01.2017 - 03.2021

C/sells – Großflächiges Schaufenster im Solarbogen Süddeutschlands

Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien stellt die Digitalisierung der Energiewirtschaft mit einer zunehmenden Vernetzung der Infrastruktur die zweite treibende Kraft dar, die das Energiesystem und seine Akteure grundlegend verändern wird. Im Projekt C/sells wird die dezentrale Energiewende mit einem intelligenten Energiesystem erprobt. Drei Eigenschaften bilden dabei die Leitidee von C/sells: Zellularität, Partizipation und Vielfältigkeit.

Die FfE in C/sells

In C/sells beschäftigt sich die FfE mit den Chancen und Herausforderungen eines digitalisierten Energiesystems. Die folgende Grafik veranschaulicht die Schwerpunktthemen der FfE im Verbundprojekt, die wir im einzelnen weiter unten erläutern.

FfE-Schwerpunktthemen im C/sells Verbundprojekt

Für das Verbundprojekt C/sells – Großflächiges Schaufenster im Solarbogen Süddeutschland – haben sich mehr als 60 Partner aus Forschung, Energieversorgung, Netzbetrieb, Consulting & Technologie zusammengeschlossen, um in den Modellregionen Bayern, Baden-Württemberg und Hessen das Energiesystem der Zukunft zu demonstrieren. Während einer Projektlaufzeit von vier Jahren wird dabei gezeigt, wie die intelligente Energieversorgung funktionieren kann. In über 30 Demonstrationszellen werden sichtbare Pilotprojekte umgesetzt und intensive Bürgerbeteiligungen in weiteren 9 Partizipationszellen gezeigt.

Weiterführende Informationen zum Verbundprojekt finden Sie unter www.csells.net.

C/sells ist Teil des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Ziel ist es, in großflächigen „Schaufensterregionen“ skalierbare Musterlösungen für eine umweltfreundliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien zu entwickeln und zu demonstrieren. Im Zentrum stehen dabei die intelligente Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch sowie der Einsatz innovativer Netztechnologien und Betriebskonzepte. Die gefundenen Lösungen sollen als Modell für eine breite Umsetzung dienen.

Weitere Tätigkeiten der FfE in C/sells:

  • Regionalkoordination Bayern
  • Unterauftragnehmer im Projekt „Intelligente Wärme München“ der Stadtwerke München

Motive & Zielsetzung

Die Transformation des Energiesystems stellt durch den Zubau dezentraler erneuerbarer Energieerzeugung und neuer elektrischer Verbraucher zahlreiche technische Herausforderungen an die Stromnetze vor Ort. Ebenso schließen sich ökonomische Fragestellungen an: die Verbrauchs- und Erzeugungslandschaft der Energiewende muss mithilfe digitalisierter Infrastruktur intelligent koordiniert werden. Nicht zuletzt betreffen die Herausforderungen auch eine sozial-ökologische Ebene: Es bedarf der Schaffung neuer Anreizstrukturen und Partizipationsmöglichkeiten für unterschiedlichste Akteure. Die Vielschichtigkeit der resultierenden Anforderungen macht die Entwicklung und Konzipierung neuer Lösungsansätze sowie deren Demonstration in Reallaboren notwendig.

Im Rahmen des Projekts erfolgt die Entwicklung methodischer Ansätze, mithilfe derer unter anderem folgende Leitfragen beantwortet werden können:

  • Wie kann eine digitalisierte Infrastruktur, insbesondere iMSys, als Chance für die erfolgreiche Umsetzung eines solar geprägten Energiesystems genutzt werden?
  • Wie kann dezentrale Flexibilität zur Integration von erneuerbaren Energien erschlossen werden und welchen Nutzen hat diese gerade für Verteilnetzbetreiber?
  • Welche Methoden und Konzepte bewähren sich im Praxistest eines Reallabors und bieten eine Blaupause für die flächendeckende Umsetzung?

Regulatorik und Umfeld

In § 14a EnWG ist geregelt, dass Letztverbrauchern ein reduziertes Netzentgelt berechnet wird, sobald diese im Gegenzug dem Netzbetreiber Anlagen zur netzdienlichen Steuerung zur Verfügung stellen. Die zukünftige Ausgestaltung des Paragrafen wird unter anderem einen wesentlichen Einfluss auf die konzeptionelle Umsetzung von Geschäftsmodellen haben. Eine Integration von § 14a EnWG in Flexibilitäts-Plattformen ist über geeignete Produkte möglich. Dadurch können Synergien beim Abruf dieser Anlagen generiert und diese auch durch vorgelagerte Netzbetreiber genutzt werden. Dieser Vorschlag aus C/sells sollte bei der Ausgestaltung der Rechtsverordnung zu § 14a EnWG Berücksichtigung finden.

Regulatorisch ist die Nutzung von Flexibilität in der Anreizregulierung grundsätzlich möglich. Praktisch ist die Flexibilitätsnutzung gegenüber Investitionen in Betriebsmittel schlechter gestellt. Dies liegt insbesondere an der Verzinsung von Investitionskosten, der Tatsache, dass durch Betriebskosten keine Rendite erwirtschaftet wird sowie der periodenübergreifenden Kopplung von Kosten. Im Rahmen einer Novellierung muss die Anreizregulierung regelmäßig auf sich verändernde Rahmenfaktoren angepasst werden. Die Analysen in C/sells zeigen, dass eine Yardstick-Regulierung als alternativer Ansatz die Anforderungen an die Regulierung besser erfüllen kann. Eine (Teil-)Einführung von Yardstick sollte daher geprüft werden.

Literaturempfehlung:

Flexibilitätspotenzial kleiner Anlagen

Flexibilität beschreibt die technische Fähigkeit einer Anlage, die aktuelle und/oder prognostizierte Leistung zu verändern. Für einen gezielten Einsatz von Flexibilitätsoptionen sind der Ort (sowohl geografisch als auch der Verknüpfungspunkt im Netzgebiet) und der damit einhergehende Wirkradius von Bedeutung. Das an der FfE entwickelte regionalisierte Energiesystemmodell (FREM) wurde im Rahmen von C/sells um hoch aufgelöste Daten ergänzt, um gerade auch für die Verteilnetzebene die Datengrundlage für die Flexibilitätsverortung und -bewertung zu schaffen. Darüber hinaus werden die zusätzlichen Daten genutzt, um im Modell die Prognose- und Aggregationsmethoden zu verbessern.

Kleinteiliges und dezentrales Flexibilitätspotenzial auf der Lastseite ist bereits heute vorhanden, allerdings regional unterschiedlich verteilt. Ein großer Anteil des verfügbaren Potenzials entfällt auf Power-to-Heat-Systeme wie elektrische Speicherheizungen und Wärmepumpen. Daneben sind auch Hausspeichersysteme und Elektrofahrzeuge zu erwähnen, deren Bedeutung mit dem Markthochlauf der E-Mobilität weiter zunehmen wird.

Definition und Kategorisierung von Flexibilitäts-Begriffen

Bedarf an netzdienlicher Flexibilität im Verteilnetz

Über Lastflussberechnungen im FfE-Tool GridSim kann ermittelt werden, welcher Flexibilitätsbedarf gerade im Verteilnetz besteht. Für die Abbildung realer Netzstrukturen sind detaillierte Eingangsdaten in Bezug auf Netztopologie, angeschlossene Verbrauchs- und Erzeugerstruktur sowie vorhandene Lastgänge nötig. Ebenfalls simulativ wird untersucht, in welchem Maße die verfügbaren Flexibilitätsoptionen einen Beitrag zur Optimierung des Netzbetriebs leisten können. Zu diesem Zweck wird deren Potenzial regionalisiert und schließlich visualisiert.

Maßnahmen im Rahmen des Einspeisemanagements werden überwiegend durch starke Windeinspeisung im Norden und Osten Deutschlands auf Grund von Engpässen im Übertragungsnetz hervorgerufen. Trotz ambitionierter Szenarien bezüglich der dezentralen EE-Erzeugung (überwiegend durch Photovoltaik) und der Elektrifizierung im Mobilitäts- und Wärmebereich treten Engpässe in der Mittelspannung nur vereinzelt auf. In den analysierten Netzregionen sind diese, falls sie auftreten, zumeist getriggert durch die Einspeisung von erneuerbaren Energien.

Literaturempfehlung:

Markt-& Koordinationsplattform für dezentrale Flexibilität

Zur Erschließung der verschiedenen Flexibilitätsoptionen wurde eine Flex-Plattform entwickelt und in der Projektregion Ostbayern implementiert. Ziel ist dabei, die verschiedenen Anbieter von Flexibilität über neue Marktmechanismen, insbesondere für den Einsatz zum Engpassmanagement, verfügbar zu machen. Die Markt- und Koordinationsplattform bietet die Chance, auch „kleine“ Akteure und Anlagen zu einem aktiven Bestandteil des Energiesystems zu machen. Spezifische Produktausgestaltung bietet hierzu neue Möglichkeiten der Partizipation.

Außerdem konnte im Rahmen des Feldversuchs die erfolgreiche Kopplung zweier Flex-Plattformen im Verteil- und Übertragungsnetz demonstriert werden. Auf diese Weise lässt sich das Flexibilitätspotenzial, das dem jeweiligen Netzbetreiber für das Engpassmanagement zur Verfügung steht, deutlich erweitern. Generell bieten die Plattformkonzepte zahlreiche Chancen gerade bei der Kosteneffizienz in der Netzführung aber auch aber auch Herausforderungen z. B. bei Marktmacht oder strategischem Gebotsverhalten.

Flex-Plattformen in C/sells

Partizipative Aspekte

Bei der Gestaltung und Realisierung von Demonstrationsprojekten mit Schaufenstercharakter sind Maßnahmen und Konzepte zu integrieren, die Partizipationsanreize setzen und einen angemessenen Kommunikationsrahmen bilden. Akzeptanz in der Bevölkerung und Möglichkeiten zur partizipativen Teilnahme bilden die Grundlage für eine weitreichende Durchdringung des Energiesystems mit neuen digitalen Lösungen. Dabei sind es primär emotionale Anreize und intrinsische Motivation, die bei der Erprobung von innovativen Technologien den Mehrwert für das Projekt und die Region ausmachen.

Die Gewinnung von Probanden war für den Projekterfolg essenziell. Hierfür notwendige Informationsveranstaltungen vor Ort wurden z. B. im Rahmen eines Bürgerdialogs in Altdorf durchgeführt. Circa 20 Bürgerinnen und Bürger nahmen teil und zeigten Interesse an der lokalen Energiewende. Viele weitere Aktionen folgten und mündeten in einer großen Kickoff-Veranstaltung mit allen beteiligten Probanden, in welcher u. a. der Ablauf des Feldversuchs diskutiert und die Funktionsweise der ALF-App vorgeführt wurde.

Intelligente Messsysteme als zentrales Demonstrationselement

Für die Analyse und Evaluation des wissenschaftlichen Use Cases „Demonstration einer Markt- und Koordinationsplattform für dezentrale Flexibilität“ stehen sich der Aufbau einer proprietären sowie die Nutzung einer interoperablen Infrastruktur gegenüber. Auch wenn die Verwendung von proprietärer, speziell für das Forschungsvorhaben geschaffener Infrastruktur eine schnellere Umsetzung ermöglicht, so bietet der Einsatz der interoperablen iMSys Infrastruktur zusätzlichen Mehrwert für das Projekt und seine Teilnehmer.

Die Nutzung der Infrastruktur der intelligenten Messsysteme stellt das Bindeglied zwischen der Flexibilitäts-Plattform und der Kundenanlagen dar. Die sichere Übertragung von Messwerten und Schaltbefehlen konnte über alle Prozessebenen hinweg demonstriert werden. Auch für weitere Use Cases, die in den sogenannten Tarifanwendungsfällen (TAF) festgeschrieben sind, konnte die Eignung der intelligenten Messsysteme auf Basis der Zuverlässigkeit, des anfallenden Datenvolumens sowie der auftretenden Latenzzeit in einer Infrastrukturanalyse untersucht und Kennzahlen abgeleitet werden.

Literaturempfehlung:

Veröffentlichung Smart Meter – Umwelt, Technik, Mehrwert

Bewertende Systemanalyse zu Flexibilitäts-Plattformen

Eine digitalisierte Infrastruktur und die damit einhergehenden Veränderungen ziehen grundlegende Auswirkungen auf das Energiesystem mit sich. Die Implementierung einer Flexibilitäts-Plattform im Zusammenspiel zwischen Netz und Strommarktdesign geht mit einer Vielzahl an Wechselwirkungen einher. Zur Untersuchung, welche Auswirkungen die sogenannten „Prosumerzellen“ auf die Gesamtkosten des Energiesystems oder den Redispatch-Umfang haben, kommt das an der FfE entwickelte Energiesystemmodell ISAaR zum Einsatz. Zusammenfassend lässt sich aus der Modellrechnung folgern, dass die Einführung von Flexibilitäts-Plattformen zusätzlich zu klassischen Redispatch-Maßnahmen die EE-Integration, die Systemkosten sowie die CO2-Emissionen positiv beeinflusst.

Durch die notwendige Vereinfachung im Modell verbleibt jedoch in den Ergebnissen Interpretationsspielraum. So ist das Akteursverhalten nach Etablierung einer Flexibilitäts-Plattform nicht abschließend prognostizierbar. Die Abbildung in der Energiesystemanalyse kann diese Mechanismen nur eingeschränkt enthalten. Darüber hinaus sind im Modell ISAaR die unteren Netzebenen nicht abgebildet, wodurch hier keine Netzengpässe untersucht werden können.

Zu untersuchende Marktdesigns.

Reallabore zur Ausgestaltung von Musterlösungen

Die SINTEG-Projekte waren Vorreiter der BMWi-Reallabore. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass es für Probanden neben Kompensationszahlungen weitere Vergütungsformen braucht, um die Skalierbarkeit der marktlichen Prozesse bewerten zu können. Zudem muss es möglich sein, den Teilnehmerkreis zu erweitern. Nur so können neben einem technisch-prozessualen Proof-of-Concept neue Innovationsräume in verschiedenen Bereichen erschlossen und Reallabore als essenzieller Zwischenschritt zwischen Forschung und Realbetrieb positioniert werden.

Für eine gemeinsame Zielsetzung unverzichtbar bei ist dabei das Heben von Synergien unter den verschiedenen Akteuren: Nur eine effiziente und übersichtliche Zusammenarbeit der vielen Partner führt zur besseren Nutzung von Ressourcen. Die in C/sells entwickelte Anwendungshilfe zur Use Case Methodik hilft nicht nur beim strukturierten Entwickeln der Use Cases, sondern schafft Vergleichbarkeit und schnelles Verständnis.

Literaturempfehlung:

Projektsteckbrief der FfE Aktivitäten in Csells

Die Bearbeitung der hier beschriebenen Inhalte erfolgt im Verbundprojekt C/sells durch die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH. Die FfE-Aktivitäten im Verbundprojekt C/sells werden im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert (Förderkennzeichen: 03SIN121).

Neben dem BMWi wird die FfE durch Bayernwerk, Intel Deutschland und die Stadtwerke Augsburg sowohl finanziell als auch mit Daten und individuellen, praxisnahen Erfahrungen unterstützt.

Veröffentlichungen

 

Videobeiträge