Wärmepumpen an Fließgewässern – Analyse des theoretischen Potenzials in Bayern
Kernergebnisse
Die Technologie ist einsatzbereit
Die Wärmepumpentechnologie ist ausgereift und für die Nutzung mit Fließgewässern als Wärmequelle geeignet. Dies zeigen auch die bisher umgesetzten Projekte. Fließgewässer bieten dabei gegenüber anderen Wärmequellen, wie z. B. Außenluft, einige Vorteile. Allerdings ist die Anwendung von Wärmepumpen in Verbindung mit Fließgewässern aufgrund ihrer Besonderheiten noch nicht ausreichend standardisiert.
Die Abkühlung von Gewässern ist grundsätzlich als positiv zu bewerten
Die Abkühlung von Fließgewässern durch den Einsatz von Wärmepumpen kann tendenziell als positiv betrachtet werden und ist in der Regel unkritischer als eine Erwärmung. Einheitliche regulatorische Vorgaben existieren hierzu jedoch nicht.
Die Flusslandschaft in Bayern bietet in vielen Regionen großes Potenzial
Die Ergebnisse zeigen, dass bereits eine teilweise Erschließung des vorhandenen Potenzials einen signifikanten Beitrag zur Deckung der Wärmenachfrage und somit auch zur Dekarbonisierung des Energiesystems leisten könnte.
Tatsächliches Potenzial hängt von vielen regional unterschiedlichen Faktoren ab
Bei der Erschließung des Potenzials und der Planung konkreter Anlagen sind unterschiedlichste Rahmenbedingungen und Standortfaktoren zu beachten. Neben der Wahl geeigneter und Erschließung neuer Standorte, u. a. an bestehenden (Wasser-)Kraftwerken oder Industriestandorten und der Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit sind hierbei insbesondere die regulatorischen Vorgaben sowie die vorhandenen Genehmigungsauflagen entscheidend.
Motivation
Im Hinblick auf die politischen Ziele im Wärmesektor müssen große Anstrengungen zur verstärkten Einbindung erneuerbarer Wärmequellen unternommen werden. Hierbei werden Wärmepumpen, insbesondere auch Großwärmepumpen, eine entscheidende Rolle einnehmen. Ihre Anwendung in Fernwärmenetzen wird in Deutschland beispielsweise seit 2021 in Reallaborprojekten erforscht. In anderen Ländern, wie z. B. in Schweden, Dänemark oder der Schweiz sind sie schon länger im Einsatz.
Flüsse können dabei einige Vorteile gegenüber anderen Wärmequellen bieten. Entsprechende Anlagen, welche Flusswasser für Heizzwecke nutzen, sind in Deutschland bereits in Betrieb und weitere befinden sich aktuell in Planung. Im Zuge dessen haben der Verband der Bayerischen Energie und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW), die Landesgruppe Bayern des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) sowie die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V. (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG (LVBW) diese Studie zur Ermittlung des Wärmepotenzials entlang bayerischer Flüsse in Auftrag gegeben.
Zielsetzung
Im Rahmen der Studie sollten folgende Punkte untersucht werden:
- Quantifizierung des theoretischen Potenzials bayerischer Fließgewässer unter Berücksichtigung unterschiedlicher Temperaturspreizungen
- Regionalisierung des theoretischen Gesamtpotenzials auf Gemeindeebene
- Betrachtung des Potenzials in Relation zum Wärmebedarf und unter Berücksichtigung saisonaler Effekte
- Aufbereitung und Darstellung von Beispielprojekten in Form von Steckbriefen
- Untersuchung der Rahmenbedingungen beim Einsatz von Wärmepumpen an Fließgewässern mit Hilfe von Expert:innen-Interviews
Nicht-Ziele der Studie:
- Detailanalysen für einzelne Regionen
- Quantifizierung des Potenzials unter Annahme zu möglichen Standorten und Dimensionierungen einzelner technischer Anlagen
Methodik
Im Rahmen der Studie wurde die thermische Entzugsenergie des Gewässers berechnet und als theoretisches Potenzial bezeichnet. Die Berücksichtigung der elektrischen Antriebsenergie der Wärmepumpe, welche von der jeweiligen Effizienz abhängig ist, erfolgte lediglich qualitativ.
Für die Bestimmung des theoretischen Potenzials sind die Temperaturabsenkung und das Durchflussvolumen maßgeblich. Für die Temperaturabsenkung wurden in der Studie Werte von 0,5 °C bis 3 °C betrachtet (in Abbildungen ist die Temperaturdifferenz in Kelvin [K] angegeben). Als Datengrundlage für die Eingangsparameter werden Messdaten des Gewässerkundlichen Dienstes Bayern (GKD) verwendet. Das Durchflussvolumen der Gewässer I. und II. Ordnung mit entsprechenden Messstellen wurde für den Zeitraum 1990 bis 2022 gemittelt. Hieraus wurden die Potenziale je Fließgewässer und Monat ermittelt und anschließend zu einem Gesamtpotenzial für Bayern addiert. Für die regionalisierte Betrachtung der Potenziale auf Gemeindeebene wurde eine Temperaturabsenkung von 1,5 °C angenommen. Das dabei resultierende Gesamtpotenzial je Fließgewässer wurde in Abhängigkeit der Flusskilometer auf die angrenzenden Gemeinden verteilt.
Zur besseren Einordnung dieser theoretischen Potenziale werden die Werte im Kontext der Wärmenachfrage in Bayern betrachtet. Hierfür wird der Endenergieverbrauch im Gebäudesektor (Sektoren „private Haushalte“ und „Gewerbe, Handel und Dienstleistungen“) für die Anwendungen Raumwärme und Warmwasser in Bayern aus der Studie „Bayernplan Energie 2040“ für 2019 in Höhe von 142,5 TWh herangezogen [1].
Weitere Informationen und Anmerkungen zur Methodik der Potenzialanalyse sowie die daraus resultierenden Limitationen sind dem Kapitel 2 der Studie zu entnehmen.
Für die übergeordnete Betrachtung der Flusswasser-Wärmepumpen Technologie wurde zunächst eine Literaturrecherche durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Recherche wurden u. a. in Form zweier Steckbriefe zu bereits realisierten Projekten in Deutschland aufbereitet. Zur Untersuchung der Rahmenbedingungen beim Einsatz von Wärmepumpen an Fließgewässern wurden abschließend vier Experten:innen-Interviews mit unterschiedlichen Interessensgruppen (Anlagenbetreiber, -hersteller und Planungsverantwortliche) durchgeführt. Diese folgten einem einheitlichen Leitfaden, welcher folgende Themenblöcke umfasste:
- Technologie Status Quo
- Randbedingungen, Einschränkungen und Hindernisse
- Standortwahl und rechtlicher Rahmen
- Chancen, Risiken und Ausblick
Ergebnisse
Gesamtpotenzial
Die Summe des jährlichen theoretischen Potenzials in Bayern in Abhängigkeit der Temperaturabsenkung ist in Abbildung 1 dargestellt. Dabei ist der lineare Zusammenhang von theoretischem Potenzial und angenommener Temperaturspreizung deutlich zu erkennen. Je mehr die Gewässer abgekühlt werden, desto größer ist die bereitstellbare Wärmemenge.
Es ist erkennbar, dass sich das theoretische Potenzial in einer ähnlichen Größenordnung wie der Wärmebedarf in Bayern für Raumwärme und Warmwasseraufbereitung (142,5 TWh, siehe oben) bewegt. Dies lässt auf den ersten Blick eine vollständige Deckung des bayerischen Wärmebedarfs vermuten. Aber auch wenn das theoretische Potenzial bei bestimmten Temperaturabsenkungen größer ist als der Bedarf, ist aufgrund saisonaler Effekte und regionaler Unterschiede eine vollständige Deckung – beispielsweise bei einer Abkühlung um 1,5 °C – nur bilanziell möglich. Das zeigen auch die folgenden Ergebnisse zur Saisonalität und regionalisierten Betrachtung.
Saisonalität
Die Abbildung 2 zeigt den Energieverbrauch für Raumwärme und Warmwasser sowie das theoretische Potenzial für Bayern in Abhängigkeit von verschiedenen Temperaturspreizungen im jahreszeitlichen Verlauf.
Zunächst ist deutlich zu erkennen, dass sich die Wärmenachfrage im Jahresverlauf entgegengesetzt zum theoretischen Potenzial verhält. So ist vor allem in den Monaten zwischen Oktober und März (je nach Temperaturspreizung) die Nachfrage größer als das theoretische Potenzial. Bei einer Temperaturabsenkung von 2 °C spielen saisonale Effekte eine untergeordnete Rolle. Obwohl die Nachfrage hier zwischen November und einschließlich Februar größer als das theoretische Potenzial ist, ergibt sich hier noch ein Deckungsgrad von 95 % über das gesamte Jahr. Eine reduzierte Temperaturspreizung von 1,5 °C führt zu einem Deckungsgrad von 87 %. Bei einer Abkühlung um 1 °C ergibt sich neben einem längeren Zeitraum in Unterdeckung (Oktober bis einschließlich April) ein Deckungsgrad von etwa 75 %. Bei der Planung konkreter Anlagen müssen diese saisonalen Effekte entsprechend berücksichtigt werden.
Regionalisierte Betrachtungen
Mit dem in der Studie gewählten Ansatz wird 52 % der bayerischen Gemeinden im Rahmen der Regionalisierung ein theoretisches Potenzial zugewiesen. Die restlichen 48 % überschneiden sich mit keinem der betrachteten Fließgewässer, weshalb für diese im Rahmen der Studie kein Potenzial ausgewiesen wird. Das zeigt, dass mindestens die Hälfte aller bayerischen Gemeinden die Wärmeerzeugung über Flusswasser-Wärmepumpen in ihre kommunale Wärmeplanung mit einbeziehen sollten. Unter Einbezug kleinerer Fließgewässer, welche in dieser Studie nicht betrachtet werden konnten, erhöht sich dieser Wert weiter.
In Abbildung 3 und Abbildung 4 ist der Deckungsgrad auf Gemeindeebene für die Monate Januar beziehungsweise Juni dargestellt. Hohe Deckungsgrade ergeben sich entlang der Donau und den Einzugsgebieten ihrer Zuflüsse Isar, Inn und Salzach im Süden sowie Naab und Wörnitz im Norden. Im Einzugsgebiet des Main finden sich im Bereich der Rodach, der Itz sowie der Fränkischen Saale hohe Deckungsgrade.
Aufgrund der niedrigen Wärmenachfrage und der hohen Potenziale im Sommer (vgl. Abbildung 4), ergibt sich für Juni bei etwa 80 % der Gemeinden, denen ein Potenzial zugewiesen wird, ein Deckungsgrad von mindestens 100 % (= lokaler Wärmebedarf kann durch Flusswasser-Wärmepumpen vollständige gedeckt werden). Im Januar hingegen trifft das auf lediglich 41 % dieser Gemeinden zu, da sich das Verhältnis zwischen Wärmenachfrage und dem theoretischen Potenzial in den Wintermonaten im Allgemeinen umkehrt.
Bei über einem Drittel (37 %) der Gemeinden, denen ein Potenzial zugewiesen wird, reicht das ausgewiesene theoretische Potenzial unter den beschriebenen Annahmen zur vollständigen, ganzjährigen Deckung der oben beschriebenen Wärmenachfrage. Dies entspricht knapp einem Fünftel aller Gemeinden in Bayern (19 %). Dies Gemeinden könnten sich bei einer angenommenen Temperaturabsenkung von 1,5 °C also ganzjährig ausschließlich über Flusswasser-Wärmepumpen versorgen. Nimmt man eine Abkühlung von 2 °C an, erhöht sich der Wert auf etwa ein Viertel aller bayerischen Gemeinden (24 %).
Auszug aus den Rahmenbedingungen beim Einsatz von Wärmepumpen an Fließgewässern (Ergebnisse der Expert:innen-Interviews)
Bezüglich des Status-Quo wurde festgestellt, dass die Technik ausgereift und die Erschließung von Gewässern durch bestehende Kühlwassernutzungen bereits erprobt ist. Bei großen Leistungsklassen sind offene System mit einer direkten Wasserentnahme zu bevorzugen. Zusätzlichen Zwischenkreise reduzieren zwar die Effizienz, bieten aber Vorteile hinsichtlich des Gewässerschutzes. Herausforderungen bestehen aktuelle insbesondere bei der Auswahl geeigneter Kältemittel, der Vermeidung von Kältemittelleckagen und dem Schutz des Wärmetauschers vor Beschädigungen.
In Hinblick auf die bestimmenden Randbedingungen wurde insbesondere angeführt, dass für die erlaubte Abkühlung des Gesamtgewässers keine allgemeingültigen Vorgaben existieren und diese somit stark einzelfallabhängig ist. Die Abkühlung des Entnahmestroms erfolgt im jahreszeitlichen Verlauf meist variabel. Dies ist insbesondere im Winter relevant, wenn die Gewässertemperatur und die einzuhaltende (minimale) Rückführtemperatur den Betrieb aus Frostschutzgründen einschränken kann. Auch die anteilige Durchflussnutzung des Gesamtgewässers ist einzelfall- und genehmigungsabhängig. Sie kann im jahreszeitlichen Verlauf ebenfalls leicht variiert werden, um Schwankungen in der Temperatur auszugleichen.
Für die weitere Verbreitung von Flusswasser-Wärmepumpen sind vor allem Standorte in unmittelbarer Gewässernähe mit bereits vorhandener Entnahmeinfrastruktur und Eingriffen in das Ökosystem besonders geeignet. Hierzu zählen beispielsweise Wasserkraftwerke, Industrie- und Kraftwerksstandorte, Mühlen oder Kanäle. Bei der konkreten Standortwahl muss neben der Wärmequelle auch die Wärmesenke beachtet werden, da diese die Effizienz der Wärmepumpe maßgeblich beeinflusst. Hier sollten neben herkömmlichen Wärmenetzen auch kalte Nahwärmenetze berücksichtigt werden. Bei der Erschließung von Wärmepumpen-Standorten sollte idealerweise auf bereits vorhandene Bestandsgenehmigungen und Wasserrechte zurückgegriffen werden.
Bei der Nutzung von Fließgewässern zu Heizzwecken werden diese abgekühlt. Hinsichtlich der Vor- und Nachteile bzw. Chancen und Risiken wurde klargestellt, dass diese Abkühlung der Gewässer in Zeiten der Klimaerwärmung (in einem gewissen Rahmen) als unkritisch und ökologisch tendenziell vorteilhaft zu beurteilen ist. Darüber hinaus bieten Flusswasser-Wärmepumpen im Zuge der kommunalen Wärmeplanung eine große Chance zur lokalen Wertschöpfung und zur teils alternativlosen Erschließung von Umweltwärmequellen, insbesondere in urbanen Gebieten. Als bestehende Nachteile und Risiken wurde die teils noch fehlende Standardisierung, die Notwendigkeit von Redundanzen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie die aktuell von Förderungen abhängende Wirtschaftlichkeit genannt.
Abschließend wurde Empfehlung an politische Entscheidungsträger:innen und an zukünftige Anwender:innen erfragt. Hierzu wurde insbesondere aufgeführt, dass eine Konkretisierung und Vereinheitlichung der relevanten regulatorischen Rahmenbedingungen (Gewässerschutz, Abkühlvorgaben, Kältemittel) zukünftig sinnvoll erscheint. Ebenfalls sollte ein stabiler wirtschaftlicher Rahmen zur Ermöglichung einer nachhaltigen Verbreitung von Flusswasser-Wärmepumpen geschaffen werden. Gerichtet an potenzielle Anwender:innen wurde an den Mut zur Realisierung von „Quick-Wins“, insbesondere bei vorhandenen Genehmigungen und entsprechender Infrastruktur, appelliert. Gepaart mit einer gezielten Akteurseinbindung und transparenten Berichtserstattung kann so ein weiterer Aufbau von Akzeptanz sichergestellt werden.
Weitere Informationen
Literatur
[1] Guminski, Andrej: Bayernplan Energie 2040 – Wege zur Treibhausgasneutralität – Zusammenfassung. München: FfE, 2023.