Beitragsreihe Wasserstoff Deep Dives: Emissionsbilanzierung von Wasserstoff
Im Verlauf der letzten Jahre ist im Bereich Wasserstoff eine immense Dynamik zu verspüren. Gleichzeitig wurde in der Forschung und Entwicklung an vielen Stellen der Wertschöpfungskette große Fortschritte gemacht und wichtige Erkenntnisse erzielt. In der ersten Beitragsreihe zu Wasserstoff wurden die Grundlagen des Gases entlang seiner Wertschöpfungskette von Produktion über Transport und Speicherung bis hin zu Anwendung erläutert. In dieser nun zweiten Reihe wird auf einzelne Fokusthemen im Detail eingegangen und der aktuelle Wissensstand zusammengefasst. Der dritte Artikel beschäftigt sich mit den Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) von Wasserstoff und deren Bilanzierung.
Übersicht über die Themen der Beitragsreihe Wasserstoff
- Verwendung von Wasserstoff in der Stahlherstellung
- Rohstoffbedarf der Wasserstoffproduktion
- Emissionsbilanzierung von Wasserstoff
- Elektrolyseur-Betriebsweisen
- Effizienz des Wasserstofftransports
- Roadmaps zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur
Die Emissionen von Wasserstoff sind stets Gegenstand vieler Diskussionen. Einerseits werden sie häufig als geeigneterer Indikator für Nachhaltigkeit von Wasserstoff im Vergleich zur Farbenlehre gesehen. Andererseits ist ihre Bestimmung nicht eindeutig und die Ergebnisse können stark variieren. Dieser Artikel trägt die Arbeiten der FfE im Kontext der Emissionsbilanzierung von Wasserstoff in den letzten Monaten zusammen und soll somit eine Hilfestellung bieten, Emissionsbilanzierungen einzuordnen und ihre Ergebnisse zu interpretieren.
Arten der Emissionsbilanzierung von Wasserstoff
Erneuerbar produzierter Wasserstoff ist klimaneutral, hat also einen CO2-Fußabdruck von 0 kg CO2-Äq./kg H2 – so zumindest die Vermutung und Vorstellung hinter dem Begriff „Grüner Wasserstoff“. Jedoch ist dies nicht für alle Varianten der Emissionsbilanzierung korrekt. Grundsätzlich wird hier unterschieden zwischen der Bilanzierung der direkten Emissionen und den Emissionen nach der Methode der Ökobilanz (Life Cycle Assessment, LCA). .
Die LCA bezieht in die Umweltauswirkungen der Produktion von Wasserstoff alle in der Vorkette entstehenden Aufwendungen mit ein. Dazu gehört insbesondere auch der Bau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbaren Stroms. Dass dies, je nach Stromerzeugungstechnologie und verwendeter Datenbasis, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, hatten wir im Discussion Paper „Hydrogen Carbon Footprint in the Context of Clean Hydrogen Standards“ gezeigt. Die folgende Grafik macht dies nochmals deutlich.
Mit Blick auf die erneuerbaren Stromerzeugungstechnologien Wind und Photovoltaik (PV) werden die Unterschiede deutlich. Während der Emissionsfaktor von Wind-basierter Wasserstoff generell unter 1 kg CO2-Äq./kg H2 liegt, reicht die Spannweite des PV-basierten Wasserstoffs von unter 1 kg CO2-Äq./kg H2 bis zu etwa 4 kg CO2-Äq./kg H2. Diese großen Unterschiede sind auf die Einflüsse von unterschiedlichen Standorten und der damit verbundenen Volllaststunden auf der einen Seite sowie unterschiedlichen Technologien auf der anderen Seite zurückzuführen.
Wenn nur direkte, also verbrennungsbedingte Emissionen in der Vorkette betrachtet werden, wird der Strom aus erneuerbaren Energien mit Null bilanziert. Bei der Verbrennung von beispielsweise Gas werden entsprechend auch keine Emissionen in der Vorkette des Gases bilanziert. Dies vereinfacht die Bilanzierung zwar deutlich, vernachlässigt jedoch Emissionen, die in indirektem Zusammenhang mit der Wasserstoffproduktion bestehen. In beiden Fällen ist es letztendlich jedoch entscheidend, dass einzuhaltende Grenzwerte an die Bilanzierungsmethode angepasst sind.
Methode und Grenzwerte verschiedener Richtlinien
Verschiedene Institutionen haben Grenzwerte für die CO2-Intensität von nachhaltigem Wasserstoff bereits festgelegt. Allen voran wurde im Zuge der Verabschiedung des Delegierten Rechtsakts (Delegated Act, DA) zu Artikel 25 der Renewable Energy Directive II (RED II) beschlossen, dass die Emissionsintensität von nachhaltigem Wasserstoff maximal 30 % des Werts von konventionellem Wasserstoff, und somit 3,41 kg CO2-Äq./kg H2, betragen darf. Methodisch festgelegt wurde zudem, dass der Bau von Anlagen bei der Berechnung der Emissionen ausgeschlossen ist. Dementsprechend wird Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und PV mit Null bilanziert. Dies jedoch geht mit einem Problem bei der Bewertung der Nachhaltigkeit nach EU Taxonomie einher, welche die Wahl zwischen der Bilanzierung nach DA als auch der LCA offen lässt. Was dies in konkreten Zahlen bedeutet wurde im Paper „Relevance of Emission Accounting Methods for the Classification of Green Hydrogen“ gezeigt und ist Abbildung 2 zu entnehmen.
Dabei wird ersichtlich, dass im Falle der EU Taxonomie neben verschiedenen Methoden auch unterschiedliche Datenbanken zu stark divergierenden Ergebnissen führen können. Je nachdem ob man für PV-Module die Werte aus der Datenbank ecoinvent oder jene des Umweltbundesamtes bezieht, wird der Grenzwert erreicht oder nicht. Hier gilt es einen klaren Rahmen zu schaffen, welche Methoden und welche Datenbanken anzuwenden sind.
Diese Unterschiede treten jedoch nicht nur innerhalb der EU auf. Weltweit werden aktuell Grenzwerte für nachhaltigen Wasserstoff festgelegt. Dabei unterschieden sich sowohl die Grenzwerte als auch die zugrundeliegenden Methoden stark. In folgender Tabelle sind beispielhaft einige wichtige Regularien mit den jeweiligen Methoden und Grenzwerten aufgeführt.
Bezeichnung | Region | Grenzwert in kg CO2-Äq./kg H2 |
Methode |
DA Art. 28(5) RED II | EU | 3,4 | LCA ohne Anlagenbau |
EU Taxonomie | EU | 3,0 | LCA oder nach DA Art. 28(5) RED II |
Inflation Reduction Act (IRA) | USA | min. 0,45; max. 4,0 | tba; auf Basis des Modells GREET |
UK Low Carbon Hydrogen Standard | UK | 2,4 | LCA ohne Anlagenbau |
Green Hydrogen Organisation* | International | 1,0 | LCA ohne Anlagenbau |
CertifHy* | EU | 4,4 | LCA ohne Anlagenbau |
TÜV Süd* | International | 3,4 | LCA ohne Anlagenbau |
* Private Organisation
Aus europäischer Perspektive wird regelmäßig die einfache Anwendbarkeit des IRA im Kontext von nachhaltigem Wasserstoff hingewiesen. Die Bilanzierungsmethode steht jedoch noch aus und wird für Mitte 2023 erwartet.
Fazit
Die Relevanz der Bilanzierung der THG-Emissionen von Wasserstoff hat durch die Anwendung von Richtwerten in Bezug auf die Emissionsintensität zugenommen. Diese Richtwerte sollen festlegen, ob Wasserstoff nachhaltig ist und bilden somit die Grundlage dafür zu welchem Preis dieser abzusetzen ist. Damit Sicherheit in Bezug auf die dahinterstehenden Geschäftsmodelle in der Wasserstoffproduktion besteht, müssen jedoch auch die Methoden und Datengrundlagen eindeutig sein. Um den Nachweis niedriger Emissionsintensität erbringen zu können bedarf es neben dem grundlegenden Knowhow in Bezug auf Emissionsbilanzierung innerhalb der Unternehmen auch einer einfachen Anwendbarkeit der Methoden.