08.2023 - 01.2024

VALUES Wärme – Geodatenbasierte und automatisierte Identifikation von potenziellen Wärmenetzen

Im Projekt VALUES Wärme – Geodatenbasierte und automatisierte Identifikation von potenziellen Wärmenetzen wurden mittels einer Geodatenmodellierung deutschlandweit straßenabschnittsscharfe Wärmenetzpotenzialgebiete im Auftrag von Verteilnetzbetreibern der E.ON Gruppe ermittelt.

Motivation

Laut Wärmeplanungsgesetz sind alle Kommunen in Deutschland verpflichtet, bis spätestens 2028 eine  Kommunale Wärmeplanung durchzuführen. Damit einhergehend steigt die Relevanz von Nah- und Fernwärmenetzen für die Energieversorgung. Da aus auf Landkreis- oder Gemeindeebene aufgelösten Daten keine Rückschlüsse auf das Potenzial für Wärmenetze gezogen werden können, werden kleinräumigere Daten, idealerweise auf Einzelgebäudeebene, benötigt.

Das Geodata Lab der FfE hat in den letzten Jahren freie und flächendeckend verfügbare Daten zum Gebäudebestand in Deutschland gebäudescharf zusammengefasst und Wärmebedarfe abgeleitet. Außerdem wurden im Projekt Wärmepumpenampel gebäudescharfe Wärmepumpenpotenziale modelliert. Diese Datenbasis sollte genutzt werden, um mittels eines Datenmodells straßenabschnittsscharfe Wärmenetzpotenzialgebiete zu identifizieren. Das Modell kann die detaillierte Planung von Wärmenetzen nicht ersetzen, bildet jedoch die Basis für eine flächendeckende Abschätzung potenzieller Wärmenetze und kann einer detaillierten Betrachtung vorgeschalten werden.

Zielsetzung

Als erster Schritt sollte im Rahmen eines Pilotprojektes die Eignung der Methodik und Datenbasis zur Bestimmung potenzieller Wärmenetze anhand von 10 Pilotgemeinden getestet werden. Für diese Wärmenetze werden konkrete Trassen geplant, Wärmebedarfe ermittelt, Infrastrukturkosten mittels eines Kostenmodelles abgeschätzt und potenzielle Wärmequellen erörtert.

Nach einer Evaluierung der Ergebnisse dieser datengetriebenen Analyse im Rahmen eines Workshops sollte die erarbeitete Methodik im Erfolgsfall auf ganz Deutschland ausgerollt werden.

Methodik

Für die Eignung von Gebieten für Wärmenetze ist neben der Verfügbarkeit geeigneter Wärmequellen insbesondere ein günstiges Verhältnis von Wärmeabsatz und Wärmetransportinfrastruktur von großer Bedeutung, um Wärmenetze wirtschaftlich sinnvoll betreiben zu können. Hierbei werden vor allem zwei Größen herangezogen: Die Wärmebedarfsdichte gibt den Wärmebedarf bzw. den erwarteten Wärmeabsatz pro Jahr und Flächeneinheit an (z.B. MWh/(ha*a)). Alternativ beschreibt die Wärmeliniendichte (auch Wärmebelegungsdichte genannt) den Wärmebedarf je Meter (m) verbauter Trassenlänge. Aufgrund der höheren Genauigkeit wird für die beschriebene Modellierung auf die Wärmeliniendichte zurückgegriffen.

Lokal geeignete Wärmequellen konnten aufgrund der mangelnden flächendeckenden Verfügbarkeit entsprechender Daten im Rahmen des Projektes nicht abgebildet werden. Da für die Wärmebereitstellung vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wurde sie nicht als limitierender Faktor angesehen.

Schematisch besteht die Methodik zur Identifikation potenzieller Wärmenetze aus folgenden Schritten:

  1. Randomisierte Identifikation angeschlossener Gebäude
  2. Zuordnung der angeschlossenen Gebäude zu dem jeweils nächstgelegenen Straßenabschnitt
  3. Identifikation von Suchräumen basierend auf der resultierenden Wärmebelegungsdichte der Straßenabschnitte
  4. Konsolidierung der identifizierten Suchräume zu potenziellen Wärmenetzen
  5. Auslegung der relevanten Komponenten der Wärmenetze
  6. Kostenrechnung

Für die Identifikation möglicher an das potenzielle Wärmenetz angeschlossener Gebäude wurde neben Wärmebedarfsinformationen aus dem FfE-Einzelgebäudemodell auch auf die Wärmepumpen-Ampel der FfE zurückgegriffen. Diese schätzt Potenziale verschiedener Wärmepumpentechnologien für Wohngebäude. Je nach Szenario kamen unterschiedliche Anschlusswahrscheinlichkeiten für die einzelnen Gebäude zur Anwendung, welche auf deren Eignung für Wärmepumpen, der Gebäudenutzung sowie der Grundfläche basieren.

Für jedes als angeschlossen identifizierte Gebäude wurde innerhalb eines festgelegten Radius, welcher vom Gesamtwärmebedarf des jeweiligen Gebäudes abhängt, der nächstgelegene Straßenabschnitt identifiziert und das Gebäude diesem zugeordnet. Anschließend wurde aus der Summe der Wärmebedarfe der angeschlossenen Gebäude sowie der geometrischen Länge die Wärmebelegungsdichte in MWh/(m*a) jedes Straßenabschnitts berechnet.

 

Abbildung 1: Wärmeliniendichte der einzelnen Straßenabschnitte eines Gebietes im Szenario ‚Mix

 

Straßenabschnitte mit ausreichend hoher Wärmebelegungsdichte spannen im nächsten Schritt Gebiete mit von der jeweiligen Wärmebelegungsdichte abhängiger Größe auf. Diese umfassen benachbarte Straßenabschnitte und werden mittels geometrischer Verschneidung zu vorläufigen potenziellen Wärmenetzen, den Suchräumen, zusammengefasst. Um die finalen potenziellen Wärmenetze zu generieren, wurden diese Suchräume mittels eines iterativen Prozesses konsolidiert. Abbildung 2 zeigt beispielhaft in rot eingefärbt diejenigen Straßenabschnitte eines Gebietes, welche in einem potenziellen Wärmenetz liegen.

 

Abbildung 2 Beispielhaftes Ergebnis der Wärmenetzmodellierung im Szenario ‚Mix‘

Anhand der Wärmeliniendichten und einer durch Routingverfahren ermittelten Verteilung der Leistungsklassen der Rohrleitungen, wurden zuletzt Rohrleitungen, Pumpstation, Wärmeübergabestationen, Hausanschlussleitungen, Wärmeerzeuger und Energieträgerbedarf für einen Standardfall ausgelegt. Zuletzt wurde eine Kostenrechnung durchgeführt, welche neben Abschreibungen und Energieträgerkosten auch übliche Instandhaltungskosten und kalkulatorische Zinsen umfasst.

Da das Anschlussverhalten potenzieller Wärmenetzkunden nur schwer abschätzbar ist, wurden hierzu drei Szenarien entwickelt, welche sich hinsichtlich der Anschlusswahrscheinlichkeit der Gebäude unterscheiden.

Ergebnisse

Als Ergebnis liegen eine straßenabschnittsscharfe Wärmenetzpotenzialgebiete für ganz Deutschland und drei Szenarien vor. Die dabei erzeugten Daten umfassen neben den Wärmenetzgeometrien auch eine gebäudescharfe Modellierung des Wärmebedarfes sowie eine Kostenrechnung je Wärmenetz für einen typischen Wärmeerzeugerpark.

Das im Zuge des Projektes entstandene Datenmodell wird seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und kommt in zahlreichen Projekten zum Einsatz.

 

Abbildung 3: Deckungsanteil am Gebäudewärmebedarf in Deutschland der drei im Rahmen des Projektes berechneten Szenarien