12.09.2021

12. Internationale Energiewirtschaftstagung 2021 an der TU Wien

Von 8. bis 10. September 2021 fand an der TU Wien die 12. IEWT Konferenz statt. “Das Energiesystem nach Corona: Irreversible Strukturänderungen – Wie?” war die Überschrift der Veranstaltung. Von Seiten der FfE gab es mehrere Beiträge, die in das Programm aufgenommen wurden. Im Folgenden wollen wir Ihnen diese kurz vorstellen. Bei Interesse an näheren Informationen finden Sie den Download-Link zum Volltext unter den jeweiligen Kurzfassungen.

Analyse methodischer Modellierungsansätze im Kontext von Verteilnetzsimulationen

Andreas Weiß, Janis Reinhard, Mathias Müller

Dieses Paper dient der Darstellung und dem Vergleich verschiedener Modellierungsansätze zur Simulation von Netzbelastungssimulationen in Verteilnetzen der Niederspannungsebene. In dem Paper werden die Modellierungsansätze der FfE-Projekte MONA, C/sells, Me und BDL analysiert und eingeordnet. Dabei wird herausgestellt, welche Vor- und Nachteile die Anwendung der unterschiedlichen Ansätze implizieren und evaluiert, inwiefern der Grad an verschiedenen Zufallsverteilungen die Simulationen beeinflussen können. Die in den Projekten selektierten Modellierungsansätze und die damit verbundenen Simulationsziele sind grundsätzlich von Datenbasis und der untersuchten Region abhängig. Die Skala der Optionen reicht von einer möglichst detailgetreuen Nachbildung des realen Systems bis zur Modellierung von Szenarien auf Basis regionaler Indikatoren. Während bei Simulation realgetreu modellierter Netze und Belastung, explizite Aussagen hinsichtlich individueller Netzbelastungssituationen getätigt werden können, bietet ein generischer Modellierungsansatz die Option der einfachen Analyse regionaler Charakteristika oder die einfache Erprobung der Auswirkungen verschiedener Regelungen. Die Übergänge dieser Modellierungsansätze sind fließend, wodurch z. B. die Auswirkungen zukünftiger Entwicklungen in realen Netztopologien evaluiert werden können.

Derivation of future intraday price series from the outputs of energy system modelling

Ryan Harper, Timo Kern, Serafin von Roon

Durch die Modellierung von zukünftigen Strompreisen im kontinuierlichen Intraday-Markt können die Erlöspotenziale von Flexibilitätsmaßnahmen mit kurzen Aktivierungsdauern besser bewertet werden. So können zukünftige Vermarktungsstrategien entwickelt und die Integration von flexiblen Anlagen im Energiesystem unterstützt werden.  Hierzu wird ein Modell zur Erstellung von zukünftigen Zeitreihen von kontinuierlichen Intraday-Preisen entwickelt.

Zunächst wurden historische Preisabweichungen zwischen dem Day-Ahead-Markt und dem kontinuierlichen stündlichen Intraday-Markt auf einen zeitlichen sowie situativen Zusammenhang empirisch untersucht. Aus dieser Untersuchung wurde ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Stunden sowie unterschiedlichen Ausprägungen der Preisunsicherheit anhand der Residuallastprognose festgestellt. Diese Eigenschaften wurden genutzt, um Zustände der Preisabweichung und Übergangswahrscheinlichkeiten für eine Markov-Ketten-Funktion zu ermitteln. Unter Berücksichtigung der Residuallastprognose der nächsten Stunde und der Preisabweichung der vorherigen Stunde ermittelt die Markov-Kette einen neuen Zustand der Preisabweichung. Innerhalb eines Markov-Zustands erfolgt dann eine stochastische Ziehung der neuen Preisabweichung aus einer anhand der historischen Verteilungen je Ausprägung der Residuallastprognose erzeugten synthetischen Verteilung. Im finalen Schritt werden Day-Ahead-Preise mit den modellierten Preisabweichungen summiert, um eine stochastische Jahreszeitreihe der stündlichen kontinuierlichen Intraday-Preise zu generieren. Die simulierten kontinuierlichen Intraday-Preise weisen so eine realitätsnahe zeitliche Abhängigkeit und eine von der Residuallast abhängige Unsicherheit auf.

Nach einer Validierung des Modells mit historischen Residuallastprognosen wurden mittels Day-Ahead-Preisen und Residuallastprognosen aus einem Energiesystemmodell für das Jahr 2030 mehrere Jahreszeitreihen der zukünftigen stündlichen kontinuierlichen Intraday-Preise erstellt, womit zukünftige Erlöspotenziale von Flexibilitäten realistischer abgeschätzt werden können.

How can new business models be technically realized to provide flexibility in the future German energy system?

Kirstin Ganz, Michael Hinterstocker, Serafin von Roon

In diesem Beitrag werden die in C/sells entwickelten Geschäftsmodelle bzw. Feldversuche auf ihre technische Umsetzung hin analysiert. Das Ziel ist es, die technischen Umsetzungen miteinander zu vergleichen, Herausforderungen aufzuzeigen und relevante (neue) technische Komponenten für das zukünftige deutsche Energiesystem zu identifizieren. Die Analysen basieren auf verschiedenen Experteninterviews – zum einen mit den Verantwortlichen der C/sells Feldversuche und zum anderen mit Experten der aktuellen Strommärkte. Mittels der Interviews mit den Strommarktexperten wird ein Framework zur Beschreibung solcher Prozesse entwickelt und dann auf die Interviews zu den C/sells Geschäftsmodellen angewendet.

Für die Datenübertragung zwischen den verschiedenen Akteuren, mit Ausnahme der physikalischen Anlagen, wurden bestehende Datenübertragungsstandards aus aktuellen Märkten verwendet. Für die Anbindung von Kleinanlagen gibt es jedoch derzeit keine standardisierten Lösungen, was zu einer großen Streuung der technischen Infrastruktur führt. Dennoch lassen sich zwei neue Komponenten für verschiedene Schritte im Framework identifizieren: Smart-Metering-Infrastruktur zur Datenerfassung und Schaltung und LTE als Datenübertragungsstandard zwischen Kleinanlagen und den anderen Akteuren.

Vergleich von Preismechanismen in Peer-to-Peer Energy Sharing Communities

Alexander Bogensperger, Joachim Ferstl, Ying Yu

Die Digitalisierung ermöglicht es, neue Partizipationskonzepte insbesondere in der Niederspannung für Kleinerzeuger und -verbraucher zu entwickeln. Aufbauend auf umfangreichen regionalisierten Daten können unter anderem in diesem Kontext Simulationen für deutsche Gemeinden in einer neu entwickelten Simulationsumgebung durchgeführt werden. Dieses Framework generiert bei Bedarf ein digitales Abbild einer beliebigen Gemeinde in Deutschland, welches viele relevante Daten und Informationen wie Demographie, Siedlungsstruktur oder die installierte Leistung von Erneuerbaren Energien enthält. Dies ermöglicht die Simulation von verschiedenen energiewirtschaftlichen Anwendungsfällen. Ein beliebter Anwendungsfall ist das sogenannte Peer-to-Peer (P2P) Energy Sharing. P2P Energy Sharing Communities sind ein Mittel zur Integration dezentraler Kleinerzeuger- und -verbraucher sowie Flexibilitätsoptionen in das Energiesystem. Diese Communities zeichnen sich durch geographische Nähe der Peers oder deren gemeinsame Zielen aus. Es werden drei verschiedene Preisbildungsmechanismen, d. h. Supply-Demand-Ratio (SDR), Mid-Market Rate (MMR) und das Bill-Sharing (BS) vorgestellt und im Rahmen einer Fallstudie mit verschiedenen Gemeinden verglichen. Die Vor- und Nachteile werden für alle Mechanismen anhand von Beispielgemeinden aufgezeigt. Es zeigt sich, dass der optimale Preismechanismus für eine Gemeinde von den lokalen Standortbedingungen wie z. B. dem Verhältnis zwischen verbrauchter und erzeugter Energiemenge abhängig ist.

Anforderungen an aktuelle Verteilnetze und deren zukünftige Versorgungsaufgabe

Yannic Schulze, Adrian Ostermann, Janis Reinhard, Mathias Müller

Die Anforderungen an Verteilnetze steigen in Klimaschutzszenarien durch eine zunehmende Elektrifizierung sowie den Zubau dezentraler Erzeugungsanlagen deutlich an. Zur Analyse der zukünftigen Versorgungsaufgabe der 1200 betrachteten Niederspannungsnetze werden entsprechende Klimaschutzszenarien in fünf Stützjahren bis zum Jahr 2050 regional hochaufgelöst auf die Netze übertragen und die Entwicklungen für Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen, PV-Anlagen, Hausspeicher und elektrische Speicherheizungen ausgewertet. Für PV-Anlagen zeigt sich bis zum Jahr 2050 ungefähr eine Verdopplung der belegten Dachflächen, wobei jedes zehnte Gebäude mit einem Hausspeicher ausgestattet ist. Im Rahmen der Elektrifizierung erhalten bis zum Jahr 2050 die Gebäude im Mittel 1,5 Elektrofahrzeuge und die Hälfte des Wärmebedarfs wird durch Wärmepumpen gedeckt.

Vergleich aktueller Plattform-Projekte in der Energiewirtschaft und die Rolle der Dezentralisierung

Yann Fabel, Andreas Zeiselmair, Robin Spindler, Alexander Bogensperger 

Plattformen für lokale Energiemärkte zum Handel von Flexibilitäten sowie für Herkunftsnachweise nehmen in der Forschung, aber auch zunehmend in der energiewirtschaftlichen Praxis eine stetig wachsende Rolle ein. Die Blockchain-Technologie ist ein relevanter Treiber dieser Entwicklung. Offen ist allerdings immer noch, welchen Mehrwert dezentralisierte gegenüber zentralen Lösungen bieten. Insbesondere die Vorteile der Manipulationssicherheit und Transparenz scheinen in Konkurrenz zu Datenschutz und Datensouveränität zu stehen. Um den Einsatz und potenziellen Mehrwert der Blockchain-Technologie für energiewirtschaftliche Handelsplattformen zu bewerten, werden aktuelle wissenschaftliche und kommerzielle Projekte im deutschsprachigen Raum untersucht. Dabei wird die jeweilige Umsetzung der Systemarchitektur auf Basis von Interviews analysiert. Die Untersuchungen der 12 ausgewählten Projekte hat gezeigt, dass der primäre Einsatzzweck der Blockchain der dezentralen Datenhaltung bzw. des Integritätsnachweises verwendeter Daten dient. Die meisten Projekte entscheiden sich allerdings gegen eine komplett dezentrale Lösung. Als größte Hürde gilt in allen Projekten der Datenschutz. Die Untersuchung zeigt auch, dass die Blockchain-Lösungen deutlich an Komplexität zugenommen haben.