11.01.2021

Deutsche Strompreise an der Börse EPEX Spot in 2020

  • Deutsches Strompreisniveau sinkt deutlich – Wie hat Covid-19 im Jahr 2020 die Strompreise beeinflusst?
  • 298 Stunden mit negativen Preisen am Day-Ahead-Markt – Werden negative Strompreise zukünftig immer häufiger auftreten?
  • Preisspreads steigen leicht an – Was bedeutet das für die Vermarktung von Flexibilitäten?

Deutsches Strompreisniveau sinkt deutlich – Wie hat Covid-19 im Jahr 2020 die Strompreise beeinflusst?

Das Preisniveau an der deutschen Strombörse ist im Jahr 2020 das zweite Jahr in Folge gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken. Der an der EPEX Spot gehandelte Phelix-Day-Base (Grundlast; arithmetisches Mittel der Preise aller Stunden eines Tages) sank auf einen Jahresmittelwert von 30,5 €/MWh um knapp 20 % im Vergleich zum Vorjahr ab. Auch die mittleren Preise in der Intraday-Auktion sowie im kontinuierlichen Intraday-Handel wiesen einen ähnlichen Rückgang auf. Auffällig sind im Jahr 2020 jedoch die signifikant höheren Preise im kontinuierlichen Intraday-Handel im Vergleich zum Day-Ahead-Markt und zur Intraday-Auktion (31,5 €/MWh gegenüber 30,5 €/MWh im Base Produkt). Während die gehandelte Energiemenge am Day-Ahead-Markt dabei auf den niedrigsten Wert seit 2010 gefallen ist, sind die gehandelten Volumina in der Intraday-Auktion (+10 % gegenüber Vorjahr) und insbesondere im viertelstündlichen, kontinuierlichen Intraday-Handel (+36 % gegenüber Vorjahr) weiter gestiegen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie kam es zu größeren Unsicherheiten in der Stromnachfrage, was in Kombination mit höheren Einspeisungen volatiler, erneuerbarer Energien (EE) zu gesteigerten Volumina im kurzfristigen Intraday-Handel geführt hat.

Analog zum Preisniveau der Grundlast sind auch die Preise der Spitzenlast (Peak load; durchschnittlicher Preis an den Werktagen Montag bis Freitag von 8 – 20 Uhr) sowie der Schwachlastzeiten (Offpeak load; durchschnittlicher Preis aller Stunden, die nicht im Peak sind) zurückgegangen. Tabelle 1 stellt dazu eine Übersicht über die mittleren Base, Peak und Offpeak Preise des Day-Ahead-Markts, der Intraday-Auktion und des viertelstündlichen kontinuierlichen Intraday-Handels (arithmetisches Mittel aller mittleren, viertelstündlichen Preise) für die Jahre 2017 bis 2020 dar.

Tabelle 1: Die deutschen Börsenstrompreise in den Jahren 2017 bis 2020 nach Daten der EPEX SPOT [1]

Um die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf den Strompreis genauer identifizieren zu können, stellt Abbildung 1 die Strompreischarakteristik des Day-Ahead-Marktes bzw. des viertelstündlichen kontinuierlicheren Intraday-Handels über das Jahr 2020 dar. Der Lockdown von März bis Mai verursachte eine Verringerung der Stromnachfrage (beispielsweise wurden Industriebetriebe zeitweise geschlossen) und führte in Kombination mit günstigen Brennstoffpreisen zu sehr niedrigen und häufig auch negativen Strompreisen (in hellblau dargestellt). Die seit dem Herbst wieder verstärkten Corona-Maßnahmen in Deutschland hatten wiederum keine großen Auswirkungen auf die Strompreise an der Börse. Die preissteigernden Effekte der höheren Brennstoffpreise und vor allem der hohen CO2-Zertifikatspreise (bis zu 33,3 €/tCO2 [2]) am Ende des Jahres überwogen hier deutlich. Neben dem Einfluss von Covid‑19 sind in der Abbildung nach wie vor eine saisonale Charakteristik in Abhängigkeit des Sonnenuntergangs, eine wöchentliche Charakteristik mit geringeren Strompreisen am Wochenende und eine tägliche Charakteristik durch den typischen Strombedarf sowie die typische PV-Einspeisung erkennbar.

Abbildung 1: Strompreise am Day-Ahead-Markt und im kontinuierlichen Intraday-Handel im Jahr 2020 nach Daten der EPEX SPOT [1]

298 Stunden mit negativen Preisen am Day-Ahead-Markt – Werden negative Strompreise zukünftig immer häufiger auftreten?

Die Entwicklung der Anzahl von Stunden (Day-Ahead-Markt) bzw. Viertelstunden (Intraday-Handel) mit negativen Strompreisen über die letzten vier Jahre ist in Tabelle 2 zusammengefasst. An den deutschen Spotmärkten kam es im Jahr 2020 zu einer deutlich gestiegenen Anzahl an Zeitpunkten mit negativen Preisen. Am Day-Ahead-Markt kam es gegenüber dem Vorjahr zu einem Anstieg um gut 40 % auf 298 Stunden mit negativen Preisen. 192 der 298 Stunden fielen dabei in die „6-Stunden-Regel“, so dass zu diesen Zeiten keine Marktprämie für insbesondere größere EEG-geförderte Anlagen ausgezahlt wurde. Weiterhin führt Tabelle 2 für den Day-Ahead-Markt den mittleren Preis und das mittlere Volumen der Stunden mit negativen Preisen aus, so dass sich der bezahlte Betrag für den in diesen Stunden erzeugten Strom (negativer Stromwert) errechnen lässt. Beachtlich ist hierbei, dass trotz einer starken Erhöhung der Anzahl an Stunden mit negativen Preisen dieser negative Stromwert in 2020 in Höhe von knapp -150 Millionen Euro gegenüber den Jahren 2017 und 2019 nur leicht, bzw. gar nicht abgesunken ist. Dies liegt sowohl am geringeren Volumen, das zu diesen Stunden gehandelt wurde, als auch am höheren, mittleren Preis, der sich in diesen Stunden einstellte. Über die EPEX Spot wird in etwa 50 % der deutschen Last beschafft [3], so dass sich bei der Annahme, dass Handelsgeschäfte abseits der Börse einen ähnlichen Preis aufweisen, eine Verdopplung des negativen Stromwerts ergibt.

Der kontinuierliche Intraday-Handel wies 1783 Viertelstunden mit negativen Preisen und damit einen Anstieg an Zeitpunkten um 56 % aus. In der Intraday-Auktion stieg die Anzahl an Viertelstunden mit negativen Preisen sogar um 86 % auf 2041 Viertelstunden an. Das Volumen ist in den viertelstündlichen Intraday-Märkten deutlich geringer, so dass der negative Stromwert hier auch vergleichsweise weniger relevant ist.

Tabelle 2: Anzahl an negativen Börsenstrompreisen in den Jahren 2017 bis 2020 nach Daten der EPEX SPOT [1]

Deutlich häufiger auftretende negative Day-Ahead- und Intraday-Preise in den letzten zwei Jahren werfen die Frage auf, ob in den kommenden Jahren mit zunehmenden Kapazitäten von volatilen, erneuerbaren Energien immer mehr negative Preise zu sehen sein werden. Warum überhaupt negative Preise zustande kommen, liegt vor allem an den folgenden Gründen:

  • Die EEG-Förderung durch fixe Einspeisevergütung bzw. Marktprämie führt dazu, dass erneuerbare Energien auch bei negativen Strompreisen am Markt bleiben.
  • An- und Abfahrkosten konventioneller Kraftwerke führen zur Inkaufnahme negativer Preise. Insbesondere große, träge Kraftwerke produzieren daher auch bei negativen Preisen mit Teillast weiter (zahlen für ihren erzeugten Strom), um den An- und Abfahrvorgang zu vermeiden.
  • Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bekommen neben dem Strom auch die erzeugte Wärme vergütet, so dass sehr niedrige bis negative Grenzkosten am Strommarkt entstehen können.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie sich die Struktur des Energiesystems in Deutschland und die Regulatorik in den kommenden Jahren entwickeln werden:

  • Eine zunehmende Anzahl von EE-Anlagen fallen aus der für 20 Jahre festgelegten EEG-Förderung raus. Damit gehen diese Anlagen in eine Direktvermarktung über, in der sie bei negativen Strompreisen bezahlen müssen und somit präferiert nicht einspeisen werden.
  • Durch die „6-Stunden-Regel“ entfällt insbesondere für größere Anlagen bei sechs aufeinanderfolgenden Stunden mit negativen Preisen die Marktprämie, so dass diese einen Anreiz haben, aus dem Markt zu gehen. Die in § 51 EEG geregelte „6-Stunden-Regel“ wird im EEG 2021 verschärft, indem diese zukünftig bereits bei vier statt sechs aufeinanderfolgenden Stunden mit negativen Preisen greift [4], [5].
  • Aufgrund der deutschen und europäischen Klimaziele kommt es zunehmend zu Stilllegungen von konventionellen Kern- und Kohlekraftwerken (in Deutschland Kernenergieausstieg bis 2023 und Kohleausstieg bis 2038). Somit fallen viele große, träge Kraftwerksblöcke aus dem System, das dadurch dynamischer wird.
  • Zur Flexibilisierung der KWK werden innovative KWK-Anlagen mit elektrischen Wärmebereitstellern gefördert, so dass diese KWK-Anlagen bei negativen Strompreisen nicht betrieben werden.

Es gibt folglich viele Gründe, die dem Trend der letzten Jahre von mehr negativen Strompreisen entgegentreten. In Zukunft (Zeithorizont ab 2025) kann davon ausgegangen werden, dass weniger häufig und vor allem weniger stark ausgeprägt negative Preise zu sehen sein werden und sich die Marktpreise öfter bei den realen, kurzfristigen Grenzkosten von erneuerbaren Energien (also mindestens 0 €/MWh) einpendeln werden.

Preisspreads steigen leicht an – Was bedeutet das für die Vermarktung von Flexibilitäten?

Für den Einsatz von Flexibilitäten an den Strommärkten sind neben dem Preisniveau vor allem die Preisspreads entscheidend. Dazu analysiert Abbildung 2 die maximalen täglichen Spreads des Day-Ahead-Handels (DA-Markt) sowie die maximalen innerstündlichen Spreads der Intraday-Auktion und des viertelstündlichen kontinuierlichen Intraday-Handels für die Jahre 2018 bis 2020.

Abbildung 2: Maximale tägliche Spreads des Day-Ahead-Handels sowie maximale innerstündliche Spreads der Intraday-Auktion und des viertelstündlichen kontinuierlichen Intraday-Handels für die Jahre 2018 bis 2020 nach Daten der EPEX SPOT [1]

Die mittleren, täglich maximalen Preisspreads im Day-Ahead-Handel und die mittleren, innerstündlich maximalen Preisspreads im Intraday-Handel sind im Jahr 2020 gegenüber den Vorjahren leicht angestiegen. Tabelle 3 weist zu den maximalen täglichen und stündlichen Preisspreads der Jahre 2018 bis 2020 auch die tägliche und stündliche Standardabweichung der Strompreise am Day-Ahead-Markt und im Intraday-Handel aus. Auch die tägliche und stündliche Standardabweichung ist im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr auf allen Märkten angestiegen, wobei insbesondere an den Intraday-Märkten die Preisvolatilität zunahm.

In einer kürzlich veröffentlichten Publikation weisen wir die Erlöspotenziale von bidirektionalen Fahrzeugen als exemplarische Flexibilität für das Jahr 2019 aus [3]. Die potenziellen Erlöse betrugen für ein exemplarisches Elektrofahrzeug (100 kWh, 11 kW Lade-/Entladeleistung) bei einer kombinierten Vermarktung an Day-Ahead- und Intraday-Markt 620-720 Euro/a. Durch die leicht gesteigerten Preisspreads können die potenziellen Erlöse in 2020 um mehr als 10 % auf 680‑810 Euro/a gesteigert werden. Mit einer zukünftig potenziell größeren Preisvolatilität steigen also auch die Erlöspotenziale von Flexibilitäten an den Spotmärkten an.

Tabelle 3: Analyse des Preisspreads und der Standardabweichung der Strompreise an den deutschen Spotmärkten in den Jahren 2018 bis 2020 nach Daten der EPEX SPOT [1]

Eine weiterführende Analyse der europäischen Strompreise im Jahr 2020 finden Sie hier.

Quellen:
[1] EPEX SPOT. 2020. “Market data“, https://www.epexspot.com/en/market-data
[2] EEX. 2020. “Umweltprodukte – Spotmarkt”, https://www.eex.com/de/marktdaten/umweltprodukte/spotmarkt
[3] Kern, Timo; Dossow, Patrick; von Roon, Serafin. 2020. „Integrating Bidirectionally Chargeable Electric Vehicles into the Electricity Markets“ Energies 13, no. 21: 5812, https://www.mdpi.com/1996-1073/13/21/5812/htm
[4] Bundesregierung. 2020. „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften“, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/G/gesetzentwurf-aenderung-erneuerbare-energien-gesetzes-und-weiterer-energierechtlicher-vorschriften.pdf?__blob=publicationFile
[5] Bericht des Abgeordneten Lorenz Gösta Beutin. 2020. „Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss)“, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/253/1925326.pdf