Beitragsreihe Asset Logging: Relevante Use Cases
Der Energiesektor steht wie viele andere Bereiche der Wirtschaft vor der großen Herausforderung des digitalen Wandels. Dieser führt nicht nur zu der Notwendigkeit, existierende Prozesse zu digitalisieren, um zukunfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern beinhaltet auch die Chance, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. In diesem Feld zukunftsorientierter digitaler Geschäftsmodelle der Energiewirtschaft identifizieren und analysieren wir im Projekt InDEED potenziell relevante Anwendungsfälle (Use Cases). Insbesondere steht hierbei im Fokus, ob Blockchaintechnologie für die Umsetzung der Use Cases geeignet ist. In dieser Beitragsserie werden Forschungsergebnisse im Bereich des Asset Loggings vorgestellt, welche wir im Rahmen der DACH+ Konferenz Energy Informatics 2021 veröffentlicht und präsentiert haben. Das Paper ist unter diesem Link öffentlich verfügbar.
Übersicht über die Beitragsserie zum Thema Asset Logging: Digitale Use Cases der Energiewirtschaft
- Anwendungsfeld
- Relevante Use Cases
- Konzeptionierung der technischen Umsetzung
- Technische Lösungskonzept und geplante Umsetzung im Feldtest
2. Relevante Use Cases im Bereich Asset Logging
Nachdem im ersten Teil der Beitragsserie der Anwendungsbereich des Asset Loggings allgemein definiert wurde, wird in diesem Teil die im Projekt angewandte Methodik zur Identifikation relevanter Use Cases beschrieben. Zudem werden die vier Use Cases, welche durch diese Vorgehensweise ausgewählt wurden, beschrieben und die Interaktion der beteiligten Akteure dargestellt.
Die im Nachgang erläuterte Methodik ermöglicht es uns, unter Einbezug aller relevanten Stakeholder zielgerichtet die für die Branche wichtigsten digitalen Anwendungsfelder wissenschaftlich zu bewerten, technische Lösungen zu entwickeln und die Umsetzung dieser zu begleiten. Der im Projekt zum Einsatz gekommene Prozess der Priorisierung und Auswahl der relevantesten Asset Logging Use Cases lässt sich vereinfacht in drei Schritte unterteilen (siehe Abbildung 1):
- Identifikation und Diskussion:
In einem ersten Schritt wurden in 11 bilateralen Workshops mit insgesamt 70 Expert:innen der Energiewirtschaft mögliche Use Cases zusammengetragen, definiert und bezüglich ihrer Notwendigkeit, Anforderungen und Umsetzbarkeit diskutiert. Hierbei wurden insbesondere auch die Möglichkeit einer Anwendung der Blockchaintechnologie in Betracht gezogen und mögliche Vorteile der Technologie wie Dezentralität und Manipulationssicherheit der Datenspeicherung evaluiert. Für eine Auswahl an Use Cases wurden anschließend detaillierte Schaubilder erstellt, durch die ein gemeinsame Verständnis des zu realisierenden Prozesses geschaffen wurde. Die als potenziell relevant eingestuften Fälle wurden anschließend in einer individuellen Use-Case-Beschreibung inklusive User Story, Ziel/Mehrwert, erforderlichen Daten, Rollenbeschreibungen und verschiedener Darstellungen des Prozessablaufs erfasst.
- Priorisierung:
Um eine Grundlage zur abschließenden Auswahl relevanter Use Cases zu schaffen, wurden in einem zweiten Schritt die Ergebnisse der bilateralen Workshops aufbereitet. Hierzu wurden sowohl die Anzahl an Erwähnungen als auch die Detailtiefe der Diskussionen je Use Case ausgewertet und in ein numerisches Ranking überführt. Zusätzlich wurde die Priorisierung der Use Cases, welche durch die Projektpartner abgegeben worden war, ebenfalls in diese numerische Bewertung überführt. Zudem wurde eine fachgebietsspezifische Bewertung und Priorisierung durch die drei Forschungspartner (FfE, Universität Bayreuth und Stiftung Umweltenergierecht) vergeben.
- Auswahl:
Für die finale Auswahl relevanter Use Cases wurden die erstellten Ranglisten in einer Auswahlmatrix gegenübergestellt und evaluiert. Hierbei wurde der Praxisinput der Industriepartner als gewichteter Durchschnitt aus den Auswertungen der bilateralen Workshops und der Priorisierung des Kick-Off-Workshops abgebildet. Die Forschungsperspektive wurde als gewichteter Durchschnitt der Ranglisten der drei Forschungspartner ermittelt. Basierend auf dieser Matrix wurden anschließend die Use Cases ausgewählt, welche sowohl aus Forschungs- als auch Praxisperspektive als relevant eingestuft wurden.
Im Anwendungsfeld Asset Logging konnten die vier folgenden Use Cases die Auswahlkriterien erfüllen:
- Service- und Wartungsmodelle
- Garantiemanagement
- Regulatorische Nachweispflichten
- Betriebscontracting
Im Rahmen des Projekts haben wir ein technisches Konzept entwickelt, das es ermöglicht, alle im Bereich Asset Logging diskutierten Use Cases unter Einhaltung der definierten Grundvoraussetzungen zu realisieren. Dieses Konzept basierte auf der Einbindung einer Datenplattform, auf der alle relevanten und zuvor manipulationsresistent erfassten Daten gespeichert werden, und einer Blockchain, auf der gehashte Daten hinterlegt werden. Nachfolgend werden die vier relevantesten Use Cases inklusive technischer Lösung detailliert beschrieben.
Use Case Service- und Wartungsmodelle
In aller Regel müssen energiewirtschaftliche Assets regelmäßig oder je nach Bedarf gewartet werden. In vielen Fällen wird für diese Service- und Wartungsaufgaben ein Dienstleister beauftragt. Bei heutzutage gängiger Praxis ist die Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der Wartungsarbeiten aufwendig, fehleranfällig und teils manipulierbar. Häufig werden Wartungs- und Verfügbarkeitsberichte manuell nach Abschluss der Wartungsarbeiten erstellt und an den Asset-Eigentümer übermittelt. Dieser kann die erhaltenen Berichte mit dem sogenannten Wartungsplan abgleichen, welcher ebenfalls vom Wartungsdienstleister übermittelt wird. Für den effizienten Abgleich mehrerer Assets müssen die Dokumente in diesem Fall zuvor händisch digitalisiert werden.
Die derzeitigen Service- und Wartungsmodelle weisen somit eine hohe Anfälligkeit für Fehler und Manipulation auf und setzen ein hohes Maß an Vertrauen zwischen Asset-Eigentümer und Wartungsdienstleister voraus. Zusätzlich wird die Überprüfung einer vertragsgemäßen Wartung häufig dadurch erschwert, dass die verschiedenen Assets eines Eigentümers durch viele unterschiedliche Wartungsdienstleister betreut werden.
Abbildung 2 zeigt eine mögliche Umsetzung des Anwendungsfalles mit der Interaktion der am Prozess beteiligten Akteure (Asset-Eigentümer und Wartungsdienstleister) in einem UML Use Case Diagramm. In diesem wird der Austausch der beiden Akteure in einem potenziellen digitalisierten Asset-Logging System abgebildet. Zwischen dem Asset-Eigentümer und dem Wartungsdienstleister besteht ein Wartungsvertrag, welcher eine Beauftragung von Wartungsarbeiten vorsieht. Um deren vertragsgemäße Durchführung zu belegen, muss der Dienstleister hierbei bestimmten Dokumentationspflichten nachkommen. Ein digitalisiertes System könnte diese Abläufe und insbesondere die Dokumentation der Wartungsarbeiten stark vereinfachen. Um einen tatsächlichen Mehrwert zu generieren, muss das System hierbei jedoch bestimmte Rahmenbedingungen erfüllen, welche im Anschluss an die Beschreibung der Use Cases ausgeführt werden.
Use Case Garantiemanagement
Festzustellen, ob valide Garantieansprüche für ein Asset bestehen, ist häufig ein zeitaufwändiger und teurer Prozess. Die Rechtmäßigkeit hängt in der Regel von dem sachgemäßen Asset-Betrieb, sowie dem Einhalten regelmäßiger Wartungszyklen ab. Sowohl für den Garantiegeber wie auch den Asset-Eigentümer verursacht die Prüfung und Gewährleistung dieser Voraussetzungen einen hohen Aufwand und Kosten. Zudem erfordert die Prüfung das Vertrauen des Garantiegebers in die vom Asset-Eigentümer bereitgestellten Daten und stellt dadurch für beide Parteien eine bedeutende Unsicherheit dar.
Abbildung 3 bildet die Interaktion zwischen Garantiegeber und Asset-Eigentümer ab. Der Asset-Eigentümer erwirbt hierbei vom Garantiegeber ein Garantieprodukt (zumeist geknüpft an den Erwerb des Assets oder von Beiprodukten). Um die Verwendung des Assets innerhalb der in diesem Garantieprodukt festgelegten Bedingungen sicherzustellen, werden hierbei Planungsdaten, Wartungs- und Verfügbarkeitsdaten und Betriebsdaten übermittelt und die für die Garantie relevanten Daten in einem zu entwickelnden Asset-Logging-System gespeichert. Im Schadensfall werden diese dann zur Verifikation der Garantiebedingungen an den Garantiegeber übermittelt. Dieser kann somit überprüfen, ob das Asset innerhalb der Vertragsbedingungen des individuellen Garantieproduktes verwendet wurde und so über die Rechtmäßigkeit des Garantieanspruches entscheiden. Darüber hinaus können die Daten zudem auch anderweitig durch den Asset-Eigentümer genutzt werden, beispielsweise zur Visualisierung des Asset-Betriebes.
Use Case Regulatorische Nachweispflichten
Die Eigentümer bestimmter Assets, insbesondere in regulierten Sektoren wie dem Netzbetrieb, sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Betriebsweise und/oder den Zustand ihres Assets nachzuweisen. Dazu müssen regelmäßig Daten erhoben und an eine Regulierungsbehörde wie zum Beispiel die Bundesnetzagentur übermittelt werden. Dies erfordert eine kontinuierliche und transparente Datenerfassung und -übermittlung und kann einen erheblichen Aufwand sowohl für die Asset-Eigentümer wie auch für die Regulierungsbehörde darstellen.
In Abbildung 4 ist die Interaktion der Asset-Eigentümer und der Regulierungsbehörde in einem möglichen Asset-Logging System abgebildet. Der Asset-Eigentümer ist hierbei der Regulierungsbehörde zum Nachweis über Zustand und/oder Betrieb des Assets verpflichtet. Hierfür übermittelt er die für den Nachweis benötigten Daten wie Stamm-, Planungs-, Wartungs- und Betriebsdaten, welche die Regulierungsbehörde für die Erfüllung ihrer Nachweispflicht benötigt. Zudem können die Daten, ähnlich wie im Fall des Garantiemanagements, zusätzlich für eine Auswertung und Visualisierung des Betriebes genutzt werden.
Eine mögliche Ausprägung der regulatorischen Nachweispflichten ist hierbei die Validierung der Bereitstellung von Regelleistung. Die Rahmenbedingungen dieses Anwendungsfalles wurden im Rahmen des Projektes bei der Internationalen Energiewirtschaftstagung vorgestellt. Das Paper kann unter diesem Link abgerufen werden.
Use Case Betriebs-Contracting
Ein weiterer potenziell relevanter Use Case sind Contracting-Modelle zwischen Asset-Eigentümern und Anlagenbetreibern. Dies bedeutet, dass eine bestimmte Anlage nicht vom Eigentümer, sondern von einem Auftragnehmer betrieben wird, der den technischen und operativen Betrieb der Anlage übernimmt. Dies setzt ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Parteien voraus, da der Asset-Eigentümer den Betrieb der Anlage nicht unmittelbar nachvollziehen kann.
Ein digitalisiertes Asset-Logging-System muss deshalb die Möglichkeit bieten, relevante Daten zum Betrieb und Zustand des Assets kontinuierlich, manipulationssicher und für alle Vertragsparteien transparent zu dokumentieren. Dies ermöglicht dem Eigentümer eine bessere Überwachung der Anlage, sodass er die Einhaltung der Vertragsbedingungen nachvollziehen kann.
In Abbildung 5 wird die Beziehung von Asset-Betreiber und Asset-Eigentümer in einem potenziell zu entwickelnden Asset-Logging-System im Fall des Betriebs-Contractings abgebildet. Zwischen den Parteien besteht ein Betriebsvertrag, der unter anderem auch eine regelmäßige Übermittlung von Planungs-, Wartungs- und Betriebsdaten vorsieht. Diese Daten werden durch den Asset-Betreiber gespeichert und können durch den Eigentümer für einen Nachweis über den Zustand seines Assets herangezogen werden. Dies bietet eine verlässliche Datenbasis im Falle von Konflikten bezüglich Betriebsparametern und Vertragsdetails, beispielsweise im Schadensfall. Darüber hinaus können die Daten für eine Auswertung und Visualisierung des Betriebes genutzt werden, welche je nach den Bedingungen des Betriebsvertrages durch den Asset-Betreiber und möglicherweise auch den Asset-Eigentümer genutzt werden können.
Um diesen Service anbieten zu können, müssen Wartungs- und Betriebspläne sowie die aktuellen Betriebsdaten in hoher zeitlicher Auflösung erfasst werden. Darüber hinaus können Wartungs- und Verfügbarkeitsberichte für eine umfassende Darstellung des Anlagenzustandes relevant sein.
Um die Datenerfassung und -übermittlung für die beschriebenen Use Cases technisch umzusetzen, wurden relevante Charakteristika betrachtet und hiervon ausgehend verschiedene Möglichkeiten zur technischen Umsetzung bewertet. Der Prozess wird im nächsten Teil der Beitragsserie genauer beschrieben.
Hintergrund
Im laufenden Forschungsprojekt InDEED beschäftigt sich die FfE mit technischer Unterstützung durch die Universität Bayreuth und rechtlicher Unterstützung durch die Stiftung Umweltenergierecht mit der Konzeption und Umsetzung einer energiewirtschaftlichen Datenplattform unter Verwendung der Blockchain-Technologie. Neben dem Anwendungsfeld „Asset Logging“ wird das Thema „Labeling von Energieflüssen“ im Projektrahmen betrachtet. Die in der ersten Projekthälfte zu entwickelnde Plattform wird für ausgewählte, vielversprechende Use Cases der zwei genannten Themenfelder unter realitätsnahen Bedingungen erprobt werden. Neben der Überprüfung der Umsetzbarkeit der Use Cases können während des Feldtests Daten erhoben und anschließend wissenschaftlich ausgewertet werden. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert (Förderkennzeichen: 03E16026A).
Weitere Informationen:
- Blockchain technology as an enabler for decentralization in the energy system
- InDEED – Konzeption, Umsetzung und Evaluation einer auf Blockchain basierenden energiewirtschaftlichen Datenplattform für die Anwendungsfälle „Labeling“ und „Asset Logging“
- Die Blockchain – Chance zur Transformation der Energiewirtschaft?
- Blockchain in the Energy Industry – Comprehensive Analysis of Potential Use Cases
- Neue Studie: Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie in der Energiewirtschaft