08.08.2019

Smart Metering in Europa – Was machen unsere Nachbarn?

Nach langer Vorbereitungszeit steht der Rollout von intelligenten Messsystemen in Deutschland bevor. In einer Serie von sechs Beiträgen wird das Themenfeld Smart Metering näher betrachtet und verschiedene Schwerpunkte aus den Bereichen Technik, rechtliche Grundlagen und Mehrwert vorgestellt. Im Rahmen des Forschungsprojektes C/sells[1] nutzt die FfE in Zusammenarbeit mit Bayernwerk die Architektur der intelligenten Messsysteme (iMSys) unter anderem dazu, neu entwickelte Methoden zur Umsetzung eines marktbasierten Engpassmanagements zu demonstrieren. Weitere Informationen zu dem Themenfeld „Smart Metering“ bzw. C/sells sind hier zu finden.

In den bisherigen Beiträgen erfolgte eine Übersicht über Komponenten des iMSys sowie die vom Rollout betroffenen Anlagen bzw. Endnutzer. Außerdem wurde die Frage behandelt, welche Mess- und Steuerfunktionen mit iMSys möglich sind. Auch über die Erkenntnisse aus Feldversuchen am Altdorfer Flexmarkt (ALF) wurde bereits berichtet. Nun werfen wir einen Blick über Deutschland hinaus, um zu erfahren, wie der Smart Meter Rollout bei unseren Nachbarn erfolgt.

Zur Umsetzung der „Richtlinien- und Zielpakete für Klimaschutz und Energie“ der Europäischen Union (EU) spielen iMSys eine bedeutende Rolle. Die Einführung der iMSys soll laut der RICHTLINIE 2009/72/EG nach wirtschaftlichen Erwägungen erfolgen, ist jedoch von allen Mitgliedsstaaten der EU zu unterstützen. Sofern die Einführung als positiv bewertet wird, sind bis zum Jahr 2020 mindestens 80 % der Verbraucher mit iMSys auszustatten. [1] Ausschlaggebend für die Durchführung des Rollouts sind also verschiedene Kosten-Nutzenanalysen. Diese weisen grundlegende Diskrepanzen zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten auf. Neben regionalen Unterschieden und Differenzen bezüglich der Startbedingungen und gewünschter Funktionalitäten führen auch methodische Inkonsistenzen, wie zum Beispiel der Bewertungszeitraum oder der verwendete Diskontierungssatz, zu unterschiedlichen Bewertungen bei einer langfristigen Betrachtung der Kosten und des Nutzens von iMSys in den Mitgliedsstaaten der EU. Als Nutzen werden überwiegend Energieeinsparungen durch einen reduzierten Stromverbrauch, Verschiebung der Lastspitzen, reduzierte Kosten durch Fern-Zählerauswertung sowie geringere Verluste im Stromnetz gesehen. [2]

Abbildung 1: Status der EU-Mitgliedsstaaten bzgl. des Fortschritts für die Einführung von iMSys (minimal angepasst nach [4])

In Abbildung 1 ist der Fortschritt der Implementierung dem rechtlichen und regulatorischen Status der Länder gegenübergestellt. Unter dem rechtlichen und regulatorischen Status wird bewertet, ob bereits ein klarer Rechtsrahmen für die Einführung von iMSys vorhanden ist und ob dieser das Ziel der Energieeinsparung und/oder Demand Response ermöglicht. Der Fortschritt der Implementierung beschreibt die Anzahl der installierten iMSys und die korrespondierenden Dienstleistungen. Dabei wird ebenfalls betrachtet, inwieweit bereits eine klare und realistische Roadmap für die Durchführung des Rollouts vorhanden ist. Abhängig vom Entwicklungsstand bezüglich der Einführung vom iMSys lassen sich die Länder in die sechs eingezeichneten Cluster gruppieren. Die Front Runners führen den europaweiten Rollout an. Hier ist die Implementierung weitgehend abgeschlossen, es werden bereits verschiedene Dienstleistungen angeboten und zudem existieren klare gesetzliche Richtlinien in Bezug auf iMSys. Ihnen folgen die Dynamic Movers, welche die meisten EU-Mitgliedsstaaten repräsentieren. Diese haben sich bereits für einen verpflichtenden, flächendeckenden Rollout entschieden oder Pilotprojekte gestartet, welche den Weg für eine darauffolgende Entscheidung ebnen. Market Drivers sind jene Länder, in denen keine rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben sind, Verteilnetzbetreiber aber dennoch mit der Installation von iMSys begonnen haben. In Ländern, welche als Ambiguous Movers klassifiziert werden, wurden rechtlich-regulatorische Rahmenbedingungen bereits etabliert, der Rollout allerdings noch nicht flächendeckend gestartet. Waverers stehen noch am Anfang des Prozesses für die Einführung von iMSys. [4] Bis Ende 2017 war der Smart Meter Rollout in neun europäischen Ländern in mehr als jeweils 50 % der Haushalte erfolgt. In sieben Ländern hatte der Rollout bereits begonnen, jedoch noch kein signifikantes Level erreicht [5].

Wie bereits erwähnt, sind die technischen Anforderungen an die Smart Meter in den verschiedenen Ländern durchaus unterschiedlich gestaltet (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Am häufigsten gesetzlich festgelegte Anforderungen an Smart Meter in der EU (2017) [5]

Dabei wird in den meisten Fällen gefordert, dass das Fernauslesen des Stromverbrauchs möglich ist und eine sichere Datenkommunikation gewährleistet wird. Ein In-Home Display sowie die Möglichkeit zur Änderung der Abrechnungsintervalle ist hingegen nur in vereinzelten Mitgliedsstaaten gefordert. [5]

Eines der Ziele, welche mit dem Rollout von Smart Metern in der EU verfolgt wird, ist die Erhöhung der Beteiligung am Strommarkt. Dabei soll der individuelle Stromverbrauch auf Basis von Marktsignalen verändert werden. Die technische Umsetzung dieser Anforderung ist dabei in den verschiedenen Ländern unterschiedlich. Die Darstellung in Abbildung 3 bezieht sowohl getestete Smart Meter als auch Pilot-Geräte ein. Deutschland ist damit mit zwei anderen Ländern in der Sonderrolle, die Fernsteuerbarkeit über Smart Meter umzusetzen. [5]

Abbildung 3: Verfügbare Smart Meter in den EU-Mitgliedsstaaten 2017 [5]

Es ist ersichtlich, dass in Europa vielseitige Entwicklungen bezüglich dem Rollout von Smart Metern stattfinden. Länder, deren Motivation über die Vorgaben der Europäischen Richtlinie hinausgeht (z. B. die Integration von Erneuerbaren Energien, die Bekämpfung von Stromdiebstahlsfällen oder mehr Kostentransparenz für den Kunden), nehmen vermehrt eine Vorreiterposition betreffend der Implementierung von iMSys ein. Es scheint jedoch sinnvoll, mit dem Rollout von iMSys dann zu beginnen, wenn technische Anforderungen und Datenschutzbestimmungen festgelegt sind. Dies entspricht dem überwiegenden Trend der Mitgliedsstaaten. Hier werden einheitlich Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der (Daten-) Sicherheit, angestrebt, deren Entwicklung zeitintensiv ist und damit den Rollout verzögern. Deutschland verfolgt darüber hinaus das Ziel, mehr Funktionalitäten zu implementieren. Einer dieser Aspekte ist dabei die Steuerung von Anlagen über das intelligente Messsystem [5].

Neben Deutschland nimmt beispielsweise auch Schweden eine Sonderrolle ein (vgl. Abbildung 1). Hier ist bereits die Installation von Smart Metern der zweiten Generation geplant. Diese sollen zusätzliche Funktionen erfüllen, wie beispielsweise die Aufnahme weiterer Messdaten und deren höhere zeitliche Auflösung. Auch eine Nutzeroberfläche für den Endverbraucher, um die Daten für diesen sichtbar zu machen, soll in der zweiten Generation in Schweden implementiert sein. [6] Diese Funktionen werden planmäßig in Deutschland bereits in der ersten Generation der Geräte verfügbar sein.

Weitere Informationen zu dem Themenfeld „Smart Metering“ bzw. C/sells sind über die entsprechende Verlinkung zu finden.

[1] RICHTLINIE 2009/72/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES – über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG. Brüssel: Europäische Union, 2009
[2] Covrig, Catalin Felix; Ardelean, Mircea et. al.: Smart Grid Projects Outlook 2014. Petten (Netherlands): Joint Research Center – Institute for Energy and Transport, 2014
[4] European Smart Metering Landscape Report 2016 – „Utilities and Consumers“. Madrid: USmart Consumer, 2016
[5] ACER/CEER – „Annual Report on the Results of Monitoring the Internal Electricity and Natural Gas Markets in 2017“, Oktober 2018
[6] Swedish Energy Markets Inspectorate, 3rd AIEE Energy Symposium – „Smart Meters in Sweden – lessons learnd and new regulations“ – Dezember 2018

[1] Die Bearbeitung der hier beschriebenen Inhalte erfolgt im Verbundprojekt C/sells durch die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. Die Aktivitäten im Verbundprojekt C/sells werden im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert (Förderkennzeichen: 03SIN121).