittels der aufbereiteten Daten können diejenigen Anwendungen, die den Großteil der CO2-Emissionen je Sektor sowie sektorübergreifend verursachen, direkt identifiziert werden. Es zeigt sich beispielsweise, dass im Verkehrssektor die Anwendung „mechanische Energie“ nahezu für alle CO2-Emissionen verantwortlich ist, während sich die Emissionen des Industriesektors zum überwiegenden Teil auf die Anwendungen „Prozesswärme“ und „mechanische Energie“ aufteilen. Zudem ist ersichtlich, dass die CO2-Emissionen der Anwendung mechanische Energie im Verkehrssektor direkt durch die Verbrennung des Endenergieträgers freigesetzt werden, während diese in der Industrie zum überwältigen Teil indirekt durch die Aufbereitung des Endenergieträgers (in diesem Fall Elektrizität) entstehen.

Neben den nationalen Energie- und Emissionszusammensetzungen können auch die Emissionen und Endenergieverbräuche verschiedener europäischer Länder auf unterschiedlichsten Detailebenen verglichen und analysiert werden. Zu den Verwendungsmöglichkeiten der erstellten Bilanzen zählt darüber hinaus der Einsatz als Inputdaten in energiewirtschaftlichen Modellen, wie es beispielsweise im Projekt eXtremOS der Fall ist. Zu diesem Zweck stehen die Daten auf der FfE Open Data Plattform in unterschiedlichen Detailebenen zum Download zur Verfügung.

Abbildung: Beispielhafte Darstellung der energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland 2017 differenziert nach Anwendungen, Sektoren und Emissionsart