19.12.2018

Klimabilanz von Elektrofahrzeugen – Ein Plädoyer für mehr Sachlichkeit

Motivation

Die Wahrnehmung von Elektrostraßenfahrzeugen (ESF) schwankte im Laufe der Jahrzehnte immer wieder zwischen Elektro-Hype und Elektrophobie. Die Bedeutung von ESF für die Ressourcenschonung und den Klimaschutz hat erst im letzten Jahrzehnt im Zuge der Energiewende an Fahrt aufgenommen. In diesem Zusammenhang wird die tatsächliche Umweltbilanz von ESF, zum Teil sehr emotional, zur Debatte gestellt. So hat die Studie „The Life Cycle Energy Consumption and Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries“ des IVL (Swedish Environmental Research Institute) große mediale Aufmerksamkeit erhalten und die Ergebnisse wurden kontrovers diskutiert. Daraufhin hat das IVL eine Stellungnahme veröffentlicht, um Fehlinterpretationen der Studie richtigzustellen. In dieser Stellungnahme stellen die Autoren explizit klar, dass die Studie einen Überblick über die Ergebnisse bestehender Studien zum aktuellen Stand der Technik der Batterieproduktion gibt, sich die Technologie jedoch rasant entwickelt und somit ein großes Verbesserungspotenzial besteht.

Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Fragen der ganzheitlichen Bilanzierung von Produkten und Dienstleistungen und war auch Initiator der VDI-Richtlinie 4600 zum Kumulierten Energieaufwand (KEA). Dabei befasst sie sich bereits seit vielen Jahren auch mit Vergleichen von unterschiedlichen Antriebskonzepten.

Für mehr Sachlichkeit in der aktuellen Diskussion hat sich die FfE daher im Rahmen des Projektes „Ressourcensicht auf die Energiezukunft„, das von der Hans und Klementia Langmatz Stiftung und der Stiftung Energieforschung Baden-Württemberg gefördert wird, intensiv mit der Klimabilanz der Batterieproduktion befasst. Die ausführliche Darstellung der Kernergebnisse, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden, kann am Ende der Seite heruntergeladen werden. Eine detaillierte Erläuterung des Untersuchungsrahmens, der Berechnungsmethodik und der zugrundeliegenden Datenbasis erfolgt im Begleitdokument, das ebenfalls am Ende der Seite als Download zur Verfügung steht.

Klimabilanz der Batterieproduktion: Die Frage des „Wie?“ und „Wo?“

Die Bewertung der Klimabilanz der Batterieproduktion erfolgt durch die Berechnung der energiebedingten Treibhausgas (THG)-Emissionen bezogen auf eine kWh produzierte Elektrofahrzeugbatterie. Diese beinhalten alle THG-Emissionen, die mit der Bereitstellung und Umwandlung von Energie für die Materialproduktion sowie die Batteriefertigung verbunden sind. Für das untersuchte Lithium-Ionen-Batteriesystem ergeben sich energiebedingte THG-Emissionen in Höhe von knapp 106 kg CO2-Äq. je kWh produzierter Batteriekapazität, von denen 40 % auf den Strombedarf in der Batteriefertigung (inkl. Zellen) zurückzuführen sind.

Da der Energiebedarf in der Batteriefertigung jedoch mit starken Unsicherheiten behaftet sind, werden in Abbildung 1 die THG-Emissionen der gesamten Batterieproduktion in kg CO2-Äq. je kWh Batteriekapazität in Abhängigkeit des Strombedarfs für die Batteriefertigung und des Emissionsfaktors für den in der Batteriefertigung eingesetzten Stroms dargestellt.

Abbildung 1: Auswirkung des Strombedarfs und des Emissionsfaktors von Strom in der Batteriefertigung auf die Treibhausgas-(THG)-Emissionen der Batterieproduktion

Die Ergebnisse verdeutlichen die starke Abhängigkeit der Klimabilanz der Batterie von dem Stand der Technik des Produktionsprozesses sowie dem Standort der Produktionsanlage. Für die Produktion von Batteriezellen und -systemen im industriellen Maßstab ist zukünftig mit einer Senkung des Strombedarfs und somit einer Verbesserung der Klimabilanz zu rechnen. Weiterhin sollte bei der Standortwahl neuer Produktionsanlagen auch die Energieversorgung Berücksichtigung finden, da diese einen starken Effekt auf die Klimabilanz der produzierten Batterien hat.

 

Elektrofahrzeug vs. Benziner: die Abhängigkeit vom geladenen Strom

Im Rahmen der medialen Diskussion kam auch die Frage nach der sogenannten „Amortisationsdauer“ eines Elektrofahrzeugs gegenüber einem konventionellen verbrennungsmotorischen Fahrzeug auf. Der Well-to-Wheel-Fahrzeugvergleich in Abbildung 2 zeigt, dass das Elektrofahrzeug mit einer Batteriekapazität von 30 kWh im Falle eines Ladens mit dem deutschen Strommix ab einer gefahrenen Strecke von ca. 50.000 km aus Emissionssicht besser abschneidet als das Benzinfahrzeug. Für eine durchschnittliche Jahresfahrleistung von in etwa 14.000 km entspricht die berechnete Entfernung einer Amortisationsdauer von 3,6 Jahren. Diese reduziert sich für den EU-Strommix auf knapp 2,8 Jahre und für Strom aus Photovoltaik auf 1,6 Jahre. Dabei liegt diesen Ergebnissen die Annahme zugrunde, dass die Jahresfahrleistung, Lebensdauer und Auslastung beider Fahrzeugtypen in einer gleichen Größenordnung liegen. Potenzielle Vorteile von Verbrennern, die sich aus größeren Reichweiten ergeben, werden durch diesen Vergleich nicht abgebildet.

Abbildung 2: Klimawirksamkeit eines Benzin- und eines batterieelektrischen Fahrzeugs der Kompaktklasse in Abhängigkeit von Fahrleistung und geladenem Strom (DE: deutscher Strommix, EU: europäischer Strommix, PV: Photovoltaik)

Eine detaillierte Beschreibung sowie Einordnung der Sensitivität dieser Ergebnisse auf verschiedene Parameter kann dem am Ende des Artikels angehängten Download „Klimabilanz Elektrofahrzeugbatterien FfE“ entnommen werden.

Fazit

Nachdem in der Vergangenheit die Wahrnehmung von ESF zwischen „Allheilmittel“ und „Placebo“ gewechselt hat, befinden wir uns nun an einem Punkt, an dem die Elektromobilität unumkehrbar an Fahrt aufgenommen hat. Unstrittig ist, dass ein elektrisch betriebenes Fahrzeug schon heute eine erheblich bessere Effizienz aufweist als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Der höhere Kumulierte Energieaufwand für die Herstellung des ESF – insbesondere der Traktionsbatterie – schmälert aktuell diesen Vorteil. Aber zum einen besteht bei der Produktion von Fahrbatterien noch erhebliches Reduktionspotenzial, zum anderen sind ESF (mit Batterie oder Brennstoffzelle) die aus heutiger Sicht einzige nennenswerte und unverzichtbare Alternative, um erneuerbare Energien flächendeckend im Verkehrssektor zu integrieren. Entscheidend sind jetzt verstärkte Forschung und Entwicklung bei Fahrzeugbatterien, der Ladeinfrastruktur und im Betriebsmanagement der Fahrzeuge. Welchen Beitrag zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy) zur Minderung der Umweltwirkung von Elektrofahrzeugen liefern kann, stellt Frau Regett im Rahmen der MTZ-Fachtagung „Der Antrieb von morgen 2019“ am 24. Januar in Frankfurt am Main vor.

Dieser Beitrag ist ein Plädoyer für mehr Sachlichkeit. Auf der einen Seite erfordert die Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse durch Wissenschaftler oder Wissenschaftsjournalisten zwar eine Vereinfachung komplexer Sachverhalte. Auf der anderen Seite dürfen die zugrundeliegenden Annahmen und die Gültigkeit der dargestellten Ergebnisse nicht vernachlässigt werden, da dies wie im oben genannten Fall der schwedischen Studie zu gravierenden Fehlinterpretationen führen kann.