Das Projekt InDEED
Konzeption, Umsetzung und Evaluation einer auf Blockchain basierenden energiewirtschaftlichen Datenplattform für die Anwendungsfälle „Labeling“ und „Asset Logging“
Das Forschungsprojekt InDEED (FKZ: 03EI6026A) ist am 01.04.2020 gestartet und hat eine Laufzeit bis September 2023. Gemeinsam mit den Forschungspartnern, der Universität Bayreuth und der Stiftung Umweltenergierecht und 12 Partnern aus der Energiewirtschaft verfolgt die FfE das Projektziel, das Konzept einer verteilten Datenplattform für energiewirtschaftliche Anwendungsfälle sowohl praktisch umzusetzen als auch wissenschaftlich zu bewerten.
Für die verteilte Datenbankstruktur soll die Blockchain-Technologie aufgrund ihrer Mechanismen zur Sicherstellung von Manipulationsresistenz zum Einsatz kommen. So können Plattformen realisiert werden, die für alle Akteure gleichermaßen zugänglich sind, wodurch die datenbasierte Wertschöpfung nicht einzelnen Akteuren mit einer marktbeherrschenden Position überlassen wird. Im Fokus stehen im Projekt vor allem Analysen zu Potenzialen, Systemrückwirkungen, veränderten Wertschöpfungsstrukturen und Skalierbarkeit.
Projektinhalte und -struktur
Inhaltlich konzentriert sich das Projekt auf die beiden Anwendungsfelder „Labeling von Energieflüssen“ und „Asset Logging“, welche maßgeblich im FfE-Vorprojekt B10X identifiziert wurden. Hierzu werden Anlagen und Letztverbraucher im realen Umfeld an eine zu entwickelnde Plattform in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern angebunden und die Ergebnisse in wissenschaftlichen Analysen bewertet. Durch die praktische Umsetzung lassen sich Erfahrungen, Daten und Ergebnisse mit möglichst vielen heterogenen Teilnehmern, Technologien und Anwendungsfällen generieren.
Im Projekt wird unter dem Begriff „Asset Logging“ die Erfassung von Betriebs-, Wartungs- und Instandhaltungsdaten von (energiewirtschaftlichen) Anlagen mittels Messsystemen, Prüforganen oder weiterer angemessener Quellen verstanden. Die manipulationssichere und zeitdiskrete Speicherung und Verarbeitung der erfassten Daten einzelner Betriebsmittel ermöglicht eine Vielzahl von Anwendungsfällen. Der Begriff „Labeling“ umfasst die eindeutige, transparente und manipulationssichere digitale Abbildung von Einspeisung, Entnahme und Speicherung sowie deren zeitliche und räumliche Verknüpfung unter der Berücksichtigung physikalischer Randbedingungen. Mögliche Anwendungsfälle der beiden Anwendungsfelder sind beispielhaft in der nachfolgenden Grafik dargestellt.
Im Projektfokus steht die Entwicklung von Methoden und Modellen, die u. a. der Beantwortung folgender ausgewählter Forschungsfragen dienen:
- Welche Anwendungsfälle aus den Anwendungsfeldern „Labeling“ und „Asset Logging“ können auf der Plattform realisiert werden?
- Wie ist das theoretische, technische, wirtschaftliche und praktische Potenzial der Anwendungsfälle in Deutschland zu bewerten?
- Welche energiewirtschaftlichen Anforderungen stellen sich an eine Energie-Daten-Plattform auf Basis der Blockchain-Technologie?
- Wie verändern digitale Plattformen die Wertschöpfung in der Energiewirtschaft?
- Welche praktischen Hürden stehen einer Umsetzung im Wege? Welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus ableiten?
- Welche Anforderungen und Herausforderungen bestehen bei der programmiertechnischen Umsetzung und Skalierbarkeit der Plattform? (bearbeitet von der Universität Bayreuth)
- Wie lässt sich die Plattform skalieren? (bearbeitet von der Universität Bayreuth)
- Wie gestaltet sich der Rechtsrahmen für plattformbasierte Anwendungen im Energiesektor und welche möglichen Hemmnisse sowie Handlungsoptionen können für die betrachteten Anwendungsfälle identifiziert werden? (bearbeitet von der Stiftung Umweltenergierecht)
Das Anwendungsfeld Asset Logging
Die wachsende Anzahl dezentraler Anlagen stellt viele Akteure der Energiewirtschaft vor Herausforderungen. Selbst wenn Anlagendaten durch Smart Meter perspektivisch manipulationsresistent erfasst werden können, existieren dabei noch keine praktikablen technischen Lösungen zur Gewährleistung der Manipulationsresistenz nach Erfassung der Daten. Diese ist jedoch notwendig, um die Integrität von Anlagendaten entlang der gesamten Prozesskette bei Verarbeitung, Speicherung und erneuerter Verwendung zu garantieren. Genau diese Garantie der Datenintegrität bei gleichzeitiger Automatisierung ist jedoch für die Anwendungsfälle (Use Cases) des Bereichs Asset Logging von höchster Bedeutung.
In dem Projekt wurde dabei ein ganzheitlicher Use Case Prozess zur Identifizierung relevanter Anwendungsfälle durchgeführt unter Miteinbeziehung relevanter Stakeholder aus Industrie und Praxis. Basierend auf Vorarbeiten im Bereich Asset Logging wurde hierbei eine Vielzahl dieser Use Cases diskutiert, bewertet und priorisiert und dabei insgesamt 12 für die Energiewirtschaft relevante Asset Logging Use Cases identifiziert. Einige dieser Use Cases sind dabei auch heute bereits umgesetzt, jedoch nur durch komplizierte, meist ineffiziente und auf Vertrauen in einzelne Instanzen beruhende Prozesse, bei denen jedoch großes Potenzial zur Verbesserung und Komplexitätsreduktion besteht. Zum anderen gibt es Use Cases, die durch eine technische Lösung der Garantie der Datenintegrität überhaupt erst realisierbar werden.
Für eine erfolgreiche Umsetzung aller Use Cases des Anwendungsfelds Asset Logging bestehen die folgenden drei Grundvoraussetzungen.
- Manipulationsresistenz entlang der gesamten Prozesskette von Datenerfassung, über -speicherung, bis hin zur -verarbeitung.
- Transparenz sowohl bezüglich der Datenherkunft als auch des Zeitpunkts der Erfassung.
- Datenhoheit und Datensicherheit der Besitzer/ Betreiber der entsprechenden Assets.
Weiterentwickelt wurden in dem Projekt insbesondere die Use Cases „Nachweis Regelleistung“ und „Garantiemanagement“. Zu ersterem wurde ein Nachweiskonzept zur Verifikation der Erbringung von Regelleistung ausgearbeitet. Der Anwendungsfall „Garantiemanagement“ wurde zudem praktisch im Feldversuch erprobt.
Asset Logging in der Praxis: Praktische Erprobung der Datenplattform
Um die Voraussetzung der Manipulationsresistenz, Transparenz und Datenhoheit zu erfüllen, wurde in dem Projekt InDEED eine Datenplattform zu Verifikation energiewirtschaftlicher Anlagendaten entwickelt. Die Daten werden hierfür an der Anlage erfasst und anschließend in sogenannten Merkle Trees zu einem Hash aggregiert, welcher auf eine Blockchain übertragen wird. Hierdurch können große Datenmengen manipulationsresistent und bei relativ geringem Aufwand abgebildet werden, ohne sie direkt offenzulegen. Dieses Konzept wurde als Proof-of-Concept im Feldversuch umgesetzt. Die Plattform wurde dabei durch die Universität Bayreuth entwickelt und in zwei Anwendungen demonstriert. Zum einen werden dabei die Anwendungsfälle Garantiemanagement und Versicherungspolicen gemeinsam mit der liqwotec GmbH erprobt. Zudem wurde die Anwendung von Asset Logging im Bereich Elektromobilität anhand von Daten bidirektionaler Ladevorgänge aus dem Projekt BDL (bidirektionales Lademanagement) umgesetzt.
Der Anwendungsbereich Asset Logging sowie die von uns im Projekt identifizierten Use Cases werden in unserer Beitragsserie sowie in unserem Paper genauer erläutert. In unserem Whitepaper findet sich darüber hinaus noch eine Gesamtübersicht der Tätigkeiten im Projekt zum Bereich Asset Logging inklusive des technisches Lösungskonzeptes, der praktischen Erprobung im Feldversuch und einer juristischen Einschätzung aus der Perspektive des Datenschutzes.
Während der Bereich Asset Logging dabei eine ex-post Verifikation von Daten in einem bestimmten Prüffall ermöglicht, kann das hierfür entwickelte Lösungskonzept keine Anwendungsfälle abdecken, in denen eine konstante Verifikation von Daten erforderlich ist oder in denen große Datenmengen geprüft werden müssen. Zudem erfordert das Lösungskonzept weiterhin die Offenlegung bestimmter Daten im Prüffall, weshalb es nicht eingesetzt werden kann, wenn die Daten so sensitiv sind, dass sie auch im Prüffall nicht offengelegt werden können. Ein solcher Anwendungsbereich ist der Bereich des Labeling, für welchen deshalb ein anderes Lösungskonzept im Rahmen des Projektes entwickelt wurde.
Das Anwendungsfeld Labeling
Die im Sinne des Klimaschutzes notwendige Reduktion von Treibhausgasemissionen stellt einen der größten Transformationsprozesse von Wirtschaft und Gesellschaft der nächsten Jahrzehnte dar. Ein zentraler Baustein für diesen Transformationsprozess ist das Wissen über die Stromherkunft und die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen. Die Stromkennzeichnung nimmt daher sowohl für Privathaushalte als auch für Unternehmen an Bedeutung zu.
Heute werden zur Stromkennzeichnung (Labeling) Herkunftsnachweise (HKN) verwendet.
Das HKN-System in Deutschland basiert einerseits auf den Anforderungen der deutschen und europäischen Regulierung, andererseits auf der konkreten Umsetzung in Form des Herkunftsnachweisregisters.
HKN stellen die Grundlage für zahlreiche Anwendungsgebiete dar. Dazu gehören Ökostromtarife, die Klassifizierung grünen Wasserstoffs sowie die Bestimmung der Treibhausgasemissionen von Unternehmen. Auch für Energiegemeinschaften und lokale Energiemärkte spielt das Labeling von Energiemengen künftig eine bedeutende Rolle.
Damit die Anforderungen dieser verschiedenen Anwendungsgebiete erfüllt werden können, ist eine Überarbeitung des aktuellen Systems erforderlich. In unserer Veröffentlichungsreihe „Zukunftsfähige Herkunftsnachweise“ werden die wachsenden Herausforderungen an das HKN-System in einem im Wandel befindlichen, zunehmend erneuerbaren Energiesystem analysiert.
Die Studie „Zukunftsfähige Herkunftsnachweise – Roadmap zur Weiterentwicklung“ stellt dabei den aktuellen Status Quo sowie die wachsenden Anforderungen an das HKN-System dar. Außerdem wird eine Roadmap beschrieben, wie das System sukzessive weiterentwickelt werden kann. Die Roadmap orientiert sich dabei an der Verfügbarkeit von z. B. Technologien und setzt weitestgehend auf Digitalisierung und Automatisierung. In dem Papier wird aufgezeigt, dass verschiedene Schritte möglich und notwendig sind, das Herkunftsnachweisregister sowie das gesamte System (inklusive regulatorische Grundlagen) zu überarbeiten. Dies beinhaltet die Schaffung digitaler Schnittstellen und die Verbesserung von Prozessen, die Nutzung von Smart Metern, die Erhöhung der zeitlichen Auflösung, die Verringerung der Zertifikatsgröße, die einfachere Kopplung von Erzeugung und Verbrauch, die vereinfachte Teilnahme für Kleinanlagen, die Integration von Speichern und die Verbindung zu HKN-Systemen für Wasserstoff und Wärme. Die einzelnen Schritte sind in Abbildung 2 dargestellt.
In der Studie „Zukunftsfähige Herkunftsnachweise – Konzept für die Ende-zu-Ende-Digitalisierung“ wird die Lösung aus dem Projekt InDEED vorgestellt, die es ermöglichen soll, die Stromherkunft aus Kleinanlagen unkompliziert gegenüber Letztverbrauchern auszuweisen. Die Lösung wurde von der FfE gemeinsam mit der Universität Bayreuth entwickelt. Sie zeigt, was mit einer intelligenten Ende-zu-Ende Digitalisierung realisierbar ist, eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Interaktion und bereitet den Weg für neue Geschäftsmodelle und Produkte – weit über die Stromkennzeichnung hinaus. Abbildung 3 bietet eine Übersicht über Ausgestaltung, Vorteile und Einsatzmöglichkeiten der InDEED Labeling-Lösung.
Das Dokument “Zukunftsfähige Herkunftsnachweise – Kurzfassung” gibt einen Überblick über die zentralen Aussagen der beiden oben genannten Studien.
Labeling in der Praxis: Durchführung eines Pilot-Tests
Im Rahmen des Projekts wurde zusammen mit unseren Partnern (insbesondere der Universität Bayreuth) eine verteilte energiewirtschaftliche Datenplattform entwickelt, die eine hochaufgelöste, transparente und manipulationsresistente Zuordnung von Erzeugung und Verbrauch ermöglicht. Um zu zeigen, dass die Plattform einen realen Beitrag zur Energiewende leisten kann, erfolgt aktuell eine praktische Umsetzung im Zuge eines Pilot-Tests. Dabei werden die Erzeugungs- und Verbrauchsmengen verschiedener EE-Anlagen, Verbraucher und Prosumer erfasst und einander zugeordnet. Die hier zugrundeliegende Allokationsmethode wurde bereits in diesem Paper [1] veröffentlicht. Die Implementierung für den Pilot-Test ist frei zugänglich auf GitLab einsehbar.
Auf dieser Webseite können Sie sich selbst ein Bild davon machen. Neben detaillierten Informationen sehen Sie anhand interaktiver Darstellungen wie Labeling auf einer Plattform in der Praxis funktioniert.
Das Projekt InDEED setzt auf einen transdisziplinären Forschungsansatz aus Energiewirtschaft, Informationstechnologie sowie Recht und Regulierung. Das Konsortium gliedert sich in Forschungspartner mit unterschiedlichen Schwerpunkten (FfE, Universität Bayreuth und Stiftung Umweltenergierecht). Des Weiteren sind an dem Projekt assoziierte Partner mit unterschiedlichen Kompetenzen und Schwerpunkten entlang der gesamten energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette beteiligt und unterstützen das Projekt durch finanzielle Beiträge, Expertenwissen und bei der Umsetzung im Feld.
Weitere Informationen:
- Die Blockchain – Chance zur Transformation der Energiewirtschaft?
- Blockchain in the Energy Industry – Comprehensive Analysis of Potential Use Cases
- Neue Studie: Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie in der Energiewirtschaft
- Blockchain technology as an enabler for decentralization in the energy system
- Blockchain-based logging of bidirectional EV charging data
Literatur:
[1] A. Bogensperger and A. Zeiselmair, „Updating renewable energy certificate markets via integration of smart meter data, improved time resolution and spatial optimization,“ 2020 17th International Conference on the European Energy Market (EEM), Stockholm, Sweden, 2020, pp. 1-5, doi: 10.1109/EEM49802.2020.9221947.