Analyse von einem Jahr Strompreiszonentrennung zwischen Deutschland und Österreich – Was ist passiert? Wer profitiert?
Seit dem 01.10.2018 gibt es eine Trennung des deutschen1 und österreichischen Strommarktgebiets, die dazu führte, dass ein grenzüberschreitender Stromhandel nicht mehr ohne Restriktionen, sondern an die Kuppelkapazitäten gebunden stattfindet. Ziel des Market Splits war einerseits eine Verringerung des Redispatcheinsatzes innerhalb des deutsch-österreichischen Marktgebiets. Andererseits sollten so Ringflüsse durch Polen und Tschechien reduziert werden, wenn in Norddeutschland viel Strom durch Windenergie bei gleichzeitig hoher Nachfrage in Österreich eingespeist wurde, der aufgrund von Engpässen physisch nicht durch Deutschland geleitet wurde [1]. Letztlich können verschiedene Marktgebietsgrößen auch positive oder negative Auswirkungen auf das europäische Market Coupling haben. Ein Jahr nach der Trennung können nun Auswirkungen auf die Handelsflüsse zwischen den beteiligten Marktgebieten und dortige sich einstellende Strompreise analysiert werden.
Entwicklung der Preiskonvergenz in den Marktgebieten Deutschland (DE), Frankreich (FR) und Österreich (AT)
Das Market Coupling, also die Kopplung der europäischen Stromgroßhandelsmärkte, soll zu einer Angleichung der europäischen Day-Ahead-Preise durch eine effizientere Ausnutzung grenzüberschreitender Übertragungskapazitäten führen. Durch einen einheitlichen Algorithmus in den verschiedenen Marktgebieten werden Angebot und Nachfrage optimiert zusammengeführt, so dass die Wohlfahrt bestehend aus Konsumentenrente, Produzentenrente und Engpasserlösen maximiert wird und Preisunterschiede zwischen den Marktgebieten bestmöglich reduziert werden. Dafür werden sogenannte implizite Auktionen verwendet, bei denen Marktteilnehmer nur Energie kaufen oder verkaufen und nicht zusätzlich direkt Übertragungskapazitäten von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) kaufen müssen [2].
Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, ist nach der Strompreiszonentrennung Österreichs und Deutschlands der Strompreis der beiden Länder trotz Market Couplings aufgrund begrenzter Übertragungskapazitäten nicht mehr zu jedem Zeitpunkt gleich. Zu etwa 45 % der Zeit waren die Strompreise in Deutschland niedriger, zu 4 % der Zeit waren österreichische Strompreise niedriger und zu 51 % waren die Strompreise Deutschlands und Österreichs identisch. Im Vergleich dazu waren die französischen Strompreise zu 41 % des Zeitraums höher, zu 18 % niedriger und zu knapp 41 % identisch zu den deutschen Strompreisen. Hier kam es zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Preisdivergenzen verglichen mit den Vorjahren, in denen beispielsweise noch zu 61 % der Stunden deutsche Preise niedriger als die französischen Strompreise waren.
Die Tabelle zeigt ergänzend das absolute Preisniveau in Deutschland, Österreich und Frankreich auf. Auch hier ist ersichtlich, dass sich die Strompreise Deutschlands und Frankreichs angenähert haben. Deutschland wies dabei im zurückliegenden Jahr mit 41,70 €/MWh ein um ca. 3,40 €/MWh niedrigeres Preisniveau als die Länder Frankreich und Österreich auf. Ein Jahr vor der Strompreiszonentrennung war das Preisniveau in Frankreich beispielsweise noch um 9,10 €/MWh höher als in Deutschland.
Mittlerer Strompreis in FR in €/MWh |
Mittlerer Strompreis in DE in €/MWh |
Mittlerer Strompreis in AT in €/MWh |
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Q4.16 – Q3.17 | 45,78 | 35,34 | 35,34 |
Q4.17 – Q3.18 | 48,64 | 39,54 | 39,54 |
Q4.18 – Q3.19 | 45,11 | 41,70 | 45,10 |
Wie haben sich Handelsflüsse seit der Strompreiszonentrennung entwickelt?
Abbildung 2 wertet die mittleren, absoluten Handelsströme zwischen Deutschland und Frankreich, sowie zwischen Deutschland und Österreich in Abhängigkeit von der Preisdivergenz aus.
Die absoluten, mittleren Handelsflüsse zwischen Deutschland und Österreich sind in den vergangenen Jahren von 3.700 MW über 3050 MW auf knapp 2600 MW im Zeitraum Q4.18‑Q3.19 zurückgegangen. Dabei waren die mittleren Handelsströme im zurückliegenden Jahr bei niedrigerem deutschen Preisniveau, also deutschem Stromexport, weitaus höher. Divergierten die Preise, so lag die mittlere Preisdifferenz der beiden Länder bei deutschem Export bei knapp 8 €/MWh, bei deutschem Stromimport bei lediglich knapp 2 €/MWh.
Die mittleren, absoluten Handelsflüsse zwischen Deutschland und Frankreich dagegen sind im Vergleich zum Zeitraum viertes Quartal 2016 bis drittes Quartal 2017 von 1600 MW auf gut 2100 MW angestiegen, wobei in den 12 Monaten nach der Strompreiszonentrennung diese wieder leicht zurückgingen. Divergierten die Preise hier, so haben sich die mittleren Preisdifferenzen von Deutschland und Frankreich bei deutschem Stromexport- und –import, die vor drei Jahren noch sehr weit auseinanderlagen, weitestgehend angenähert auf knapp 12 bzw. 8 €/MWh. Ebenso sind die mittleren, absoluten Handelsflüsse zwischen Deutschland und Frankreich bei Preisdivergenz ausgewogen, unabhängig davon, welches Preisniveau der beiden Länder höher ist. Dies spricht für einen ausgeglichenen Handel.
Kommt es zu Preisentkopplungen von zwei Marktgebieten, werden die Engpasserlöse, die aus dem Export des günstigeren Stroms in das Land mit dem teureren Strompreis resultieren, unter den beteiligten Übertragungsnetzbetreibern gleichermaßen aufgeteilt [5]. Daher können beispielsweise deutsche Stromexporte nach Österreich zu einem höheren, als dem deutschen Strompreis nicht als Erlöse deutscher Akteure angesehen werden. Diese Engpasserlöse werden standardmäßig gleichermaßen zwischen dem österreichischen ÜNB APG und den beteiligten deutschen ÜNB aufgeteilt, wobei zu beachten ist, dass die Netzbetreiber der Anreizregulierung unterliegen.
Wer profitiert von der Strompreiszonentrennung?
Ein positiver Effekt der Strompreiszonentrennung auf die Netzstabilität kann bei Betrachtung der Menge des deutschen Redispatcheinsatzes in Q4/2018 und Q1/2019 von insgesamt 12.000 GWh nicht nachgewiesen werden, da diese sogar höher war als im gleichen Vorjahreszeitraum [6]. Allerdings gibt es zahlreiche weitere Einflussfaktoren, wie das vorherrschende Wetter und Verfügbarkeiten im Übertragungsnetz, die die Höhe des Redispatcheinsatzes beeinflussen, so dass aus den Zahlen keine direkten Rückschlüsse gezogen werden können.
In Österreich ist es durch die geringere Liquidität im Handel zu höheren Strompreisen gekommen, hingegen haben sich die französischen an die deutschen Strompreise angenähert. Von höheren Großhandelspreisen profitieren auf der einen Seite die Kraftwerksbetreiber in Österreich – insbesondere Kraftwerke mit geringen Grenzkosten wie z.B. Wasserkraftwerke. Auf der anderen Seite werden die höheren Beschaffungskosten in der Regel an die Verbraucher in Österreich weitergegeben. In Deutschland besteht ein gegenläufiger Effekt, jedoch ist dieser aufgrund des deutlich größeren Marktgebiets für die einzelnen Akteure nicht so ausgeprägt. Wie sich die Situation für die für Österreich so bedeutsamen Pumpspeicherkraftwerke verändert hat, kann anhand der Analyse nicht beurteilt werden, da hier nicht das Preisniveau, sondern vor allem die untertägigen Preisunterschiede entscheidend sind. Nimmt man die Länder Frankreich, Österreich und Deutschland in Summe zusammen, scheint sich im vergangenen Jahr in dem Gesamtgebiet dieser drei Länder eine höhere Preiskonvergenz einzustellen.
Weitere Informationen:
- European day-ahead electricity prices in 2020
- Deutsche Strompreise an der Börse EPEX Spot in 2020
- Die deutschen Strompreise an der Börse EPEX Spot in 2019 – Analyse des Preisniveaus und der Preisschwankungen (Preisspreads)
- Neues Ausschreibungsverfahren für Primärregelleistung seit dem 1. Juli 2019 – eine erste Zwischenbilanz
- Einführung des Mischpreisverfahrens im Regelleistungsmarkt führt deutlich zu steigenden Leistungspreisen und sinkenden Arbeitspreisen
- Hohe EE-Einspeisungen führen zu mittleren, stündlichen Preisen von -155,83 €/MWh auf kontinuierlichem Intraday-Markt
- Preisprognose Primärregelleistung
Quellen:
[1] „Ergänzende Informationen: Engpassbewirtschaftung des Stromhandels an der deutsch-österreichischen Grenze“, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/ergaenzende-informationen-engpassbewirtschaftung-des-stromhandels-an-der-deutsch-oesterreichischen-grenze.pdf?__blob=publicationFile&v=7, Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2016
[2] „Marktkopplung – ein wesentlicher Schritt zur Marktintegration“ http://www.epexspot.com/de/Marktkopplung/ein_wesentlicher_schritt_zur_marktintegration, Paris: EPEX SPOT
[3] „Market data – Day-Ahead Auction“, https://www.epexspot.com/en/market-data/dayaheadauction, Paris: EPEX SPOT
[4] „Scheduled Commercial Exchanges“, https://transparency.entsoe.eu/transmission-domain/r2/scheduledCommercialExchangesDayAhead/show, Brüssel: entso-e
[5] „All TSOs’ Proposal for a Congestion Income Distribution (CID) methodology in accordance with Article 57 of the Commission Regulation (EU) 2016/1719 of 26 September 2016 establishing a guideline on forward capacity allocation“, https://www.arera.it/allegati/docs/19/274-19all.pdf, Brüssel: entso-e, 2019
[6] „Quartalsbericht zu Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen“, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2019/Quartalsbericht_Q1_2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Bonn: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, 2019
1 Das hier beschriebene deutsche Marktgebiet schließt Luxemburg mit ein.