04.2016 - 12.2019

Ressourcensicht auf die Energiezukunft

Motivation

Im Zuge der Energiewende erfolgt eine tief greifende Umgestaltung der deutschen Energieversorgung, die mit einem grundlegenden Umbau der Infrastruktur und somit einem Bedarf an neuen Ressourcen einhergeht. Hieraus resultiert ein steigender Bedarf an Rohstoffen wie z. B. Kobalt, Lithium, seltene Erden und Indium, die unter anderem aufgrund von Versorgungsunsicherheiten und negativen Umweltauswirkungen als kritisch eingestuft werden. Um dem Auftreten neuer Ressourcen- und Umweltrisiken durch die Energiewende entgegenzuwirken, sind daher Maßnahmen erforderlich, die die Nachfrage nach diesen kritischen Rohstoffen und die negativen Umweltauswirkungen von Schlüsseltechnologien reduzieren können. Ein geeigneter Ansatz hierfür stellt der Übergang zu einem wirtschaftlichen System mit geschlossenen Materialkreisläufen, auch Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy) genannt, dar. Die Kreislaufwirtschaft geht weit über die reine Abfall- und Entsorgungswirtschaft hinaus und umfasst innovative Ansätze über den gesamten Lebenszyklus, wodurch sich potenzielle neue Geschäftsfelder auftun.

Zielsetzung

Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Anwendung von Methoden, die es ermöglichen das Potenzial von kreislaufwirtschaftlichen Ansätzen zur Reduktion der Rohstoffkritikalität von zukünftigen Schlüsseltechnologien der Energieversorgung zu bewerten. Neben typischen Strategien wie Effizienz, Erneuerbare Energien und Recycling beinhalten die betrachteten zirkulären Ansätze auch die Verlängerung der Lebensdauer durch Wieder- bzw. Weiterverwendung („Second-Life“) und die Erhöhung des Nutzens während der Betriebsphase („Sharing“) (vgl. Abbildung).

Übersicht über mögliche Ansätze der Kreislaufwirtschaft in den verschiedenen Lebenszyklusphasen (eigene Grafik in Anlehnung an Accenture, 2014)

Vorgehen

Zur Erreichung des Forschungsziels wurde auf Grundlage bestehender Rohstoffkritikalitätskonzepte zunächst ein Kritikalitäts-Screeningverfahren entwickelt mit dem Ziel ressourcenkritische Technologien sowie die Ursachen für deren Kritikalität zu ermitteln. Im nächsten Schritt wurde das entwickelte Verfahren auf Schlüsseltechnologien für die zukünftige Energieversorgung angewendet, die aus bestehenden Klimaschutzszenarien identifiziert wurden. In diesem Zuge wurden Lithium-Ionen-Batterien, Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen als drei relevante Fallbeispiele ausgewählt, wobei der Fokus auf der Bewertung von Lithium-Ionen-Batterien lag. Um technisch realisierbare zirkuläre Ansätze für die ausgewählten ressourcenkritischen Technologien zu bestimmen, wurde anschließend ein „Matching“-Verfahren entwickelt, welches die Anforderungen verschiedener zirkulärer Ansätze mit den Eigenschaften der Technologie abgleicht. Die ausgewählten Technologien und identifizierten zirkulären Ansätze wurden schließlich hinsichtlich des Emissions- und kritischen Rohstoffeinsparpotenzials untersucht. Abschließend wurde das praktische Umsetzungspotenzial ausgewählter kreislaufwirtschaftlichen Ansätze durch eine Stakeholder- und Kostenanalyse eingeordnet.

Kernaussagen

  • Da die Größe und Energieversorgung der Produktionsanlage entscheidende Faktoren für die Klimawirksamkeit von Batterien sind, besteht ein großes Verbesserungspotenzial durch Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien.

Weitere Informationen zur Klimawirksamkeit der Batterieproduktion:

Klimabilanz von Elektrofahrzeugen – Ein Plädoyer für mehr Sachlichkeit

 

  • Bei der Entwicklung von Klimaschutzstrategien für den Mobilitätssektor müssen zukünftige Entwicklungen des Energiesystems berücksichtigt werden. Hierfür sind Methoden zur Emissionsbilanzierung erforderlich, die die zunehmende Vernetzung verschiedener Energieträger sowie den Ausbau fluktuierender erneuerbarer Energiesysteme berücksichtigen.

Weitere Informationen zur Emissionsbilanzierung in zukünftigen Energiesystemen:

Stündliche CO2-Emissionsfaktoren und marginale Kosten von Energieträgern in Multi-Energiesystemen

Emissionsbewertung von Strom: Mix- vs. Grenzkraftwerksmethode

 

  • Um die Vorteile der Elektromobilität in der Nutzungsphase voll auszuschöpfen, muss der Roll-Out der Elektromobilität mit dem Ausbau erneuerbarer Energien sowie optimierten Ladestrategien einhergehen.

Weitere Informationen zur Auswirkung von Ladestrategien auf die Klimawirkung:

Umweltwirkung von Elektrofahrzeugen – Auswirkung intelligenter Ladestrategien

 

  • Da die Batteriealterung entscheidend für kritische Rohstoff- und Emissionseinsparungen sowie für die Rentabilität von Second-Life-Batterien sein kann, ist die Auswahl geeigneter Speicheranwendungen eine Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Second-Life-Konzepten.

Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Batteriealterung auf die Potenziale von Second-Life-Batterien:

Reduktion des kritischen Rohstoffbedarfs durch Second-Life-Anwendungen von Lithium-Ionen-Traktionsbatterien

Second-Life-Konzepte für Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen

 

  • Aufgrund einer zeitlichen Verschiebung des Recyclingprozesses und Substitutionseffekten auf stationären Märkten führen Second-Life-Ansätze nicht automatisch zu einer Reduktion des kritischen Rohstoffbedarfs. Vielmehr sind Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Umweltindikatoren zu berücksichtigen.

Weitere Informationen zu den dynamischen Effekten zirkulärer Ansätze:

Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen – Potenziale der Kreislaufwirtschaft

Dynamische Energie- und Materialflussanalyse zur Bewertung des Potenzials kreislaufwirtschaftlicher Ansätze zur Reduktion der Ressourcenkritikalität

Herausforderungen der ökobilanziellen Bewertung von Kreislaufwirtschaftsansätzen

 

  • Wenn die identifizierten Erfolgsfaktoren für die Umsetzung zirkulärer Ansätze für Elektrofahrzeugbatterien adressiert werden, bietet die Kreislaufwirtschaft neue Geschäftsmöglichkeiten für die Sektoren Energie und Mobilität, die sich derzeit im Transformationsprozess befinden. Zu den kritischen Erfolgsfaktoren zählen u. a. die Standardisierung, die Kooperation zwischen den Sektoren, eine erhöhte Datentransparenz, globale Rückgabesysteme sowie regulatorische Anreize am Lebensende.

Weitere Informationen zu der Umsetzung von zirkulären Geschäftsmodellen für Elektrofahrzeugbatterien:

Der Weg zu zirkulären Geschäftsmodellen für Elektrofahrzeugbatterien

 

  • Das Recycling von Dünnschicht-Photovoltaikmodulen kann bedeutend zur Reduktion des kritischen Rohstoffbedarfs beitragen, allerdings sind nur geringe Emissionseinsparungen erzielbar, die hauptsächlich auf das Recycling vom Modulglas zurückzuführen sind. Aktuell ist das Recycling aufgrund zu geringer Abfallmengen unwirtschaftlich.

Weitere Informationen zum Potenzial des Recyclings von Dünnschicht-Photovoltaik-Modulen:

Rohstoff- und Treibhausgaseinsparungen durch Recycling von Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid-Photovoltaikmodulen

 

  • Auch für Permanentmagneten aus Windkraftanlagen wurde das Recycling als ein wichtiger zirkulärer Ansatz identifiziert, da hierdurch große Neodym-Einsparungen erzielt werden können. Insbesondere das werkstoffliche Recycling der Magneten bietet zudem großes Potenzial zur Treibhausgasreduktion.

Weitere Informationen zum Potenzial von zirkulären Ansätzen für die Windenergie:

Zirkuläre Ansätze für Permanentmagneten in Windturbinen

Die zirkuläre Energiewirtschaft – Potenziale der Kreislaufwirtschaft in der Windkraft

 

  • Insgesamt bieten zirkuläre Ansätze das Potenzial den CO2-Fußabdruck und den kritischen Rohstoffbedarf von Schlüsseltechnologien für die Energiewende zu reduzieren. Allerdings sind die tatsächlichen Effekte der zirkulären Ansätze stark vom zugrundeliegenden Energiesystem und zukünftigen Entwicklungen abhängig.

Das Projekt wurde von der Stiftung Energieforschung Baden-Württemberg (www.sef-bw.de) und der Hans und Klementia Langmatz Stiftung unterstützt.

Im Rahmen des Projekts ist die Dissertation von Anika Neitz-Regett entstanden, die mit dem Dr. Wilhelmy-Stiftungs-Preis ausgezeichnet wurde.