Analyse CO₂-Infrastrukturbedarf in Bayern
Studie im Auftrag der vbw
Im Auftrag der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. führt die FfE das Projekt „Analyse CO2-Infrastrukturbedarf in Bayern“ durch. Um das Ziel der bayerischen Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen müssen unvermeidbare Emissionen abgeschieden werden. Ziel des Projektes ist daher die Bedarfsbestimmung einer bayerischen CO2-Infrastruktur für den Transport der abgeschiedenen CO2-Mengen zu Speicherstätten und zu Standorten für die Verwendung in einem geschlossenen Kreislauf.
Motivation und Zielsetzung
„Spätestens bis zum Jahr 2040 soll Bayern klimaneutral sein.“
Art. 2 (2), BayKlimaG [1]
Mit Blick auf dieses bayerische Klimaziel fordert die Studie „Bayernplan Energie 2040“ : „Tempo, Tempo, Tempo – Eine sofortige Beschleunigung der Transformation in allen Sektoren – Industrie, Verkehr, Gebäude und Energiewirtschaft – ist nötig, um die Chance auf Zielerreichung bis 2040 aufrechtzuerhalten.“
Die umfassende Reduzierung von Treibhausgasemissionen innerhalb der nächsten 17 Jahre erfordert massive Anstrengungen. Bayern übertrifft damit sowohl die Vorgabe der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 auf Bundesebene als auch das EU-Ziel im Jahr 2050. Eine besondere Herausforderung stellen hierbei die verbleibenden prozessbedingten Emissionen der Industrie dar, da diese im Gegensatz zu energiebedingten Emissionen nicht durch Effizienzmaßnahmen und Energieträgerwechsel reduziert werden können. Diese daher unvermeidbaren Emissionen müssen abgeschieden und gespeichert (Carbon Capture & Storage – CCS) oder in einem geschlossenen Kreislauf genutzt werden (Carbon Capture & Utilization – CCU). Da in der Regel weder Speicherung noch Nutzung vor Ort praktikable Lösungen sind, ist der Aufbau einer CO2-Infrastruktur für den Abtransport notwendig. Die Konzeption einer solchen Infrastruktur ist Anlass dieser Studie.
Methodik
Die Methodik dieser Studie setzt sich aus vier Schritten zusammen, wie in Abbildung 1 dargestellt.
Den übergeordneten Rahmen bildet der „Bayernplan Energie 2040“ [2] und dessen Kernszenario „E.plan – Günstige Bedingungen für Strom“. Zwei Grundannahmen sind dabei von herausragender Bedeutung:
Annahme 1: Klimaneutralität in Bayern bis 2040.
Annahme 2: Keine Industrieabwanderung in den Szenarien.
Das Szenario „E.plan – Günstige Bedingungen für Strom“ dient als Basis für die betrachteten Transformationspfade. Der erste methodische Schritt berechnet das standortscharfe CO2-Angebot. Unterschieden wird zwischen industriellen CO2-Quellen und Standorten aus der Energiewirtschaft. In der Industrie kommen Verfahren mit unvermeidbaren prozessbedingten Emissionen für die CO2-Abscheidung in Frage. Die Energiewirtschaft ist mit Müllverbrennungsanlagen (MVA), Biomassekraftwerken sowie Gaskraftwerken als potenzielle CO2-Quellen vertreten. Im zweiten Schritt erfolgt die Berechnung der potenziellen CO2-Nachfrage. Die zukünftige CO2-Nachfrage umfasst einerseits die bereits heute bestehende Nachfrage an CO2-Handelsmärkten sowie die potenzielle Nutzung als Rohstoff für die Herstellung synthetischer Kohlenwasserstoffe in der Grundstoffchemie. Berücksichtigt wird dabei die zukünftige stoffliche Nutzung von synthetischem Naphtha und Methanol, sowie die energetische Nutzung von synthetischem Kerosin.
Aus den möglichen CO2-Verwertungsoptionen bilden sich, drittens, zwei relevante Zukunftsszenarien: zum einen das Speicher-Szenario mit dem Fokus auf CO2-Speicherung und zum anderen das Kreislauf-Szenario mit dem Fokus auf CO2-Nutzung. Der aufgespannte Szenariorahmen deckt so die beiden Extreme einer möglichen zukünftigen CO2-Verwertung ab, sodass sich die reale Entwicklung voraussichtlich innerhalb dieses aufgespannten Szenariotrichters bewegt.
Ergebnisse
Die Analyse dieser Studie zeigt, dass auch bei ambitionierter CO2-Verminderung unvermeidbare Emissionen verbleiben. Diese erfordern zunächst ausgereifte Abscheidetechnologien und anschließend den Anschluss an eine CO2-Infrastruktur für den Transport zu potenziellen Abnehmern und Speichern. Das Netzkonzept ist dabei robust und im Leitungsverlauf unabhängig von den betrachteten Szenarien (siehe Abbildung 2).
Zwingend erforderlich ist die CO2-Abscheidung für die Kalk- und Zementindustrie. Sie sind die Industriebranchen mit dem größten Anteil unvermeidbarer Emissionen in Bayern. Das verbleibende Zeitfenster bis zur Klimaneutralität 2040 erfordert, dass bereits jetzt auf marktreife Abscheidetechnologien gesetzt bzw. alle anstehenden Investitionen bereits für die Nachrüstung künftiger CO2-Abscheidung „CC-Ready“ vorbereitet werden. Weitere Industriezweige, wie die Glas- oder Ziegelproduktion, mit kleineren unvermeidbaren Emissionsmengen sind bisher nicht wirtschaftlich mit einer CO2-Abscheidung darstellbar.
Die Energiewirtschaft muss Müllverbrennungsanlagen mit CO2-Abscheidung ausrüsten, um die Kohlenstoffkreisläufe zu schließen. Zusätzlich bietet die CO2-Abscheidung die Möglichkeit an ausreichend großen Biomassekraftwerken Negativemissionen zu erzielen, ohne die ein klimaneutrales Bayern aufgrund verbleibender Emissionen z. B. in der Glas- und Ziegelproduktion sowie CO2-Abscheideraten von < 100 Prozent nicht möglich ist.
Die im Kreislauf-Szenario betrachtete rohstoffliche CO2-Nutzung in der Chemieindustrie bildet ein theoretisches Maximum ab, welches signifikante zusätzliche Strommengen erfordert. Auch für dieses Maximum übersteigt das CO2-Angebot die CO2-Nachfrage, sodass die Speicherung bzw. Export von CO2 nötig sein wird.
Die bayerischen Speicherkapazitäten erfordern weitere Analysen. Sie sind in allen betrachteten Szenarien als Speichermöglichkeit bis zu einem Anschluss an das ein überregionales Transportnetz notwendig. Da diese aber bereits ab den frühen 2040er Jahren erschöpft sein können, ist der Export zu Speichermöglichkeiten außerhalb Bayerns in allen Szenarien langfristig erforderlich.
Der Leitungsverlauf des bayerischen Kernnetzes ist robust hinsichtlich der Nachfrageentwicklung in Bayern und unterscheidet sich lediglich im Ausmaß der Leitungskapazitäten.
Weitere Informationen
Literatur
[1] Bayerisches Klimaschutzgesetz (BayKlimaG). In https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayKlimaG. (Abruf am 2023-05-15); Bayern: Bayerische Staatskanzlei, 2020.
[2] Kigle, Stephan: Bayernplan Energie 2040 – Wege zur Treibhausgasneutralität – Abschlussbericht. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), 2023.