Second-Life-Konzepte für Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen
Die Begleit- und Wirkungsforschung Schaufenster Elektromobilität hat im April 2015 eine Studie zum Thema „Second-Life-Konzepte für Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen“ vergeben. Den Zuschlag zur Studienbearbeitung erhielt ein Projektkonsortium, bestehend aus der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. und dem Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik der Technischen Universität München. Im Februar 2016 wurde die Studie in Berlin vorgestellt.
Motivation:
Bis zum Jahr 2020 hat sich die Bundesregierung ein Etappenziel von mindestens einer Million voll- und teilelektrifizierter Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen gesetzt. Ein flächendeckender Umstieg auf Elektromobilität in Verbindung mit regenerativer Energieerzeugung gilt grundsätzlich als alternativlos, um langfristig auf fossile Energieträger zu verzichten und Schadstoffemissionen zu reduzieren. Den hohen Anforderungen an Leistungs- und Energiedichte im batterieelektrischen Fahrzeug werden gealterte Traktionsbatterien (nach ca. 7 – 10 Jahren Einsatz) nicht mehr gerecht. Durch Weiterverwendung (Second-Life) gealterter Batterien in sekundären Speicheranwendungen kann die Lebensdauer gebrauchter Lithium-Ionen-Traktionsbatterien verlängert werden. Hierdurch eröffnen sich Möglichkeiten, zusätzliche Erlöse zu generieren sowie die Ökobilanz der Elektromobilität zu verbessern.
Ergebnisse:
Im Rahmen der Studie wurde aufgezeigt, dass prinzipiell ein signifikantes wirtschaftliches und ökologisches Potenzial für Second-Life-Konzepte besteht, wenn der Markt für Elektromobilität und Batteriespeicher wie vorgesehen wächst. Zur Hebung dieses Potenzials sind insbesondere Standardisierungen der Batterie-Module, technische Fortschritte im Wiederaufbereitungsprozess und eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen erforderlich.
Im Einzelnen kommt die Studie zu folgenden Schlüsselergebnissen:
- Zwei vielversprechende Second-Life-Anwendungen sind die Bereitstellung von Regelleistung für Stromnetzbetreiber und der Einsatz als Hausspeicher, die an Photovoltaikanlagen gekoppelt sind. Darüber hinaus können sie unter anderem eine Rolle in der Notstromversorgung, für den Antrieb von Flurförderfahrzeugen, im Spitzenlastmanagement von Großverbrauchern und zur Leistungspufferung in Schnellladesäulen spielen.
- Die Wirtschaftlichkeit von Second-Life-Anwendungen erweist sich bei einer Berechnung nach der Kapitalwertmethode sowohl für die Bereitstellung von Primärregelleistung (PRL) als auch für den Einsatz in Hausspeichersystemen (HSS). Verglichen mit der Verwendung neuer Batterien mit gleicher Zellchemie kann für PRL eine Steigerung des Kapitalwerts um 33 %, für HSS eine Verbesserung um 26 % prognostiziert werden. Der Einfluss einer Batterieweiterverwendung auf den Kaufpreis eines Elektroautos liegt hingegen nur bei 3 %.
- Der Umweltvorteil von Second-Life-Batterien ist evident, wenn durch ihre Anwendung die Produktion von Neubatterien vermieden wird. Unter den in dieser Studie gewählten Rahmenbedingungen konnte je kWh Nennkapazität der Traktionsbatterie ein Treibhausgas-Einsparpotenzial von 34 bis 106 kg CO2-Äquivalenten für die Bereitstellung von Primärregelleistung und von 30 bis 95 kg CO2-Äquivalenten für den Einsatz als Hausspeichersystem bestimmt werden. Zudem verringert die Verwendung von Second-Life-Speichern den Neubedarf an kritischen Rohstoffen wie z.B. Nickel und Lithium.
- Werden Traktionsbatterien bei einer Restkapazität von 80 % für Second-Life-Anwendungen wiederaufbereitet, dann beträgt ihr maximaler Verkaufswert rund 50 % der Kosten einer Neubatterie. Der Restwert einer Second-Life-Batterie wiederum wird maßgeblich von der Entwicklung der Recyclingkosten beeinflusst. Theoretisch ist durch eine erhebliche Verzögerung des Recyclings aufgrund des Second-Life-Einsatzes bei zukünftig sinkenden Recyclingkosten sogar eine Geldzahlung des Akteurs mit der Recyclingverpflichtung an das aufbereitende Unternehmen denkbar.
- Wesentliche Stellschrauben für den Erfolg von Second-Life-Produkten liegen in der Optimierung der Wiederaufbereitung und Detailkenntnissen über die Anwendungen:
- Die Prüfung der Module von Traktionsbatterien auf ihre Weiterverwendungsfähigkeit in Second-Life-Batterien ist mit hohem Aufwand verbunden. Es besteht ein Bedarf an Alterungsschnelltests oder besser noch einer kontinuierlichen Aufzeichnung geeigneter Zustandsgrößen in der Erstanwendung.
- Die Anforderungen von Sicherheits-Regularien sind zu berücksichtigen und zu bedenken. Dies gilt insbesondere für die Transportnorm UN 38.3, welche eine erneute Begutachtung bei Restkapazitäten kleiner als 80 % vorsieht.
- Je besser das Lastprofil der Second-Life-Anwendung auf den Alterungszustand der Traktionsbatterie abgestimmt ist, desto länger kann deren maximale Einsatzzeit dauern: Grundsätzlich sollten hohe Laderaten, hohe Ladeschlussspannungen sowie extreme (besonders tiefe) Temperaturen im Second-Life vermieden werden.
- Durch zunehmendes Wissen über Alterungsverläufe und Weiterentwicklung der Zellchemie kann eine übermäßige, nichtlineare Alterung gegebenenfalls verhindert und die Wirtschaftlichkeit des Second-Life-Betriebs weiter gesteigert werden.
Die Kernergebnisse wurden im April 2016 auch auf der Ergebniskonferenz der Schaufenster Elektromobilität in Leipzig präsentiert. In der Umfrage der Begleit- und Wirkungsforschung rangierte die Aussage „Da die Weiterentwicklung von Fahrzeugbatterien ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist, sollte die Erschließung von Second-Life-Anwendungen vorangetrieben werden“ mit 87 % Zustimmung unter den TOP 5 der Handlungsempfehlungen.