Carbon Management in Bayern
Konzept einer CO2-Sammelinfrastruktur
Der Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft erfordert in Industrie und Energiewirtschaft über reine Elektrifizierungsmaßnahmen hinausgehende Strategien. Besonders schwer bzw. unvermeidbare Emissionen, beispielsweise aus Kalk- oder Zementwerken, machen deutlich: ohne Carbon Capture, Utilization and Storage (CCUS) wird es schwierig die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig die Industriestandorte zu erhalten. Vor diesem Hintergrund wurde von der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH (FfE) im Auftrag des Bayernwerks eine Studie zu einer möglichen CO₂-Sammelinfrastruktur in Bayern erstellt. Ergebnis ist ein Konzeptvorschlag zum CO₂-Transport in einer konkreten Modellregion unter Berücksichtigung der direkten und indirekten Kosten verschiedener Transportmodalitäten entlang der CO₂-Wertschöpfungskette.
Modellregion zur Konzeptentwicklung einer CO2-Sammelinfrastruktur
Der Transport großer CO₂-Mengen wird zukünftig voraussichtlich über ein CO₂-Transportnetz aus Pipelines erfolgen, da dies die wirtschaftlichste Transportmodalität darstellt. Für weitere kleinere, dezentral gelegene CO₂-Quellen erfordern demzufolge eine multimodale CO₂-Sammelinfrastruktur, um in das überregionale CO₂-Transportnetz einspeisen zu können. Um aufzuzeigen, wie eine solche CO₂-Sammelinfrastruktur aussehen könnte, wurde eine Modellregion in Bayern ausgewählt und ein ganzheitliches Konzept für dessen potenzielle CO₂-Quellen entworfen.
Betrachtet wurde dabei das in Abbildung 1 dargestellte Gebiet im bayerisch-thüringischen Grenzraum mit verschiedenen Industriestandorten. Darunter befinden sich CO₂-intensive Standorte wie Kalk- und Glaswerke, Gaskraftwerke und thermische Abfallbehandlungsanlagen, aber auch Biomassekraftwerke und Biomethanaufbereitungsanlagen. Die Region verfügt über günstige Voraussetzungen für eine multimodale CO₂-Logistik: bestehende Erdgasleitungen im Verteilnetz, ein ausgebautes Schienennetz und Zugang zum Main-Donau-Kanal bieten vielfältige CO₂-Transportoptionen per Pipeline, Bahn, Lkw und Schiff. Bestehende Erdgasleitungen sind potenziell interessant, da bei einer Umwidmung dieser Pipelines für den CO₂-Transport deutlich geringeren Kosten möglich sind. Eine Umwidmung steht jedoch in Nutzungskonkurrenzen mit Erdgas-, Biogas- oder Wasserstofftransport. Die Betrachtung der jeweiligen CO₂-Quellen in der Modellregion hat dabei gezeigt, dass diese Nutzungskonkurrenzen die Möglichkeiten zur Umwidmung erheblich einschränken können.
Hochlauf der CO₂-Sammelinfrastruktur: In drei Phasen zum Zielbild
Die Studie schlägt einen gestaffelten Ausbau der CO₂-Sammelinfrastruktur vor, der auf die zeitlich versetzte Einführung der CO₂-Abscheidung an den Emissionsquellen angelehnt ist. Der Hochlauf gliedert sich in drei Phasen mit steigendem CO2-Transportvolumen, welche in Abbildung 2 dargestellt sind:
- Startphase
In dieser Phase um das Jahr 2030 herum konzentriert sich die CO₂-Abscheidung auf wenige Punktquellen. In der Modellregion sind dies Kalkwerke mit unvermeidbaren Prozessemissionen, die aufgrund der ETS-Zertifikatsentwicklung vor besonders großem Handlungsdruck stehen. Das abgeschiedene CO₂ wird in dieser Phase zunächst per Lkw zu einem Umschlagbahnhof gebracht und von dort per Zug zu potenziellen CO₂-Speichern, z. B. offshore unter der Nordsee, in Richtung Norden transportiert. Der zu transportierende Gesamtmenge beträgt dabei etwa 85 kt CO₂ pro Jahr.
- Hochlaufphase
Mit zunehmender Dekarbonisierung und möglicher CO₂-Abscheidung in weiteren Sektoren steigt auch der Bedarf für eine CO₂-Infrastruktur. Im zugrundeliegenden Szenario werden trotz denkbarer alternativer Transformationsoptionen auch Emissionen aus Glaswerken, Gaskraftwerken und Abfallbehandlungsanlagen abgeschieden. CO₂ wird per Lkw und ersten Sammelpipelines zu Bahnverladestationen transportiert. Die Kombination aus Lkw-, Bahn- und Pipelinetransport erfordert die Errichtung und Integration von Zwischenspeichern und CO₂-Aufbereitungsanlagen. Das jährliche Transportvolumen steigt auf rund 930 kt CO₂.
- Zielbild
Langfristig und spätestens mit Erreichen der CO₂-Neutralität in Bayern dominiert in der vorliegenden Betrachtung der Transport per Pipeline. Ein zusammenhängendes regionales Pipeline-Sammelnetz speist CO₂ in das überregionale CO₂-Transportnetz bei Erlangen ein. Zusätzlich werden biogene CO₂-Quellen (Biomassekraftwerke und Biomethananlagen) mit der Möglichkeit zur Erzeugung und Vermarktung von Negativemissionen eingebunden. Damit wird ein Transportvolumen von bis zu 1,5 Mt CO₂ jährlich erreicht.
Fazit und Einordnung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Studie lassen sich in fünf Kernaussagen zusammenfassen:
- Die tatsächliche CO₂-Sammelinfrastruktur hängt von den standortspezifischen Transformationspfaden ab:
Der wirtschaftliche Einsatz von CO₂-Abscheidung ist standortspezifisch zu prüfen. Regionale CO₂-Transportkonzepte können den Interaktionsprozess von Industrie, Energiewirtschaft, Netzbetreibern und Logisitikanbietern unterstützen. - Im Zielbild dominiert der CO₂-Transport per Pipeline:
Langfristig ist der CO₂-Transport per Pipeline die wirtschaftlichste Option. Bis dahin wird der überregionale Transport überwiegend per Zug abgewickelt. - Die Umwidmung bestehender Gasinfrastruktur spielt eine untergeordnete Rolle:
Aufgrund der Nutzungskonkurrenz mit Wasserstoff, Biomethan und Erdgas, ist ein Neubau von CO₂-Pipelines in einer Sammelinfrastruktur notwendig. - Die Umsetzung der Infrastruktur hängt von der zukünftigen Marktausgestaltung ab:
Die Marktausgestaltung (z.B. Finanzierung der CO₂-Pipelines) hat wesentlichen Einfluss darauf, wie ausgeprägt die Hochlaufphase auf dem Weg zum Zielbild ausgebaut wird. - Umladung von CO₂ sollte möglichst vermieden werden:
Umladungen zwischen Transportmodalitäten erfordern zusätzliche Infrastruktur und Kosten. Daher ist ein Transportkonzept mit wenig Wechseln der Transportmodalitäten anzustreben.
Die Studie zeigt, dass für den Aufbau einer CO2-Sammelinfrastruktur auf regionaler Ebene viele Faktoren, wie der Verfügbarkeit von überregionalen Transportinfrastrukturen, Zeitpunkt von CO₂-Abscheidungen an verschiedenen Standorten und Verfügbarkeit von alternativen Transportmodalitäten berücksichtigt werden müssen. Die praktische Umsetzung hängt dabei besonders von den regulatorischen Rahmenbedingungen ab, welche sich derzeit noch in der Ausgestaltung befinden. Zudem müssen Transportkonzepte immer standortspezifisch entwickelt werden. Das hier vorgestellte Konzept dient daher vorranging als ein mögliches Konzept und Diskussionsgrundlage für alle beteiligten Akteure.