Offshore-Windenergie in Nord- und Ostsee: Eine Herausforderung für die maritime Raumplanung
Die maritime Raumplanung in der Nord- und Ostsee steht durch die verschiedenen Nutzungsformen wie Naturschutz, Militär, Rohstoffabbau und Windparks unter wachsendem Druck. Im Rahmen des diesjährigen Viewpoint der elia Group zielt das Projekt „Enpowering Europe’s next phase of offshore wind“ darauf ab, die Verkabelung von Offshore-Windparks bis 2050 zu optimieren und Nutzungskonflikte zu minimieren [1]. Zwei Szenarien, Minimum Asset und Nature First, wurden entwickelt, um die Kosten und Effizienz der Verkabelung zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Kooperationen die Kosten senken können, auch wenn höhere Restriktionen bestehen.
Motivation
Die maritime Raumplanung in der Nord- und Ostsee ist bereits jetzt durch einen zunehmenden Nutzungsdruck geprägt (vgl. Abbildung 1). Neben Naturschutzgebieten, Militärflächen zu Übungszwecken, Abbaugebieten von Rohstoffen und Aquakulturen werden auch zunehmend mehr Windparks errichtet und angeschlossen. Angesichts der ambitionierten Ausbauziele der Anrainerstaaten für die Erzeugung von Energie mittels Offshore-Windkraft, wird dieser Nutzungsdruck weiter erhöht und Nutzungskonflikte wahrscheinlicher. Bis 2050 sollen etwa 370 GW mehr offshore-Energie in Nord- und Ostsee installiert sein als heute. Derzeit werden die Windparks am häufigsten radial angeschlossen, was angesichts der Ausbauziele als unzureichend für die zukünftigen Herausforderungen erscheint. Neue Netztopologien, wie beispielsweise Netzwerke oder Interkonnektoren und die verstärkte Kooperation zwischen den Anrainerstaaten sind Optionen, um die Ausbauziele zu erreichen, ohne die unterschiedlichen Nutzungen einschränken zu müssen.
Zielsetzung
Ziel des „Enpowering Europe’s next phase of offshore wind“ Projektes ist es, die Verkabelung zwischen Windparks und Anlandungspunkten in extremen und kombinierten Szenarien für die Jahre 2030 und 2050 zu optimieren. Diese Szenarien unterscheiden sich darin, zu welchem Anteil eine Co-Nutzung von Flächen Kosten sparen kann. Auch werden Verbindungstopologien für ein kooperatives und vernetztes Verkabelungssystem identifiziert. In Folge der Gesamtoptimierung werden mögliche Kooperationen zwischen einzelnen Anrainerstaaten untersucht und bewertet, um Synergien zu nutzen und die Gesamteffizienz der Offshore-Windenergieprojekte zu steigern.
Methodik
Insgesamt werden zwei Szenarien betrachtet: Minimum Asset und Nature First. Der Unterschied zwischen Minimum Asset und Nature First liegt darin, dass Minimum Asset kaum Restriktionen aufweist, um eine Co-Nutzung zu verhindern, während das Nature First Szenario Naturschutzgebiete priorisiert und deutlich höhere Kosten für die Durchquerung von Schutzgebieten sowie anderen Nutzungsformen fordert. Betrachtet werden alle maritimen Raumordnungspläne der Anrainerstaaten, durch welche die relevanten Nutzungsformen, wie Infrastrukturkorridore, Windparkgebiete, Schifffahrtsrouten, Ankerplätze, militärische Gebiete, Naturschutzgebiete, Aquakultur sowie Sand-, Material- und Ölexplorationsgebiete verortet werden. Diese Gebiete werden mittels analytischem Hierarchieprozess (AHP) anhand ihres Schutzanspruchs gewichtet [2]. Diese Gewichtung wird nach einer Verifizierung als Kostenparameter für die Berechnung der kürzesten Wege verwendet. Für die Berechnung der kürzesten Wege zwischen Windparks und Anschlusspunkten oder ‚Points of Connection‘ (POC) wird der A*-Algorithmus der PostgreSQL-Erweiterung pgRouting verwendet.
Abschließend werden die Gesamtkosten des Systems durch eine Allokationsoptimierung minimiert. So dass die verschiedenen Windparks unter Berücksichtigung diverser Beschränkungen, u. a. Erreichung der Ausbauziele pro Land und einer installierten Mindestleistung pro Anschlusspunkt, an Land angeschlossen werden. Schlussendlich wurde eine erste Bewertung der Resilienz des optimierten Systems vorgenommen. Hierbei werden insbesondere die Breite eines Kabelkorridors und die übertragene Energie betrachtet.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass Kooperationen zwischen einer Vielzahl an Ländern möglich sind (vgl. Abbildung 3). Nicht nur mittels Interkonnektoren und hybriden Zwischenverbindungen, sondern auch durch den Anschluss eines Windparks aus einer benachbarten ausschließlichen Wirtschaftszone können Kosten minimiert werden. Als Beispiel für Deutschland sind Windparks aus dem benachbarten Dänemark deutlich kostengünstiger anzuschließen, als die Vorranggebiete der Dogger Bank vollständig auszunutzen.
Da die variablen Kosten zwischen den Szenarien maßgeblich durch die Länge der Kabelstrecke geprägt werden, sind in Abbildung 4 und 5 die Ergebnisse des gesamtoptimierten Systems für Nord und Ostsee dargestellt.
Diese legen nahe, dass der Kostenunterschied zwischen den beiden Szenarien trotz höherer Restriktionen für eine Co-Nutzung von Flächen im Minimum Cuts Szenario vernachlässigbar ist – was darauf hindeutet, dass zukünftige Offshore-Planung stärker auf Kooperation als auf Co-Nutzung von Flächen setzen sollte.
Eine abschließende Resilienzbewertung und Optimierung eines resilienten Systems, was in Anbetracht der derzeitigen Weltpolitischen Lage von zukünftiger Bedeutung sein wird, wurde in diesem Projekt mit einem vereinfachten Ansatz durch die Analyse kritischer Korridore durchgeführt. Diese Analyse hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich diesem Thema in Zukunft weiter zu widmen.
Literatur
[1] Elia Group launches vision paper on the virtuous circle of offshore wind benefits in Europe
[2] Klaus D. Goepel, (2013). Implementing the Analytic Hierarchy Process as a Standard Method for Multi-Criteria Decision Making In Corporate Enterprises – A New AHP Excel Template with Multiple Inputs, Proceedings of the International Symposium on the Analytic Hierarchy Process, Kuala Lumpur 2013. DOI: https://doi.org/10.13033/isahp.y2013.047