Beitragsreihe Wasserstoff Deep Dives: Elektrolyseur-Betriebsweisen
Im Verlauf der letzten Jahre ist im Bereich Wasserstoff eine immense Dynamik zu verspüren. Gleichzeitig wurde in der Forschung und Entwicklung an vielen Stellen der Wertschöpfungskette große Fortschritte gemacht und wichtige Erkenntnisse erzielt. In der ersten Beitragsreihe zu Wasserstoff wurden die Grundlagen des Gases entlang seiner Wertschöpfungskette von Produktion über Transport und Speicherung bis hin zu Anwendung erläutert. In dieser nun zweiten Reihe wird auf einzelne Fokusthemen im Detail eingegangen und der aktuelle Wissensstand zusammengefasst. Der vierte Artikel beschäftigt sich mit den verschiedenen Betriebsweisen von Elektrolyseuren.
Übersicht über die Themen der Beitragsreihe Wasserstoff
- Verwendung von Wasserstoff in der Stahlherstellung
- Rohstoffbedarf der Wasserstoffproduktion
- Emissionsbilanzierung von Wasserstoff
- Elektrolyseur-Betriebsweisen
- Effizienz des Wasserstofftransports
- Roadmaps zum Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur
Wenn über Wasserstoff als Energieträger der Zukunft gesprochen wird, wird darunter üblicherweise mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom hergestellter, grüner Wasserstoff verstanden. Mit Elektrolyseuren lässt sich unter Einsatz von Strom Wasser in seine Bestandteile – Sauerstoff und Wasserstoff – aufspalten. Wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, kann so auch die Wasserstoffproduktion weitestgehend CO2-neutral erfolgen.
Während die Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse im einfachsten Fall durchgängig bei konstanter Nennleistung erfolgt, sind auch eine Reihe alternativer Betriebsweisen möglich. Diese werden durch einen flexiblen Teillastbetrieb des Elektrolyseurs ermöglicht: Im Teillastbetrieb produziert der Elektrolyseur zwar weniger Wasserstoff, verbraucht aber auch weniger Strom. Dies ermöglicht eine potenzielle Reduktion der Herstellungskosten für Wasserstoff durch Verschiebung des Strombezugs in die Stunden mit den günstigsten Stromkosten oder durch das Erschließen zusätzlicher Erlösquellen, etwa die Erbringung von Systemdienstleistungen.
Der Elektrolyseur kann nicht nur nach einem, sondern mehreren dieser Optimierungsziele betrieben werden. Dementsprechend ist eine Vielzahl an kombinierten Betriebsweisen denkbar. Solche komplexeren Betriebsweisen sind für Elektrolyseurbetreibende vor allem deswegen interessant, weil die Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse allein nur in wenigen Fällen wirtschaftlich ist. Zum Vergleich werden oft die Wasserstoffgestehungskosten (Levelized Cost of Hydrogen, LCOH) herangezogen, welche für erneuerbaren Wasserstoff typischerweise deutlich höher sind als für die fossile Produktion aus Methan.
Beim Betrieb eines Elektrolyseurs zur Produktion von grünem Wasserstoff müssen neben ökonomischen Optimierungszielen auch technische und regulatorische Rahmenbedingungen beachtet werden, die im Folgenden zunächst beschrieben werden. Es wird weiter ein Überblick über fünf Betriebsweisen gegeben, die als Eckpunkte für die Gestaltung von Elektrolyseur-Lastgängen dienen, und im realen Betrieb auch kombiniert werden können.
Technische Rahmenbedingungen
Beim flexiblen Einsatz von Elektrolyseuren stehen zwei technische Rahmenbedingungen im Vordergrund: Der Wechsel zwischen Betriebszuständen (Lastgradient) sowie der dynamische Betrieb bei Teillast [5].
Ein Elektrolyseur befindet sich in einem von drei Betriebszuständen: AN, STANDBY oder AUS. Der reguläre Betrieb findet im Zustand AN statt. Dazu wird der Elektrolyseur auf Betriebstemperatur aufgewärmt. Bei längeren Betriebspausen oder bei Wartungsvorgängen wird der Elektrolyseur heruntergefahren. Dazu werden die Produktgastanks geleert und die Temperatur des Elektrolyseurs gleicht sich an die Umgebung an. Um von dem AUS-Zustand wieder den Betrieb aufzunehmen, ist also eine längere Aufheizphase notwendig. Diese kann je nach Größe und Betriebstemperatur des Elektrolyseurs zwischen 5 Minuten (kompakte PEMEL bei 50 °C) und 14 Stunden (Hochtemperatur-SOEL bei 800 °C) in Anspruch nehmen [1, 4] und aufgrund thermischer Spannungen zu einer verminderten Lebensdauer des Elektrolyseurs führen [10].
Um kurze Pausen in der Produktion zu ermöglichen, kann der Elektrolyseur auch in den STANDBY-Modus versetzt werden. Hier wird kein Wasserstoff produziert, aber Temperatur und Druck werden weiterhin aufrechterhalten [4]. Der Start aus dem STANDBY-Modus erfolgt, sowohl bei PEM als auch bei modernen AEL, typischerweise innerhalb weniger Sekunden [1, 11].
Elektrochemische Effekte führen auch im STANDBY-Modus zu Degradation von Elektroden oder Elektrolyten [3, 14, 18], weshalb Hersteller oft eine maximale Anzahl von AN-STANDBY-Zyklen bei garantierter Effizienz und Lebensdauer angeben. Dieses kann als tägliches Limit (etwa fünf Zyklen pro [6]) oder über die Lebensdauer angegeben werden (maximal 5000 Zyklen [18]).
Elektrolyseure können auch in Teillast betrieben werden. Der Bereich der Leistung, in dem dies möglich ist, wird Flexibilitätsbereich genannt. Seine Grenzen werden durch Betriebssicherheit und Anlagentechnik bedingt und können sich zwischen 5 % und 100 % der Nennleistung erstrecken [4, 12]. Innerhalb des Flexibilitätsbereichs bleibt der Wirkungsgrad nahezu konstant [11], und Leistungsänderungen sind üblicherweise innerhalb von Sekunden möglich [5, 8, 13], auch dies unabhängig vom Typ des Elektrolyseurs.
Grüner Strombezug
Damit der produzierte Wasserstoff als erneuerbar gelten kann, muss auch der bezogene Strom bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu bestehen eine Reihe von rechtlichen Festlegungen und Definitionen, die für unterschiedliche Anwendungen relevant sind. Besondere Bedeutung kommt der Definition von erneuerbaren Kraftstoffen nicht-biologischen Ursprungs nach RED II auf EU-Ebene zu, die – ursprünglich für den Verkehrssektor gedacht – nach aktuellem Stand (Januar 2023) des EU-Gesetzgebungsverfahrens auch auf andere Sektoren ausgeweitet werden dürfte. Hier darf Wasserstoff als grün bezeichnet werden, wenn der verwendete Strom entweder aus einer Erneuerbaren-Energien-Anlage (EE-Anlage) per Direktleitung zum Elektrolyseur geliefert wird, oder wenn ein power purchase agreement (PPA) mit einem reinen Grünstromproduzenten abgeschlossen wurde und einige zusätzliche Bedingungen (u. a. Gleichzeitigkeit und Zusätzlichkeit) erfüllt sind. Bei Verwendung von Netzstrom (oder einer Mischung von Netz- und Grünstrom) gilt der Wasserstoff anteilig nach EE-Anteil im Strommix als grün [7].
Obwohl der hier zu betrachtende Rechtsrahmen noch im Aufbau befindlich ist und je nach Einsatzgebiet andere Definitionen notwendig sein könnten, sind die Tendenzen klar. So werden Betriebsweisen, die auf Direktlieferungen von Wind- oder Solarstrom oder auf PPAs aufbauen, ein hohes Potenzial für die Produktion von grünem Wasserstoff haben, während der Bezug von Netzstrom höchstens anteilig zu grünem Wasserstoff führt.
Kontinuierlicher Betrieb
Hier wird der Elektrolyseur durchgängig bei Nennleistung betrieben. Dabei kann entweder reiner Netzstrom verwendet werden oder eine grüne Stromquelle stellt die Basis und wird über Netzstrom aufgestockt. Diese Betriebsweise stellt keine besonderen Anforderungen an die technischen Eigenschaften des Elektrolyseurs. Durch die gut vorhersehbare, konstante Wasserstoffproduktion ist insbesondere eine Anwendung in der Industrie denkbar. Allerdings ist der so produzierte Wasserstoff deutlich teurer als konventionell hergestellter [9, 15].
Stromkostenoptimierter Betrieb
Um Stromkosten zu minimieren, wird der Elektrolyseur in den Zeiten betrieben, in denen Strom günstig auf dem Strommarkt verfügbar ist. Bei hohen Strompreisen wird die Produktion ausgesetzt oder bei minimaler Teillast weitergeführt. Weitere Randbedingungen sind denkbar, etwa das Festlegen einer bestimmten Wasserstoff-Mindestproduktion.
Anbieten von Regelleistung
Mit einem flexiblen Teillastbetrieb können Elektrolyseure zu einer stabilen Stromversorgung beitragen. Insbesondere das Anbieten von Primär- oder Sekundärregelleistung (PRL, SRL) bietet sich an. Dazu wird der Elektrolyseur zunächst konstant bei einem bestimmten Arbeitspunkt betrieben, und bei Abweichen der Netzfrequenz von der Regelfrequenz (PRL) bzw. Aufruf des Regelfalls durch den Netzbetreiber (SRL) wird die Leistung innerhalb von 30s bzw. 5 min für einen limitierten Zeitraum in einem zuvor bestimmten Bereich hoch- oder runtergefahren. Sowohl symmetrische als auch positive und negative asymmetrische Regelleistung sind möglich, wobei der Arbeitspunkt entsprechend angepasst werden muss. Die Vergütung erfolgt dabei über den Netzbetreiber und setzt sich zusammen aus einer Prämie für das reine Vorhalten der Regelleistung und, im Falle der SRL, einem zusätzlichen Arbeitspreis für die tatsächlich geleistete Arbeit.
Diese zusätzliche Einkommensquelle verringert die Abhängigkeit von Strom- und Wasserstoffpreis. In Netzgebieten mit stark fluktuierender Stromproduktion kann diese Form des Elektrolyseurbetriebs schon jetzt mit fossiler Produktion konkurrieren [9, 16, 20].
Betrieb nach erneuerbarem Erzeugungsprofil
In dieser Betriebsweise wird der im Elektrolyseur verwendete Strom über eine Direktleitung durch eine EE-Anlage zur Verfügung gestellt. Der Elektrolyseur folgt dem Erzeugungsprofil der Anlage, abgesehen von technischen Einschränkungen wie minimaler Teillast. Die relative Größe von Elektrolyseur und EE-Anlage kann basierend auf der erwarteten Auslastung der EE-Anlage optimiert werden. Damit wird der grüne Strom optimal für die Erzeugung von Wasserstoff genutzt, ein Netzanschluss könnte entfallen oder wird nur für die Einspeisung überschüssigen Stroms dimensioniert. Bei aktuellen Investitionskosten und möglichen Erlösen durch Wasserstoffverkauf bietet dieses ohne weitere Einnahmequellen noch keine Grundlage für ein gewinnbringendes Geschäftsmodell [19].
Nutzung von überschüssigem EE-Strom
Für Betreiber von EE-Anlagen stellt es ein Problem dar, dass in Zeiten hoher Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom gleichzeitig oft auch die Strompreise fallen und teilweise sogar Abschaltungen von Anlagen angeordnet werden. Hier kann die Elektrolyse Abhilfe schaffen: Während der generierte Strom prioritär in das Netz eingespeist wird, kann bei niedrigen Strompreisen oder hoher Erzeugung ein Teil für den Betrieb des Elektrolyseurs abgezweigt werden.
In Regionen mit stark fluktuierenden Strompreisen und hohen Abregelungsraten kann auch diese Betriebsweise verschiedenen Studien zufolge schon jetzt einen wirtschaftlichen Betrieb des Elektrolyseurs ermöglichen [16, 17]. Dabei stellt allerdings der Verkauf von Strom die Haupteinnahmequelle dar.
Realer Elektrolyseurbetrieb als Kombination der Betriebsweisen
Um schließlich bei der Wasserstoffproduktion einen Gewinn zu erwirtschaften, ist es vorteilhaft, alle potenziellen Erlösquellen in Betracht zu ziehen. Ein vielversprechendes Szenario ist etwa ein kombinierter Strombezug aus direkt verbundener EE-Anlage und Netzstrom unter gleichzeitigem Anbieten von Regelleistung. Der durchgängige Betrieb bei voller Auslastung dürfte hingegen die Ausnahme bleiben – Forschungsprojekte gehen hier eher von einer über das Jahr gemittelten Auslastung von 50 % bis 75 % aus [2].
Wasserstoffherstellung aus Elektrolyse ist ein sich im Kommen befindliches Geschäftsfeld. In diesem dynamischen Umfeld werden sich mit der Zeit neue Erkenntnisse ergeben. Die FfE wird sich daher auch in Zukunft weiter mit Elektrolyseur-Betriebsweisen beschäftigen und zur Erweiterung des Wissensstands beitragen.
Literatur
[1] Allidières, L., Brisse, A., Millet, P., Valentin, S., & Zeller, M. (2019). On the ability of pem water electrolysers to provide power grid services. International Journal of Hydrogen Energy, 44(20), 9690–9700. doi:10.1016/j.ijhydene.2018.11.186.
[2] Althoff, E., Dambeck, H., Falkenberg, H., Wünsch, A., Wünsch, M., Ziegenhagen, I., et al. (2022). Klimaneutrales Stromsystem 2035: Wie der deutsche Stromsektor bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden kann .
[3] Brauns, J., & Turek, T. (2020). Alkaline Water Electrolysis Powered by Renewable Energy: A Review. Processes, 8(2), 248. doi:10.3390/pr8020248.
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[8] Friedrich, K. A., Reißner, R., & Ansar, S. A. (2020). Water Electrolysers for electricity grid services – dynamics, advantages and disadvantages of different types of electrolysers .
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